Qualitative Freiraumplanung
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3 Wirklichkeitsanalyse: Wandel<br />
Gesellschaft und Raum<br />
Eine Strukturanalyse städtischer Grün- und Freiräume baut auf einer<br />
Auseinandersetzung mit dem Zustand und dem Wandel von Stadtgesellschaft<br />
und Stadtraum auf. Gesellschaft und Raum beeinflussen<br />
oder bedingen sich gegenseitig: Je nach Perspektive kann der Stadtraum<br />
in einer ‚absolutistischen‘ Vorstellung als dreidimensionaler Behälter<br />
von Dingen betracht, oder in einer ‚relativistischen‘ Vorstellung<br />
als Struktur erst durch die Wahrnehmung von Relationen zwischen<br />
den Dingen entstehen (Löw 2001, 24ff.). Zu diesen Dingen zählt Martina<br />
Löw nicht nur Menschen, sondern auch soziale Güter, wie Grünanlagen<br />
sie darstellen (257ff.). In dieser Vorstellung sind räumliche<br />
Strukturen eine Variante gesellschaftlicher Strukturen, der Stadtraum<br />
die konkrete Praxis der Organisation des Nebeneinanders gesellschaftlicher<br />
Schichten (262ff.).<br />
Der hier zugrundeliegende Begriff der Städtischen Grün- und Freiräume<br />
als Sphäre ( 15) erlaubt es dagegen, städtische Grün- und<br />
Freiräume nicht allein als soziales Gut ‚Grünanlage’ zu verstehen,<br />
sondern im Begriff von ‚Natur’ und ‚Freiraum’ selbst als eine besondere<br />
Raumkonstitution, als gesellschaftlich wahrgenommenen Raum.<br />
Eine Strukturanalyse städtischer Grün- und Freiräume kann sich damit<br />
nicht auf eine Untersuchung der Praxis der Organisation des gesellschaftlichen<br />
Nebeneinanders beschränken, sondern muss sich einem<br />
mehrdimensionalen Strukturbegriff von Stadt und Freiraum stellen.<br />
Henri Lefèbvre hat in seinem Buch ‚Die Revolution der Städte‘ (1970<br />
im französischen Original, 1972 im Deutschen) eine solche mehrdimensionale<br />
Perspektive von Stadtraum eingefordert. Er teilt die Gesellschaftsgeschichte<br />
in drei Epochen mit jeweils spezifischen Raum-<br />
Zeit-Gebilden. In der landwirtschaftlichen Epoche habe die Heterogenität<br />
der Natur, die Verschiedenheit der Erscheinungen der Erdoberfläche,<br />
unmittelbar Namen und Orte angeboten (Lefèbvre 1972, 93 u.<br />
135). Die Stadt bildete gegenüber dem Land einen Ort des Anderen<br />
(Heterotopie). Die industrielle Epoche beschrieb durch ihren Willen<br />
zur Homogenität dagegen homologe Orte des Geplanten, Gleichen<br />
(Isotopie), die sich nur quantitativ anhand ihrer Entfernungen voneinander<br />
definierten – der Raum wurde zum Lebensraum verklärt. Die<br />
Stadtgesellschaft, Stadtraum<br />
und Freiraum<br />
beeinflussen sich<br />
gegenseitig<br />
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