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Qualitative Freiraumplanung

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und, anders als jene Wissensbereiche, derer sich die <strong>Freiraumplanung</strong><br />

bedienen kann, die naturwissenschaftliche, die sozialwissenschaftliche<br />

und die ästhetische Theorie, diesen noch mit einer eindeutigen Botschaft<br />

verbinden.<br />

So haben die Naturwissenschaften Gewissheiten verloren, indem sich<br />

der kausalmechanische Naturbegriff der klassischen Physik, der in der<br />

Natur nicht das Andere, sondern Gesetzmäßigkeiten erkannt hatte,<br />

auflöst (Wilke 1994, 27). Sie begreifen das Eigensinnige und Instabile<br />

der Natur und lernen so, die globalen Mikro- und Makrocodes zu verstehen<br />

und sie gleichzeitig zu verändern. Die Erforschung und Korrektur<br />

der Genome in der Biomedizin, die Erforschung und Beeinflussung<br />

des Klimas im Geoengineering, zu dessen Ergebnis bereits das<br />

Kioto-Protokoll zur Verminderung von Treibhausgasen gezählt werden<br />

kann (Berliner Zeitung 19.07.00) folgen nicht den Regeln der Natur,<br />

sondern entwickeln diese weiter. Diese Umweltforschung wandelt<br />

sich von der Folgen- und Vorsorgewissenschaft zum experimentellen<br />

Umweltmanagement, das im Bewusstsein der Relativität und der Gestaltbarkeit<br />

ökologischer Krisen normative Maßstäbe nicht nur aus<br />

ökologischer Perspektive, sondern auch aus der globalen Bevölkerungsentwicklung<br />

und dem objektiven Zusammenhang ökonomischer<br />

Standards und ziviler Demokratien ableitet (Latour 2001, vgl.<br />

Urban 21, 140).<br />

Die Sozialwissenschaften erkennen in den Freizeit- und Erlebniswelten,<br />

dass auch in der alltäglichen gesellschaftlichen Praxis die Trennung<br />

von Stadt und Natur undeutlich wird. Survivaltourismus oder<br />

Extremsportarten bezwingen die äußere und innere Natur des Menschen<br />

nicht mehr nur in Gebirgen, Wüsten und Meeren, sondern auch<br />

an Hochhausfassaden und in der städtischen Unterwelt, Bunkern,<br />

Kühltürmen und Kanalisationen (zahlreiche Beispiele in Berlin, IBA<br />

Emscher Park etc.). In Fotomagazinen korrespondieren letzte Wildnisse<br />

und asiatische Megalopolen in erhabener Schönheit (Geo 2002). In<br />

virtuellen Welten verschmelzen Natur und Stadt, wenn Künstler mit<br />

Computerprogrammen kameralose dreidimensionale Digitalbilder erzeugen<br />

(Ausstellung „natürlichkünstlich“, Berlin Dezember 2001).<br />

Diese Ausdifferenzierung des Erlebniskonsums führt zu sehr unterschiedlichen,<br />

weitgehend frei wählbaren alltagsästhetischen Schemata<br />

( 78).<br />

In der ästhetischen Theorie bezeichnet Gernot Böhme ästhetische Arbeit<br />

des Menschen als „eine Kultivierung dieses auch in ihm wirksamen<br />

Grundzugs der Natur.“ (Böhme 1992, 42) Dem legitimen Anliegen,<br />

nicht nur Leben, sondern auch Lebenssteigerung zu verwirklichen<br />

(Böhme 1995, 65), werde die Produktion von Pseudo-Natur nicht<br />

WANDEL STÄDTISCHER GRÜN- UND FREIRÄUME<br />

von der Folgen- und<br />

Vorsorgewissenschaft<br />

zum experimentellen<br />

Umweltmanagement<br />

Ausdifferenzierung des<br />

Erlebniskonsums gestattet<br />

frei wählbare alltagsästhetische<br />

Schemata<br />

Gestaltung als zeitgemäße<br />

Naturästhetik<br />

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