Qualitative Freiraumplanung
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WIRKLICHKEITSANALYSE: WANDEL<br />
urbaner Freiraum, staatliche<br />
Vorsorge und Bedürfnisse<br />
lassen sich<br />
nicht auf „Erholung“<br />
reduzieren<br />
124<br />
Freiraumbezogene Erholung<br />
Der Begriff der Erholung im Sinne einer Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit<br />
und Erhaltung der Gesundheit ist an die Belastungen,<br />
aber auch die Identifikationspotenziale einer sich durch die Arbeit<br />
definierenden Industriegesellschaft gebunden. Indem diese sich auflöse,<br />
hält Jürgen Wenzel eine überzeugende Ableitung von Erholung<br />
als soziale Aufgabe kaum mehr für möglich (Wenzel 1989, 17; Wenzel<br />
1991a, 4).<br />
Das Berliner Landschaftsprogramm definiert Erholung 1988 noch als<br />
„Ausgleich gegenüber physischer und psychischer Überbeanspruchung“<br />
(SenStadtUm 1989b, 138). 1994 heißt es an gleicher Stelle:<br />
„Die Technisierung der Arbeitswelt und Reizüberflutung im privaten<br />
Wohnumfeld bei gleichzeitig steigendem Freizeitangebot und erhöhter<br />
Nachfrage führen bei einem großen Teil der Bevölkerung zu dem<br />
bewußten oder unbewußten [so!] Wunsch nach Erholung und Entspannung<br />
in naturnaher Umgebung.“ (SenStadtUm 1994b, 127). Der<br />
im Hinweis auf physische und psychische Überbelastung üblicherweise<br />
enthaltene Ausdruck sozialer Ungleichheit wird im neuen Landschaftsprogramm<br />
damit ersetzt, ohne dass das wesentlich darauf beruhende<br />
Stadtzonenmodell angepasst würde ( 43ff.). Bestehen bleibt<br />
die enge Bindung des Erholungsbegriffs an die Naturnähe, in der<br />
Wenzel ein Surrogat frühbürgerlicher Natursentimentalität erkennt<br />
und eine gesellschaftliche Kompensationserwartung, die der Umweltproblematik<br />
geschuldet sei. „So ist Erholungsvorsorge heute wirklich<br />
nur noch eine Fortsetzung des Naturschutzes mit anderen Mitteln –<br />
Etikettenschwindel, kurz gesagt.“ (Wenzel 1991b, 558)<br />
Wenzels Kritik des Erholungsparadigmas bezieht sich vor allem auf<br />
das fachliche Unvermögen der <strong>Freiraumplanung</strong>, den anspruchsvollen<br />
Bedürfnissen einer Freizeitgesellschaft gerecht werden zu können und<br />
die Missachtung kultureller Funktionen und Bedeutungen städtischer<br />
Grün- und Freiräume. Tatsächlich lässt sich feststellen, dass die Ausdifferenzierung<br />
der Nutzungen zur Professionalisierung und Domestizierung<br />
führt, neue Freizeitaktivitäten vor allem den öffentlichen<br />
Raum der Stadt zurückerobern ( 103).<br />
Neben diesen Deutungen, die das Erholungsparadigma der <strong>Freiraumplanung</strong><br />
als ein Zuwenig darstellen, sind heute solche zu erkennen, die<br />
ein Zuviel solcher Funktions- und Bedeutungszuweisung städtischer<br />
Grün- und Freiräume betreffen.<br />
Zum einen ist der bereits angeführte Wandel des staatlichen Aufgabenverständnisses<br />
zu einer allgemeinen Erholungsvorsorge als Aufgabe<br />
nicht mehr kompatibel. Nicht nur, dass der Staat weniger als der