Qualitative Freiraumplanung
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Art (Hunt 1994, 305ff.), ergänzt durch eine Natur der vierten Art – der<br />
städtischen Brachflächen und Pflasterritzen (Kowarik 1993; vgl.<br />
Lapro 1994a). Mit jener Beschreibung von vier Naturen ist zwar eine<br />
auf Kulturstadien und -intensitäten des Mensch-Natur-Verhältnisses<br />
abstellende Erweiterung des Begriffs von Natur in städtischen Grün-<br />
und Freiflächen gelungen. Seine Dynamik gibt jedoch nur eine einfache<br />
Entwicklungsfolge wieder, verfestigt dabei in jeder der Kategorien<br />
das jeweilige Kultur-Natur-Verhältnis auf einen statischen Zustand:<br />
die vier Naturen oder vier Kulturen (denn schon die erste Natur<br />
setzt die kulturelle Wahrnehmung voraus) treten dem Städter wie in<br />
einem Museum gegenüber. Selbst, wenn eine ‚Verleugnung städtischer<br />
Natur‘in der Vierten Natur der Brachflächen als Ziel und Gegenstand<br />
von Grünplanung und Gartenkunst wenigstens symbolisch überwunden<br />
werden kann (Kowarik 1993, 12). Auch wenn, wie Stefan<br />
Körner meint, die arkadischen Chiffren industrieller Brachen in einem<br />
völlig neuen, urbanen Kontext stehen und damit authentischer Ausdruck<br />
moderner Ambivalenz von Natursehnsucht und städtischer Lebenshaltung<br />
seien (Körner 1999, 35). Eine Zweite Natürlichkeit im<br />
Sinne Lefèbvres, als problematische Natur im Sinne Seels, ist in auratisierten,<br />
urbanen Paradiesgärten einer Vierten Natur (Kowarik 1993,<br />
12) nicht zu finden. In ihr ist nicht die Stadt als solche, sondern nur<br />
etwas in ihr als Natur bezeichnet.<br />
Wenn sich dagegen in der Stadt als einer Zweiten Natürlichkeit der<br />
funktionalistische Unterschied von Natur und Kultur auflöst, schwinden<br />
die auf dem Gegensatz beruhenden normativen, ethisch-moralischen<br />
Setzungen. Eine Ethik des Naturbegriffs wird aber von Bahrdt<br />
und Seel verlangt und ist nach Ansicht von Christoph Lau und Reiner<br />
Keller auch künftig notwendig, um Verantwortung zu regeln und institutionelle<br />
Ordnungen zu geben (Lau, Keller 2001, 95). Wenn also<br />
durch fortschreitende Naturerkenntnis und durch die Technisierung in<br />
der modernen Gesellschaft die Natur immer stärker in den Bereich des<br />
gesellschaftlich zu Verantwortenden einbezogen, zu gesellschaftlich<br />
überformter Natur werde, bedürfe es neuer Verfahren des Interessenausgleichs<br />
und der Entscheidungsfindung, die „pragmatische Naturfiktionen<br />
auf Zeit“ (ebd.) ermöglichten. „Spätmoderne Gesellschaften<br />
werden lernen müssen, mit Zonen der Ungewißheit zwischen Natur<br />
und Gesellschaft, mit pluralen Definitionen von Natürlichkeit zu leben“<br />
(ebd.)<br />
Ethik pluraler und problematischer Naturen<br />
Martin Seel erneuert die ethische Kategorie ästhetischer Natur, indem<br />
er sie als individuelle und gesellschaftliche Grundlage für eine Form<br />
WANDEL STÄDTISCHER GRÜN- UND FREIRÄUME<br />
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