Qualitative Freiraumplanung
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turvortäuschung nicht nur zur Absicherung industriell geprägter Verhältnisse<br />
bei, sondern berge auch den Widerstandsmoment gegenüber<br />
diesen gesellschaftlichen Verhältnissen. Dieser symbolische Wert des<br />
Stadtgrüns gehe allerdings in der auf Benutzung, Ausstattung und<br />
Freizeitwert orientierten Rationalisierung von Grünanlagen verloren<br />
(Tessin 1981, 165f.). Dagegen liege in der Verfremdung eine Möglichkeit<br />
der aufklärerischen, gleichermaßen illusionsproduzierenden<br />
wie -zerstörenden Grünästhetik (169). Formen der Verfremdung seien<br />
der Verzicht auf Gestaltung und Pflege städtischen Grüns zugunsten<br />
spontaner, wilder Vegetation; die Kontrahierung mit nicht-natürlichen<br />
Elementen wie Ruinen, Maschinen, Plastiken; der überraschende<br />
Einsatz von Grün in der gebauten Stadt, Gärten als ‚Fehler im System‘;<br />
die Verknappung des städtischen Grüns und seine Desintegration<br />
aus dem Stadtalltag; der anklägerische Missbrauch durch gezeigte<br />
Schädigung von Pflanzen; die ironische Distanzierung wie Gartenzwerge<br />
in Kleingärten; schließlich die Verfremdung städtischen Grüns<br />
durch bloße darstellende Kunst (ebd.).<br />
Die dieser Freiraumtheorie eigene Glorifizierung und zugleich Diffamierung<br />
der städtischen Natürlichkeit, in der städtische Grün- und<br />
Freiräume nicht als Natur erkannt werden, sondern mahnend auf diese<br />
verweisen sollten, ist eine direkte Folge der Polarisierung des Naturbegriffs<br />
als Ausdruck von Gegenmoderne ( Einleitung) und zeigt<br />
das ambivalente Kulturverständnis der sozialreformerischen <strong>Freiraumplanung</strong><br />
(vgl. hierzu Körner 2001). Dieser polare Naturbegriff setzt<br />
die in ihm kritisierte Trennung von Mensch und Natur selbst voraus,<br />
denn: „Natur wäre nicht länger Natur, würde sie die menschliche<br />
Hoffnung auf Versöhnung mit der Natur erfüllen.“ (Seel 1996, 30)<br />
Problematische und plurale Naturen<br />
Natur als etwas Anderes, so Seel, könne niemals durch wissenschaftlichen<br />
Funktionalismus erfasst, sondern nur ästhetisch, d. h. sinnlich<br />
annähernd wahrgenommen, als ‚problematische‘ Natur gesucht und<br />
gefeiert werden (Seel 1996, 25f.). Die Eigentümlichkeit der Natur<br />
erscheint hier nicht im Gegensatz von Natur und Kultur, sondern in<br />
der inneren Problematik des Naturbegriffes selbst.<br />
Henri Lefèbvre hatte bereits 1970 darauf hingewiesen, dass schon seit<br />
dem Ende des 18. Jahrhunderts im Städtischen eine Mehrdeutigkeit<br />
des Naturbegriffs entstanden sei. Eine ‚zweite Natürlichkeit‘, die Stadt<br />
aus Metall und Stein, sei der „Urnatur – den Elementen aus Wasser,<br />
Luft und Erde – aufgesetzt“ (Lefèbvre 1972, 31). Stadt sei eine neue,<br />
andere Art von Natur, in der – im Unterschied zur ursprünglichen<br />
Natur – nun alles lesbar sei (130). Diese andere Natur erscheine in der<br />
WANDEL STÄDTISCHER GRÜN- UND FREIRÄUME<br />
Gegensatz als Qualität<br />
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