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winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

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Zu Europa.<br />

Eine Annäherung.<br />

å Text<br />

Max Gad<br />

Eu-ro-pa, das klingelt so fein. „Eu“ heißt auf Griechisch wohl und gut; „ro“ assoziiert unsereins mit Roda<br />

Roda, Rowohlts Rotations Romanen, mit Robinson Crusoe und Robin Hood; und „pa“ nennt mich Johanna<br />

in den Mails, die sie in Wien und Salzburg und Budapest tippt, „lieber pa“ – was für eine Euphonie! Ihrerseits<br />

vielleicht euphemistisch, mir verschafft es Euphorie.<br />

Zumindest mantrisch haut Europa wundersam hin. Aber es wollte doch nichts Rechtes werden. Ich habe mir<br />

(versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen) Brauchbares abquälen wollen – nein, quälen<br />

nicht, es sollte elegant sein wie der Schwalbenflug... Heute übrigens, zu Mariä Geburt, fliegen die Schwalben<br />

furt. Nach Ägypten, von einem phantastischen Navigationssystem gelenkt und zwecks Überlebens. Wie vor<br />

gut 2000 Jahren, so steht es bei Matthäus im zweiten Kapitel, Maria mit Josef und dem Kleinen, dem Gewalttätiges<br />

und Gewaltiges bevorstand.<br />

Fast jede Silbe da oben trägt Europa – doch geht es mir wie beim Traum, der sich, wenn man ihn fassen will,<br />

verzieht ins Vage. Ich muß gestehen, mitten in Europa nicht zu wissen, was Europa ist. Beginne ich deshalb in<br />

mir herumzustöbern? Liegt Europa dort? In meiner Gedankenflucht?<br />

Aus der slowenischen Kindheit: Stundenlanges Blättern in zwei riesengroßen Bänden, erschienen 1914. „Mein<br />

Österreich, mein Heimatland – Illustrierte Volks- und Vaterlandskunde des Österreichischen Kaiserstaates“.<br />

Ich kann die Schrift nicht lesen, Fraktur, noch verstehe ich die Sprache. Mir bleiben Bilder übrig. Mir bleiben<br />

Bilder. Ein ganz kleines zeigt unsere Stadt und zeigt auch, so will ich’s mir einbilden, mein Geburtshaus. Dann<br />

viel Exotisches: Figuren vom Grab Kaiser Maximilians in der Hofkirche zu Innsbruck, ruthenische Bauern,<br />

Trachten der Bukowina, Dudelsackpfeifer aus Galizien, Südtiroler Gipfel und die Tatra, die astronomische Uhr<br />

in Prag... Städte, Landschaften, Häfen. Die schweren Folianten mag ich auch wegen des mockigen Geruchs und<br />

der gepreßten Blumen: Steinnelken, Enzian, Edelweiß, von Großmutter in ihrer Jugend dorthin gelegt. Schöne<br />

Vorstellung: Mein wagemutiger Großvater riskiert, um der Liebsten dieses Edelweiß zu schenken, sein Leben.<br />

Und in der Folge auch meines – dieser Verantwortung wird er sich nicht bewußt gewesen sein. Für die Folianten<br />

hat er ein Monatsgehalt bezahlt und sie dann, bei seiner Flucht über die Berge, zurückgelassen. Daß mein<br />

Geburtshaus im selben Buch daheim ist wie der Gardasee, Budweis, Budapest und Krakau, macht mich in einer<br />

Ausdehnung aufgehoben – darin Vertrautheit und Vertrauen.<br />

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