winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ich habe deswegen vor Jahren in der Steiermark die sogenannte<br />
Fremdsprachenolympiade einführen können, einen<br />
Wettbewerb für Schüler und Schülerinnen einer gewissen<br />
Schulstufe, die fremde Sprachen lernen. Die Besten werden<br />
bepreist und zwar für alle Sprachen, die unterrichtet werden,<br />
einschließlich der zwei toten, des Griechischen, das ja<br />
fast verschwunden ist, und des Lateinischen, das eine interessante<br />
Grundlage ist, um Sprache überhaupt zu verstehen<br />
und fremde Sprachen zu lernen. Also sehr wohl Vielfalt<br />
der Sprachen, Förderung, wo immer es geht, für die jungen<br />
Leute, das ist ihre Zukunft, aber auch Respekt für die eigene<br />
Sprache.<br />
Muss man sich der deutschen Sprache schämen? Man sollte<br />
zum Beispiel Schüler, Schülerinnen, literarische Texte<br />
auswendig lernen lassen. Es gibt keinen Grund dafür, dass<br />
man die Rezitation abgeschafft hat, mit der Ausnahme,<br />
dass man alles leichter machen wollte, dass man sich bei<br />
den jungen Menschen anbiedern wollte. Ich glaube nicht,<br />
dass das ein Fortschritt war. Es hieß oder es heißt offiziell,<br />
es behindere die Persönlichkeit, wenn man einen literarischen<br />
Text auswendig lernen müsse. Ich finde das gar nicht<br />
behindernd, sondern sehr bereichernd für den Rezitator<br />
und seine Zuhörer.<br />
Vielleicht lernen auch Schauspieler wieder sprechen. Die<br />
Sprechschulung hat man in Schauspielschulen abgeschafft,<br />
weil es persönlichkeitsbehindernd sei, dass Schauspieler<br />
Bühnensprache lernen müssen. Uns ist es in Graz aufgefallen,<br />
dass talentierte junge Schauspieler, die aus deutschen<br />
Theaterschulen zu uns kamen, immer schlechter sprachen,<br />
immer undeutlicher, unartikulierter, unverständlicher. Als<br />
wir das monierten, kam die Antwort, Sprechschulung sei<br />
nicht mehr üblich, das schränke die Freiheit der Person<br />
ein. Ich meine, dass Sprechen zum Handwerkszeug eines<br />
Schauspielers gehört wie die Säge zum Tischler, denn der<br />
Schauspieler ist ja nicht für sich da, sondern für das Publikum<br />
und das Publikum will verstehen, was da vorne auf der<br />
Bühne gesprochen wird, und dazu braucht man Sprache.<br />
Ich verstehe nicht, warum man das abschafft. Vielleicht hat<br />
das auch mit Selbstunterwerfung zu tun. Es gibt aber keinen<br />
Grund, sich der deutschen Sprache zu schämen.<br />
Fremdsprache Deutsch. Eine Sprachdiskussion in den Medien<br />
wäre auch interessant, gibt es aber bei uns nicht. Ich<br />
kenne einen einzigen Fall, wo regelmäßig über Sprachsünden<br />
diskutiert wird. Es gibt, alle vierzehn Tage, in der Wiener<br />
„Presse“ Sprachspaltereien. Zur Nachahmung wärmstens<br />
empfohlen. Sprachkurse für öffentliche Personen<br />
wären schön. Was man nicht alles hören und lesen kann!<br />
Ein paar Beispiele gefällig? Ich leide immer, wenn in einer<br />
Versammlung ein Begrüßer loslegt und der Reihe nach einen<br />
Prominenten nach dem anderen mit „Ich darf Herrn<br />
sowieso herzlich bei uns begrüßen“ vorstellt. Da hört man<br />
manches Mal eine ganze Ich - darf - Litanei. Äußerst unhöflich.<br />
Er hat ja niemanden gefragt, ob er dürfe, behauptet<br />
es aber ununterbrochen. Es gibt absurde Wörter. Kein<br />
Mensch kann erklären, warum eine Zahlung, die ich selbst<br />
leiste, bei der ich selbst nichts behalte, ausgerechnet Selbstbehalt<br />
heißt. Zu den unsinnigen Wörtern gehören auch die<br />
beschönigenden. Die können höchst zynisch sein, zum Beispiel<br />
wenn es heißt, dass arbeitende Menschen nicht gefeuert,<br />
sondern „freigesetzt“ werden. Da kann man nur sagen,<br />
hoch die Freiheit der Arbeitslosen.<br />
Es genügt, Rundfunk oder Fernsehen aufzudrehen, um sofort<br />
zu wissen, dass in Österreich für manche Leute Deutsch<br />
die erste Fremdsprache ist. Da bleibt es im Wetterbericht<br />
„wettermäßig kühl“, da hört man in der Kultur die „meist<br />
gemachtesten Fehler“ von den „meist gespieltesten Opern“,<br />
da hieß es kürzlich „Wir gedenken heute dem verstorbenen<br />
Kammersänger E.H.“. Dass der sogenannte 2. Fall bei uns<br />
gerne entsorgt wird, ist bekannt. Es gibt natürlich auch umgekehrt<br />
den übereleganten 2. Fall, zum Beispiel wenn „der<br />
Vertreter des Landes Steiermarx“ begrüßt wird, oder des<br />
„Landes Steiermarkes“.<br />
Das waren ein paar bescheidene Kostproben aus einem Berg<br />
von Attentaten auf die Sprache, die ganze Bücher füllen.<br />
Sprachen in Europa. Um etwas erfreulich Positives zu sagen:<br />
Es gibt in Graz ein Institut, das der Europarat eingerichtet<br />
hat, das Europäische Fremdsprachenzentrum. Über<br />
30 europäische Staaten finanzieren es. Dort finden laufend<br />
Kurse für Sprachmittler aus vielen europäischen Ländern<br />
statt. Man arbeitet dort auf der Basis der Gleichberechtigung<br />
der europäischen Sprachen. Es war eine große Leistung<br />
des Landes Steiermark und der Stadt Graz, mit Hilfe<br />
der Bundesregierung dieses Projekt gegen internationale<br />
Konkurrenz an Land zu ziehen. Seine Tätigkeit liegt auf der<br />
21