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winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša

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führenden slowenischen Tageszeitungen Večer, Delo und<br />

Dnevnik, als Flaggschiff der politischen Berichterstattung<br />

das Magazin Mladina und – in dieser Form zwar nur eingeschränkt,<br />

aber immerhin noch im Augenwinkel vorhanden<br />

– RTV Slovenija via Internet.<br />

Die Detailauswertung wird erst zur Jahreswende vorliegen.<br />

Vorab lassen sich allerdings schon Trends ablesen:<br />

Medial gesehen ist die EU auch in Sloweniens Medien „oft<br />

noch nicht angekommen“. 3 Das gezeichnete Stimmungsbild<br />

schwankte zwischen Populismus und Rührseligkeit<br />

an und jenseits der Grenze des Zumutbaren, zwischen<br />

Schwarz(weiß)malerei und offenem Pessimismus. Manchmal<br />

war es einfach nur schlechter Journalismus.<br />

Mit Schlagzeilen wie „Vom Auto bis zum Haus – mit dem<br />

Beitritt in die EU wird es billiges Leasing geben“ 4 wurden<br />

noch optimistische Prognosen geliefert. Was bereits im ersten<br />

Monat danach in immer kritischere Berichterstattung<br />

umschlug: „Die dunkle Seite der €-Demokratie – wie das<br />

Kapital das Europaparlament umgangen hat“. 5<br />

Worum es jenseits der Gurkenkrümmung wirklich geht,<br />

darum machten Sloweniens Medien eher einen Bogen:<br />

etwa um die heikle Rolle der Sprache als identitäts- und<br />

letztlich nationsstiftendes Charakteristikum. 6 Was tun,<br />

um radikale Fixierungen zu vermeiden, um nicht in „dummen<br />

Provinzialismus“ abzugleiten? 7 In welchen neuen geografischen<br />

Räumen würde sich Slowenien zurechtfinden<br />

müssen? Und würde dies überhaupt möglich sein ohne die<br />

eigene „Balkan-Vergangenheit“ 8 ausreichend bewältigt, reflektiert<br />

zu haben? Welche Rolle spielt dabei die auch in<br />

Slowenien vor allem in der jüngeren Generation tief sitzende<br />

Politikverdrossenheit? Das alles kam zu kurz.<br />

„Hochzeits“-Hype. „Wer keine Seele hat, ist nicht Europa“, 9<br />

„Der anziehende Glanz der Brüsseler Sterne“, 10 „Eingebettet<br />

in ein Europa des Friedens und des Fortschritts“, „Mit<br />

slowenischem Herzen europäisch denken“ 11 – kann noch<br />

kitschiger formuliert werden am Vortag des wortwörtlich<br />

zum „Hochzeitstag“ 12 hoch stilisierten historischen Ereignisses?<br />

Immerhin eine „Hochzeit“, die im Nachhinein<br />

nüchtern-respektlos als „Saufgelage an den Grenzübergängen“<br />

13 betrachtet wurde.<br />

Des Feierns und euphorischen Hochstilisierens schien vorerst<br />

jedoch kein Ende und jene, die inmitten des „Triumphgefühls“<br />

auch „Unbehagen“ 14 verspürten, wollten nicht gehört<br />

werden oder blieben überhaupt freiwillig im medialen<br />

Out. Gefragt war fast unisono die Perspektive, wonach Slowenien<br />

zu einem der „Sterne Europas“ 15 aufgestiegen sei.<br />

Was der slowenischen Bevölkerung, die immerhin mit sagenhaften<br />

90 Prozent Ja zum EU-Beitritt gesagt hatte (zur<br />

Erinnerung: in Österreich waren es damals bereits bestaunte<br />

66 Prozent), von den führenden Medien gemeinschaftlich<br />

verschwiegen wurde, waren zu erwartende Nachteile<br />

angesichts der „Stunde der Wahrheit“ 16 für das kleine Land.<br />

Die Rede war lediglich von „Risiken“, die letztlich alternativlos<br />

dargestellt wurden: „Mit Selbstbewusstsein in die<br />

EU: ohne Risiko kein Nutzen – und auch keine Alternative“<br />

17 lautete eine pragmatische Parole.<br />

Der Tag danach – Katerstimmung ohne Aufwachen. Was<br />

mit der Feststellung „Tödliches Europa“ 18 begann, fand<br />

nach dem EU-Beitritt seine Fortsetzung. Auch beim Dnevnik<br />

war eine gewisse Lethargie nach der vollzogenen Trauung<br />

nicht zu verkennen. Das für die eigene EU-Berichterstattung<br />

eingerichtete Archiv auf der Homepage des Blattes<br />

ist ein Indiz dafür. So nahm die Artikeldichte nach dem 1.<br />

Mai deutlich ab. Im Juli und August fehlt das Archiv zur<br />

Gänze. Lediglich für die Themen EU-Verfassung und Koppelung<br />

des Tolar an den Euro (ERM2) konnten sich die Internetausgaben<br />

erwärmen.<br />

Wobei der Dnevnik beim Thema EU-Verfassung zwischen<br />

der Ansicht „Konvent ohne Fortschritt“ 19 und „Eine Verfassung<br />

ist gut für Europa“ 20 schwankt. Für solche Einschätzungen<br />

mussten jedoch Prominente wie etwa Giscard<br />

d’Estaing herhalten. Das kommentierende Element in der<br />

Internetausgabe des Dnevnik hält sich insgesamt in Grenzen.<br />

Ereignisse wie der ERM2 werden als bloße Nachricht<br />

abgefasst – „Slowenien tritt ERM2 Vertrag bei“. 21<br />

Auch im Delo nimmt die Berichterstattung nach dem EU-<br />

Beitritt schlagartig ab. Auffallend dabei: Die zweifelnden<br />

Stimmen kommen erst nach dem 1. Mai, dafür aber umso<br />

heftiger: „Wie können die neuen Mitglieder die alten einholen?“<br />

22 fragt sich der slowenische Opinion-Leader bereits<br />

fünf Tage nach dem Beitritt. Anstatt sich intensiv mit<br />

der eigenen Situation auseinander zu setzen, geht man bei<br />

„Delo“ dazu über, sich über zukünftige EU-Mitglieder Gedanken<br />

zu machen. Als „seriöseste Kandidaten der nächsten<br />

Erweiterungswelle“ 23 wird über Rumänien und Bulgarien<br />

berichtet.<br />

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