winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
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zu lassen. Das kann in unserer Zeit nur mit Hilfe der Medien<br />
gelingen. Was kann ein Dreißig-Minuten-Magazin, das<br />
jede zweite Woche in sieben Staaten Mitteleuropas teils regional,<br />
teils national ausgestrahlt wird, dazu beitragen, dass<br />
die Menschen ein Gefühl für europäische Zusammengehörigkeit<br />
entwickeln?<br />
Ein Beispiel: Die Alpen-Adria-Arbeitsgemeinschaft, die<br />
1978 gegründet wurde, ist eine von mehreren grenzüberschreitenden<br />
regionalen Kooperationen. Sie ist aber die einzige,<br />
die auch in der Bevölkerung dieses Raumes einen großen<br />
Bekanntheitsgrad erlangt hat. Das ist gelungen, weil sie<br />
fast von Anfang an von der regelmäßigen Fernsehsendung<br />
Alpen-Adria-Magazin und daneben auch von einer Reihe<br />
anderer Aktivitäten in den Printmedien begleitet wurde.<br />
Der ORF hat in den Jahrzehnten seit der wieder erlangten<br />
Unabhängigkeit Österreichs ganz wesentlich dazu beigetragen,<br />
die österreichische Identität, die so oft angezweifelt,<br />
manchmal sogar verleugnet wurde, zu stärken, mehr noch,<br />
zu begründen. Programme mit regionalem Charakter, wie<br />
etwa die Sendungen Österreich Heute und Österreichbild<br />
haben dabei eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Der Burgenländer<br />
hat durch die Berichte in diesen Sendungen erfahren,<br />
was in Vorarlberg geschieht, der Kärntner konnte<br />
nach Salzburg schauen, der Oberösterreicher nach Tirol<br />
und selbst die Steirer akzeptierten, dass sich auch in Wien<br />
manches tut, was für die Gesamtheit dieses Staates Österreich<br />
im positiven Sinn wichtig ist.<br />
Die Lokalisierung dieser Sendeleiste durch die Auseinanderschaltung<br />
der Bundesländer für die tägliche Informationssendung<br />
„Bundesland Heute“ hat diesen integrativen<br />
Charakter der regionalen Österreich-Information verdrängt.<br />
Das kann die Gefahr einer Verprovinzialisierung<br />
der Berichterstattung in sich bergen, aber vielleicht ist die<br />
österreichische Identität bereits so stark ausgeprägt, dass<br />
eine solche Entwicklung vermieden werden kann.<br />
Nichts wäre in der jetzigen Phase der Erweiterung der<br />
Europäischen Union gefährlicher als ein Rückfall in eine<br />
dumpfe und selbstgefällige Nabelschau, in ein Beharren auf<br />
den Grenzen, die wir in unseren Köpfen haben, auch dann<br />
noch, wenn sie im politisch-administrativen Bereich bereits<br />
gefallen sein werden.<br />
Jetzt müssen Medienmacher, Journalisten, Publizisten<br />
und alle Meinungsbildner daran arbeiten, eine europäische<br />
Identität zu schaffen. Sie kann nicht verordnet werden,<br />
schon gar nicht von Brüssel. Sie muss wachsen, und<br />
das kann sie nur, wenn wir mehr von unseren Nachbarn<br />
wissen. Wir müssen unseren Horizont erweitern. Es genügt<br />
nicht, Grenzbalken zu öffnen, wir selbst müssen bereit sein,<br />
uns zu öffnen.<br />
Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben dabei<br />
eine wesentliche Aufgabe zu erfüllen. Es wäre hoch an<br />
der Zeit, dass die politischen Führer Europas die Bedeutung<br />
des Public Broadcasting für das Werden einer europäischen<br />
Identität erkennen. Erinnern Sie sich noch, wie<br />
schwer sie sich schon getan haben, europäische Werte zu<br />
definieren, als es um die Sanktionen gegen Österreich ging?<br />
Der Reichtum europäischer Kultur ist eine der Säulen unserer<br />
Wertebegriffe. Wer, wenn nicht die Public Broadcaster,<br />
sollte diese Kultur vermitteln und ihr den gebührenden<br />
Stellenwert einräumen? Die kommerziellen Anbieter, die<br />
sich euphemistisch „private“ Anbieter nennen, sich jedoch<br />
ausschließlich an den Reichweiten für die Werbewirtschaft<br />
orientieren, kopieren das triviale amerikanische Kommerzfernsehen,<br />
und das feiern viele Politiker unverständlicherweise<br />
als mediale Freiheit. Ich zitiere noch einmal Gerd Bacher:<br />
„Das ist elektronische Fastfood-Produktion und nicht<br />
Widerspiegelung europäischer Kreativität.“<br />
Die Kooperation der regionalen und nationalen Fernsehanstalten<br />
für die Sendung Alpen-Donau-Adria ist kein<br />
spektakuläres, wohl aber ein nachhaltiges Beispiel für die<br />
Bereitschaft der Public Broadcaster, ihrer Aufgabenstellung<br />
gerecht zu werden.<br />
Von der Steiermark gehen seit einiger Zeit wieder neue Initiativen<br />
für eine Zusammenarbeit in der Zukunftsregion<br />
Europa aus. Dabei darf die Rolle der öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten nicht vergessen werden. Es gilt, den Public<br />
Broadcastern, die in einigen der neuen Mitgliedsländer<br />
mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, zumindest<br />
eine moralische Hilfestellung zu leisten, indem wir zeigen,<br />
dass in unserer Gesellschaft Rundfunk im öffentlich-rechtlichen<br />
Sinn nicht eine beliebige Ware ist, wie es die Amerikaner<br />
definieren, sondern eine Kultureinrichtung, die mit<br />
den notwendigen gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen<br />
ausgestattet werden muss, um ihren Beitrag<br />
zu einer europäischen Identität und zur Erhaltung der kulturellen<br />
Vielfalt Europas leisten zu können.<br />
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