winter/zima 2004/2005 - Pavlova hiša
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das, frage ich, es war Kastanienkuchen. Warum der Kuchen<br />
dort „Marun“ genannt wird, weiß ich bis heute nicht, außer<br />
die Erklärung ist, dass das Wort englisch klingt. „Maroon“<br />
heißt aber gar nicht Kastanie, höchstens dunkelbraun, in<br />
Wörterbüchern bedeutet es auch eine Leuchtsignalrakete<br />
oder einen durchgegangenen Negersklaven, aber jedenfalls<br />
nicht Maroni. Aber es ist eben sehr fortschrittlich, „Marun“<br />
zu verkaufen. Das ist so wie mit dem Handy, das nur<br />
englisch klingt und es nicht ist.<br />
Genauso steht es mit dem Grazer Jugendtheater, dem Next<br />
Liberty. Die stolzen Erfinder dieses Namens wollten sagen,<br />
man spielt dort neben der Grazer Freiheitsstatue,<br />
dem Lichtschwert. Für Engländer oder Amerikaner heißt<br />
aber „next liberty“ „die nächste Freiheit“, so etwa wie „die<br />
nächste Straßenbahn“. Aber es klingt Englisch und ist daher<br />
besser.<br />
Es gibt einen Beschluss im Steiermärkischen Landtag, in<br />
dem zu lesen steht, was alles zu tun ist, um geschlechtsneutral<br />
zu agieren. Wie heißt der Landtagsbeschluss? Er heißt<br />
„Gendermainstreaming“. Ist das nicht kuhl? Es gibt noch<br />
Steigerungen. Die Sportsprache ist stark englisch durchsetzt,<br />
das ist historisch so gewachsen. Ein Sportlehrer heißt<br />
seit langer Zeit Trainer. Es gibt bekanntlich Trainer in vielen<br />
Sportarten, aber dieses Wort ist heute bei uns nicht<br />
englisch genug, seit einiger Zeit heißt ein Trainer nur mehr<br />
Coach, Koutsch ist für Österreicher besonders leicht auszusprechen.<br />
Also ist Koutsch besser als das eher vornehm<br />
klingende Trainer. Der Koutsch koutscht sein Team. Es gibt<br />
aber diesen Ausdruck auch für Kursleiter. Wenn ein solcher<br />
Kursleiter in einer bestimmten Region einen Abend leitet,<br />
dann gibt es dort, so habe ich kürzlich gelesen, einen „Regionalcoachingabend“.<br />
So einfach ist das.<br />
Österreichisches Kolonialenglisch. Dass ein Bus, der pendelt,<br />
nur mehr Shuttlebus heißen muss, ist längst bekannt.<br />
Dass man, wenn man fremd ankauft oder fremd vergibt,<br />
sagen muss, was wir tun, ist Outsourcen, ist auch nicht<br />
mehr ganz neu. Ich weiß nur nicht genau, wie man jetzt<br />
sagen muss. Ich source out oder ich outsource? Ich habe<br />
outgesourct dürfte klar sein. Ich weiß ja auch nicht, ob<br />
ich sagen muss, ich loade down oder ich downloade. Aber<br />
daunloudn ist jedenfalls sehr österreichisch und daher beliebt.<br />
Ich bin nur neugierig, was die große Rechtschreibkommission<br />
beschließen wird. Die haben ja proklamiert,<br />
dass sie alles vereinfachen, für das arme Kind, auch für uns<br />
arme Erwachsene wird diese furchtbar komplizierte Rechtschreibung<br />
der deutschen Sprache viel einfacher. Wie werden<br />
sie dieses Neudeutsch in der Rechtschreibung vereinfachen?<br />
Sie werden ja wohl nicht die englische Orthographie<br />
von Highlight belassen, es ist ja viel zu kompliziert, „Highlight“,<br />
zu schreiben, das kann niemand von uns verlangen.<br />
Also wird es wohl Hailait werden. Die Engländer sind nicht<br />
so primitiv, dass sie ihre Sprache in Lautschrift schreiben,<br />
wir werden das für sie tun, denn wir haben auch den Krieg<br />
verloren. Wir lieben unser Kolonialenglisch, wie es auch in<br />
Kenia existiert und in Bangladesch und auf den Fidschi Inseln.<br />
Da gibt es überall Kolonialsprachen mit ihren gewissen<br />
Färbungen und das verbreitet sich auch bei uns. Weil<br />
das in Deutschland ähnlich läuft, sagte Walter Jens von den<br />
neuen Sprachmachern, sie können nicht mehr Deutsch und<br />
sie können noch nicht Englisch.<br />
Mit Sprachverlust und Gedankenverlust. Wir leben in<br />
dieser Zwischenphase, zumindest wenn man unsere öffentliche<br />
Sprache beobachtet. Das ist eine Mischung aus<br />
Wichtigtuerei und Anpassung. Kürzlich antwortete Burgtheaterdirektor<br />
Klaus Bachler auf die Frage, wie man in einem<br />
Theater die aufkommende geistige Öde besiegt: „Indem<br />
man über Literatur die Geschichte lernt, indem man<br />
sich im Metier anständig und solidarisch verhält, indem<br />
man versucht, Position zu beziehen, indem wir versuchen,<br />
mehr zu erkennen und zu durchschauen und dadurch zur<br />
Erkenntnis anderer beizutragen. Wir leben in einem gigantischen<br />
Sprachverlust, der einen Begriffsverlust nach sich<br />
zieht. Da sind die Dichtungen eine Quelle und ein Maß.<br />
Insoweit ist das Theater heute schon fast in der Situation<br />
eines Reservats.“<br />
Sprache hat mit Denken zu tun. Wenn Sprache verloren<br />
geht, ärmer wird, platter wird, gehen auch Begriffe verloren.<br />
Sprachverlust ist auch Gedankenverlust. Was mich an<br />
dieser Entwicklung stört, ist, dass ein ungeheures Geschäft,<br />
ein Business, anschafft und die Massen ihm nachlaufen. Es<br />
geht nicht bloß um die Sprache allein, es geht um den ganzen<br />
Menschen. Da gibt es Massenpsychosen von Halloween<br />
bis Harry Potter und Schritt um Schritt überschwemmt<br />
uns der amerikanische Way of life. Dieser Way of life, bei<br />
dem es nur ums Geld geht. Schon meine frühesten Ge-<br />
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