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Kolumne<br />
Quer<strong>de</strong>nker<br />
Martin Beck Der Unternehmensberater<br />
ist Großhan<strong>de</strong>lskaufmann, Diplom-<br />
Betriebswirt (FH) und Honorarprofessor<br />
an <strong>de</strong>r Hochschule Nürtingen.<br />
www.prof-beck.net<br />
Per Anruf Kun<strong>de</strong>n verlieren<br />
Von Professor Martin Beck<br />
Es gab einmal eine Zeit, in <strong>de</strong>r Begriffe, die mit „Call“ begannen,<br />
nichts für höhere Töchter und für seriöse Kaufleute waren.<br />
Anständige Menschen kamen – je<strong>de</strong>nfalls offiziell – nicht mit<br />
diesen Welten in Kontakt. Das hat sich dramatisch geän<strong>de</strong>rt.<br />
„Call“ ist heute überall. An vielen Stellen hat „Call“ <strong>de</strong>n Kontakt<br />
zum realen Menschen ersetzt. Der Bankberater, <strong>de</strong>r früher<br />
seine Kun<strong>de</strong>n über Jahre begleitete, ist durch Automaten<br />
und Call-Center ersetzt. Die Versicherungsagentur ist auf eine<br />
Verkaufsveranstaltung mit Verkaufsdruck geschrumpft, und<br />
<strong>de</strong>r Versicherungskun<strong>de</strong> muss sich mit einem anonymen<br />
Call-Center herumschlagen, um seinen komplizierten Versicherungsfall<br />
sachgerecht und lösungsorientiert bearbeitet zu<br />
bekommen. Und die Kommunikationsunternehmen, <strong>de</strong>ren<br />
Job eigentlich das Zusammenbringen von Menschen wäre,<br />
halten sich <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n per Call-Center möglichst weit vom<br />
Leibe, wovon <strong>de</strong>r Autor aus praktischer Anschauung ein Liedchen<br />
singen kann.<br />
Es ist merkwürdig, wie wenig kun<strong>de</strong>norientiert die Mehrzahl<br />
<strong>de</strong>r Call-Center ist. Es gibt keine persönlichen Vertrauenskontakte<br />
mehr, im Ernstfall ist keiner zuständig, schwierige Fälle<br />
wer<strong>de</strong>n weiter- o<strong>de</strong>r herumgereicht. Die Dokumentation<br />
<strong>de</strong>r Gespräche ist mehr als lückenhaft o<strong>de</strong>r fehlt gleich ganz,<br />
sodass <strong>de</strong>r Anrufer, <strong>de</strong>r dann eher ein Bittsteller ist, je<strong>de</strong>m<br />
neuen Telefonpartner seine Lebens- und Lei<strong>de</strong>nsgeschichte<br />
erneut schil<strong>de</strong>rn muss und dabei nicht sicher sein kann, ob<br />
sie sprachlich verstan<strong>de</strong>n, fachlich aufgenommen und korrekt<br />
dokumentiert wird. Und allzu oft muss sich <strong>de</strong>r Anrufer,<br />
immerhin <strong>de</strong>r Kun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n ganzen La<strong>de</strong>n finanziert, Belehrungen<br />
von offensichtlich unkundigem Personal anhören.<br />
Spöttisch gesagt: Viele Anrufe sind eine Art Schnellfortbildung<br />
für die Mitarbeiterschaft <strong>de</strong>s Call-Centers – auf Kosten<br />
<strong>de</strong>s Kun<strong>de</strong>n und vielleicht zum Vorteil <strong>de</strong>s nächsten Anrufers.<br />
Man mag nur schwer glauben, dass diese Form von organisierter<br />
und technisierter Kun<strong>de</strong>nabfertigung, die weit hinter <strong>de</strong>m<br />
Niveau <strong>de</strong>s guten, alten Mitarbeiters am Schalter zurückliegt,<br />
ein Fortschritt für die Dienstleistungsgesellschaft sein soll.<br />
Die meisten Call-Center legen sich wie ein tiefer Graben o<strong>de</strong>r<br />
wie ein abwehren<strong>de</strong>r Drache zwischen <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n<br />
Lieferanten. Man könnte sie auch als Organisationen zur Verhin<strong>de</strong>rung<br />
von persönlichen Kontakten bezeichnen. Nur <strong>de</strong>r<br />
Vollständigkeit halber sei gesagt: Es gibt auch Call-Center, die<br />
funktionieren, weil dort gut geschulte Mitarbeiter gut informiert<br />
sind und freundlich und lösungsorientiert auftreten.<br />
Das zeigt: Eigentlich kann es gar nicht so schwer sein, einige<br />
Grundregeln zu beachten und <strong>de</strong>n Call-Center-Mitarbeitern<br />
pädagogisch nahezubringen. <strong>Als</strong> Anrufer und Kun<strong>de</strong> darf ich<br />
erwarten:<br />
> die sofortige Dokumentation <strong>de</strong>s Besprochenen, insbeson<strong>de</strong>re<br />
<strong>de</strong>r getroffenen Zusagen und Vereinbarungen;<br />
> rasche Erreichbarkeit eines entscheidungsberechtigten Vorgesetzten,<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Kun<strong>de</strong>n in allen schwierigeren Fällen zumin<strong>de</strong>st<br />
ein Gefühl von Betreuung und Respekt vermittelt;<br />
> die zügige Benennung eines Erst-Ansprechpartners (sozusagen<br />
eines Fallmanagers), <strong>de</strong>r in einem schwierigeren Fall<br />
<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n bis zur Lösung <strong>de</strong>s Problems begleitet.<br />
Für die Call-Center-Branche müsste es eine Ehrensache sein,<br />
<strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n wirklich zu bedienen, statt ihn wie eine heiße<br />
Kartoffel (die in diesem Falle aber häufig heißer und nicht<br />
kühler wird) von Anonymus zu Anonymus weiterzureichen.<br />
Sonst braucht sie sich nicht zu wun<strong>de</strong>rn, wenn ihre Kun<strong>de</strong>n<br />
im Schutz <strong>de</strong>r Anonymität von Bank zu Bank o<strong>de</strong>r von einem<br />
Kommunikationsunternehmen zum nächsten hüpfen wie<br />
<strong>de</strong>r Schmetterling von Blüte zu Blüte. Ein schlecht funktionieren<strong>de</strong>r<br />
Kun<strong>de</strong>nkontakt ist sozusagen eine Einladung zur<br />
geschäftlichen Untreue. Dabei gibt es nichts Ökonomischeres<br />
als einen treuen Kun<strong>de</strong>n.<br />
ProFirma 12 2011<br />
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