**Glandula 19 - Netzwerk Hypophysen- und ...
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Schwerpunkt<br />
Ein wichtiges Prinzip bei der Hormonregulation<br />
ist die so genannte<br />
negative Rückkopplung, auch<br />
negativer Feed-back genannt. Der<br />
negative Feed-back-Mechanismus<br />
ist sehr sinnvoll <strong>und</strong> daher auch<br />
leicht zu verstehen: Wenn mehr<br />
von einem Hormon im Blut zirkuliert,<br />
als gebraucht wird, wirkt<br />
diese erhöhte Hormonkonzentration<br />
auf seine eigene Herstellung<br />
bremsend ein, so dass der jeweils<br />
richtige Hormonspiegel im Blut<br />
wieder erreicht wird. Bei einigen<br />
Erkrankungen (M. Cushing)<br />
funktioniert diese Feed-back-<br />
Hemmung nicht mehr optimal,<br />
so dass die vermehrte Hormonproduktion<br />
nicht ausreichend gebremst<br />
wird.<br />
Prolaktin wird hauptsächlich<br />
durch den Neurotransmitter Dopamin,<br />
also eigentlich kein Hormon,<br />
reguliert. Dopamin hemmt<br />
die Prolaktinsekretion, dementsprechend<br />
wird die Prolaktinsekretion<br />
ansteigen, wenn die Bremsung<br />
durch Dopamin geringer<br />
wird. Dieses Regulationsprinzip<br />
wird klinisch genutzt bei <strong>Hypophysen</strong>tumoren,<br />
die Prolaktin<br />
produzieren. Hier kann durch<br />
Medikamente, die wie Dopamin<br />
wirken, der Prolaktin-produzierende<br />
Tumor verkleinert werden,<br />
so dass manchmal sogar auf eine<br />
Operation verzichtet werden<br />
kann.<br />
Für Wachstumshormon ist kürzlich<br />
ein neues Releasing-Hormon<br />
(Ghrelin) entdeckt worden, das<br />
nicht nur die Produktion von<br />
Wachstumshormon stimuliert,<br />
sondern auch den Appetit steigert<br />
(siehe oben). Dieses Ghrelin wird<br />
nicht im Hypothalamus, sondern<br />
im Magen produziert <strong>und</strong> wirkt<br />
zusammen mit den hypothalamischen<br />
Hormonen Somatostatin<br />
(hemmend) <strong>und</strong> GH-RH (fördernd)<br />
an der STH-Zelle.<br />
Die hypophysären Gonadotropine<br />
LH <strong>und</strong> FSH, die die Funktionen<br />
der Keimdrüsen bei Frauen<br />
<strong>und</strong> Männern steuern, werden<br />
durch das hypothalamische<br />
GnRH reguliert. Ganz wichtig für<br />
die regelrechte Reifung der Eizelle<br />
bei der Frau <strong>und</strong> der Spermien<br />
beim Mann ist die vom Hypothalamus<br />
gesteuerte rhythmische<br />
Freisetzung von GnRH alle 1 1 /2<br />
St<strong>und</strong>en. Dieser Rhythmus leitet<br />
die Pubertät ein. Auch nach der<br />
fertilen Phase (d. h. im Klimakterium)<br />
hält er noch längere Zeit<br />
an.<br />
Die Hypothalamus-<strong>Hypophysen</strong>-<br />
NNR-Achse <strong>und</strong> das Zusammenspiel<br />
zwischen Hypothalamus <strong>und</strong><br />
Hypophyse bei der Bewältigung von<br />
besonderen Anforderungen <strong>und</strong><br />
Krankheiten werden im folgenden<br />
Kapitel näher beschrieben.<br />
Stress-Management im<br />
Hypothalamus<br />
Stellen Sie sich vor, Hans Selye hätte<br />
vor 60 Jahren nicht den Begriff<br />
„Stress“ in die Sprachen unserer Welt<br />
eingeführt. Dann wäre es doch deutlich<br />
schwieriger zu erklären, warum<br />
die Tochter missmutig von der Schule<br />
kommt (Stress mit dem Lehrer),<br />
warum der Sohn vor dem Examen<br />
nervös <strong>und</strong> unruhig wird (Prüfungsstress),<br />
warum der Familienvater einen<br />
Herzinfarkt erlitten hat (Stress<br />
an der Arbeitsstelle) <strong>und</strong> warum das<br />
Verbrechensopfer von nebenan depressiv<br />
<strong>und</strong> ängstlich geworden ist<br />
(posttraumatisches Stress-Syndrom).<br />
Aber nicht nur die als negativ empf<strong>und</strong>enen<br />
Belastungen werden mit<br />
dem Begriff „Stress“ versehen, sondern<br />
auch besonders angenehme<br />
<strong>und</strong> glückliche Ereignisse wie das<br />
bestandene Examen, die erfolgreiche<br />
Jagd oder das geglückte Rendevouz<br />
sind „stressig“. Diese positiven Belastungen<br />
gehören natürlich auch zum<br />
Leben; viele Menschen suchen<br />
geradezu Herausforderungen <strong>und</strong><br />
Stress, „they thrive on stress“.<br />
Stress erhält uns am Leben<br />
Ich muss nicht noch weitere Beispiele<br />
aufführen, um Ihre Zustimmung<br />
zu der lapidaren Bemerkung zu finden:<br />
Stress ist heute der am häufigsten<br />
gebrauchte <strong>und</strong> missbrauchte<br />
medizinische Begriff überhaupt.<br />
Können wir ihn, dürfen wir ihn<br />
trotzdem auch weiterhin benutzen?<br />
Ja, denn mit Stress wird ein ganz essenzielles<br />
Prinzip des Lebens beschrieben:<br />
die Aufrechterhaltung der<br />
lebenswichtigen homöostatischen<br />
Systeme auch bei schweren Belastungen,<br />
wie starker körperlicher Leistung,<br />
wie Anpassung an extreme<br />
Umweltbedingungen, wie Krankheitsprozesse,<br />
aber auch bei besonderen<br />
geistigen <strong>und</strong> emotionalen Anforderungen.<br />
Die in den vorangegangenen<br />
Kapiteln aufgeführten<br />
homöostatischen Systeme für Wasser-<br />
<strong>und</strong> Salzhaushalt, für die Temperaturregulation,<br />
für den Energiehaushalt,<br />
für die Fortpflanzung <strong>und</strong><br />
für die Anpassung an die Umwelt<br />
funktionieren eben nicht nur, wenn<br />
sich der Organismus in unbelasteter<br />
Ruhe befindet, sondern auch bei<br />
starken <strong>und</strong> stärksten Herausforderungen.<br />
Der Erhalt der Lebensfunktionen<br />
auch bei Belastungen – von jetzt ab<br />
werde ich den Ausdruck Stress<br />
hierfür benutzen – wird durch die<br />
sicher regulierten Interaktionen zwischen<br />
dem endokrinen System <strong>und</strong><br />
dem autonomen Nervensystem<br />
(ANS) <strong>und</strong>, in besonderen Fällen,<br />
auch dem Immunsystem gewährleistet.<br />
Diese Systeme werden wir mit<br />
Hilfe von Abbildung 14 näher kennen<br />
lernen, damit die meist gleichartigen<br />
Reaktionen des Organismus<br />
bei Stress ganz unterschiedlicher<br />
Ursache besser verstanden werden.<br />
Als Zeichen für die Reaktion des<br />
Organismus auf Stress gelten zwei<br />
Produkte aus der Nebenniere: das<br />
Hormon Cortisol aus der Nebennierenrinde<br />
<strong>und</strong> Adrenalin, der Neurotransmitter<br />
des sympathischen Ner-<br />
22<br />
GLANDULA <strong>19</strong>/04