Lehrerhandreichung (pdf) - Benedikt
Lehrerhandreichung (pdf) - Benedikt
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Arbeitsmaterial I<br />
Zu Anfang des 12. Jahrhunderts lebte in<br />
Lomersheim 37 ein wackerer Ritter namens Walter.<br />
Der war ein Kriegsmann von Jugend auf und<br />
mancher Kranz hatte schon seine Siegerstirne geschmückt.<br />
Aber als das Alter ihn zwang, dem Kriegshandwerk<br />
zu entsagen, da wandte er sein Sinnen<br />
Gott und göttlichen Dingen zu, und er glaubte des<br />
Himmels Wohlgefallen am besten dadurch erringen<br />
zu können, dass er ein Kloster stiftete. Der Bischof<br />
Günther von Speyer bestärkte den Ritter in seinem<br />
Vorhaben, und als Walter den Klosterbau auf seinem<br />
Gute Eckenweiher bei Dürrmenz-Mühlacker<br />
vollendet hatte, da sandte der Bischof zur Besiedelung<br />
desselben 12 Zisterziensermönche und den Abt<br />
Dieter. Die Mönche fanden jedoch bald, dass die Gegend<br />
viel zu sumpfig, die Luft zu rau, die Wälder<br />
zu düster seien, und klagten ihre Not dem Bischof<br />
Günther. Der war tief gerührt von den Klagen der<br />
Mönche und erlaubte ihnen, in den ausgedehnten<br />
Waldgründen am Anfang des Stromberges ein passendes<br />
Plätzchen sich auszusuchen.<br />
Die Mönche waren hocherfreut und beschlossen, die<br />
Wahl des neuen Ortes Gott anheim zu geben. Da hatten<br />
nun die frommen Brüder einen Maulesel, ein williges<br />
und braves Tierlein, wohl geübt geduldig Lasten<br />
zu tragen. Den wollten sie zu ihrem Führer machen.<br />
Hatte nicht einst ein Esel den Engel gesehen, den des<br />
Propheten Augen nicht sehen konnten 38 ? War nicht<br />
Jesus auf einer Eselin in Zion eingezogen 39 ? So<br />
dachten sie, luden auf das Grautier ihre Habe, ließen<br />
es vorangehen und folgten ihm mit Kreuz und Fahne,<br />
fest entschlossen, das neue Kloster an dem Ort zu<br />
gründen, wo das Eselein sich zur Ruhe niederlegen<br />
werde. Langsam ging der Zug in die Kreuz und Quere,<br />
bergunter und bergauf, durch dick und dünn, und<br />
der fromme Gesang der schwitzenden Mönche wurde<br />
immer matter. Da, in einem herrlichen Tale, an einem<br />
köstlichen Born 40 machte der Esel Halt, trank und<br />
streckte sich alsdann ins duftende Gras. Ein lärmend<br />
»Gratias« (lateinisch = Gott sei Dank!) begrüßte<br />
diesen Wink des Himmels und man beschloss freudig<br />
erregt, schon am nächsten Tage mit der Gründung des<br />
neuen Klosters zu beginnen.<br />
Durch Vermittlung ihrer beiden Gönner, des Ritters<br />
Walter und des Bischofs Günther, standen den Mönchen<br />
bald eine große Anzahl von Bauleuten zu Gebote,<br />
meist Leibeigene 41 der benachbarten Edelleute.<br />
Treffliches Bauholz und vorzügliche Steine waren<br />
in nächster Nähe zu haben. Hunderte von Händen<br />
regten sich, den Wald zu roden, Balken zu behauen,<br />
Steine zu brechen und zu bearbeiten, Speis zu mischen<br />
und Stein auf Stein zu fügen.<br />
Zusehends wuchsen die Mauern der Klostergebäude<br />
aus dem Boden, und die Säulenbündel der gewaltigen<br />
Klosterkirche und des hohen Kreuzgangs<br />
strebten kühn nach oben. Da stellte sich plötzlich ein<br />
unerwartetes Hindernis ein. In den tiefen Wäldern<br />
des Strom- und Heuchelberges hausten nämlich in<br />
damaliger Zeit große Räuberhorden und machten<br />
die Gegend unsicher bis hinüber zum Rhein. Da die<br />
Räuber nun hörten, dass ein Kloster sie aus ihrem<br />
Schlupfwinkel treiben sollte, kamen sie in großer<br />
Zahl herbei und verlangten unter schweren Drohungen<br />
sofortige Einstellung des Baues. Die Bauleute<br />
hielten erschrocken in ihrer Arbeit inne, die Mönche<br />
standen sprachlos vor dem zürnenden Räuberhauptmann.<br />
Da trat aus der Mitte der Mönche einer<br />
hervor und sprach: »Vergießet kein Blut, wir wollen<br />
euch freiwillig versprechen, den Bau nicht zu vollenden.«<br />
Die Räuber trauten den Worten des Mönches<br />
nicht recht, aber mit einem heiligen Eide bekräftigte<br />
er sein Versprechen. Die Räuber gaben sich nun zufrieden<br />
und zogen ab. Und die Mönche? Kaum waren<br />
die Räuber im Dunkel des Waldes verschwunden,<br />
so bauten sie noch eifriger als vorher, und als<br />
in kurzer Zeit das Kloster so stark und fest dastand,<br />
dass es einen Ansturm von außen nicht zu fürchten<br />
brauchte, da rief der Klang der Klosterglocke weithin<br />
in die Waldtäler des Salzachgaues. Verwundert<br />
horchten die Räuber auf, und zürnend kamen sie<br />
herbei, Rechenschaft und Sühne zu fordern für den<br />
schnöden Wortbruch der Mönche. »Habt ihr uns<br />
nicht geschworen, den Bau unvollendet zu lassen? «,<br />
grollte der Anführer. »Und wir haben unser Wort<br />
gehalten, « entgegneten ruhig die Mönche. »Kommet<br />
und sehet! « Mit diesen Worten führten sie die<br />
Räuber in die Klosterkirche. Da lag in der linken<br />
Seitenhalle ein Stein auf dem Boden; oben aber in<br />
der Mauerwand war eine Öffnung, die vergeblich<br />
nach dem unten liegenden Steine rief. Verschmitzt<br />
lächelnd deuteten die Mönche auf Stein und Öffnung.<br />
Da sahen die Räuber, dass sie von den Mönchen<br />
überlistet waren. Aber was konnten sie machen?<br />
Gewalt anzuwenden, dazu waren die Mauern der<br />
_________<br />
37) Lomersheim an der Enz ist heute ein Stadtteil von Mühlacker im Enzkreis, etwa 12 km östlich von Pforzheim.<br />
38) Hier wird auf die biblische Geschichte (Numeri 21-24) von Bileam und seinem Esel angespielt. Der Prophet Bileam ließ sich<br />
durch Gold dazu verführen, den Feinden Israels zu folgen. Unterwegs hielt sein Esel plötzlich an, weil sich ihm ein Engel in den<br />
Weg stellte, den nur der Esel, aber nicht Bileam sehen konnte. Bileam schlug daraufhin heftig auf den Esel ein. Das wiederholte<br />
sich mehrmals, bis der Esel zu sprechen begann und ihn fragte, warum er ihn schlage. Da wurden Bileam die Augen geöffnet und er<br />
erblickte endlich den Engel.<br />
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