Lehrerhandreichung (pdf) - Benedikt
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Arbeitsmaterial III 48<br />
Oft trafen sich die Mönche vom Heiligenberg bei<br />
Heidelberg und die vom Kloster Schönau 49 auf<br />
Wanderungen im Gebirge. Vom Heiligenberg führte<br />
eine uralte Hochstraße über den Weißenstein zum<br />
Schriesheimer Hof und von da hinunter über Wilhelmsfeld<br />
und Neudorf nach Schönau. Auf dem<br />
Schriesheimer Hof war alljährlich ein Maifest zur<br />
Erinnerung an die Zeit, da die alten Bewohner das<br />
Christentum noch nicht angenommen hatten.<br />
Auf einem solchen Maifest trafen sich einst die<br />
Mönche von Schönau und vom Heiligenberg und<br />
hielten im Freien eine Messe ab. Die Schönauer<br />
hatten reichliche Nahrung mitgebracht, gebackene<br />
Forellen, Kuchen und Wildbraten. Die Heiligenberger<br />
hatten nur ganz hartes Kleie und Haferbrot. Sie<br />
hatten am Tage vorher verschlafen 50 und mussten<br />
deshalb fasten. Dies erweckte ihren Neid und Zorn<br />
und sie beschlossen, von ihrem Abt mehr Freiheit zu<br />
verlangen.<br />
Als die Heiligenberger Mönche abends müde und<br />
hungrig ins Kloster zurückgekehrt waren, sollten<br />
sie noch Glocken läuten und die Komplet 51<br />
beten. Sie verweigerten den Gehorsam und als der<br />
Abt ihnen mit Strafe drohte, fielen die Mönche über<br />
ihn her, banden ihm Hände und Füße zusammen<br />
und sperrten ihn in den Keller. Nun wurde Wein<br />
aus den Fässern gezapft, Kuchen und Braten herbeigeholt<br />
und die Mönche aßen und tranken bis zum<br />
frühen Morgen und schliefen endlich vor Ermüdung<br />
ein. Niemand dachte daran, die Glocken zur Frühmesse<br />
zu läuten. Plötzlich, kurz vor Sonnenaufgang,<br />
fingen alle Klosterglocken an zu läuten, ohne dass<br />
jemand die Glockenstränge zog. Unsichtbare Engel<br />
setzten die Glocken in Bewegung und zugleich ertönten<br />
sämtliche Glocken in der ganzen Umgegend.<br />
Alles rief: „Ein Wunder, ein Wunder!“ Die Leute<br />
stürzten voller Schrecken aus den Häusern auf die<br />
Straße und strömten hinauf zum Kloster, wo die<br />
Mönche noch im Schlaf lagen. Man hörte den Abt<br />
im Keller stöhnen, befreite ihn und legte auf seinen<br />
Befehl die Mönche gefesselt in den Keller.<br />
Im Kloster Lorch, im Kloster Schönau und auf der<br />
Jettakapelle hatten die Glocken so lange geläutet,<br />
bis die Äbte mit ihren Mönchen und der Burggraf<br />
mit seinem Gefolge auch zum Heiligenberg gezogen<br />
waren. So wurde strenges Gericht gehalten; die Anführer<br />
der Mönche wurden nach Worms und auf die<br />
Schauenburg bei Dossenheim ins Burgverlies eingesperrt.<br />
Der befreite Abt wurde in sein Amt wieder<br />
eingesetzt, von den Klöstern Lorsch und Limburg<br />
aber wurden junge und alte Mönche auf den Heiligenberg<br />
gerufen.<br />
Die Nachricht von dem geschehenen Wunder verbreitete<br />
sich weit und breit und täglich strömten<br />
fromme Wallfahrer sogar aus fernsten Gegenden<br />
herbei, um sich das wunderbare Geschehen von den<br />
Glocken berichten zu lassen und Geschenke darzubringen.<br />
So wurde das Kloster ein Wallfahrtsort und<br />
musste vergrößert werden, um alle Novizen aufnehmen<br />
zu können, welche sich auf dem Heiligenberg<br />
einem frommen Leben widmen wollten.<br />
_________<br />
48) Badische Neueste Nachrichten (Hrsg.): Sagen, Märchen und Legenden aus Baden. Karlsruhe. 1988. S. 42 -44<br />
49) Es handelt sich dabei um die Abtei Heiligenberg, auch Michaelskloster genannt, das im Jahre 1023 gegründet und im frühen<br />
16. Jahrhundert aufgehoben, d.h. als Kloster aufgegeben wurde, das Kloster Schönau im Odenwald, das 1142 gegründet und im<br />
Zuge der Reformation 1558 aufgehoben wurde.<br />
50) Vermutlich haben sie die Vigil, die erste Gebetszeit des Tages, noch in der Nacht, oder die Laudes, das Morgengebet bei Tagesanbruch<br />
verschlafen. Nach der <strong>Benedikt</strong>inerregel findet die Vigil „zur achten Stunde der Nacht“ (Regel 8), von sechs Uhr abends an<br />
gerechnet (um 2 Uhr nachts) statt. Die strenge Einhaltung der Gebetszeiten gehört fest zum klösterlichen Leben.<br />
51) Die Komplet: hier: das Nachtgebet der Mönche vor der Nachtruhe<br />
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