Blätter der Erinnerung Dr. Kaspar Olevianus - Licht und Recht
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6. Petrus Dathenus.<br />
Die Signatur <strong>der</strong> gewaltigen Rüstzeuge Gottes: gehaßt von je<strong>der</strong>mann um des Namens Christi<br />
willen, trägt auch Petrus Dathenus, den nicht bloß einige ältere Geschichtsschreiber zu verunehren<br />
gesucht, son<strong>der</strong>n von dem auch neuere, sogar Möhrlen in seinem Buch <strong>der</strong> evangelischen Wahrheitszeugen,<br />
eine ganz falsche Vorstellung haben. Welch ein Leben voll Glaubensmut <strong>und</strong> Opferwilligkeit<br />
<strong>und</strong> uneigennützigster Vaterlandsliebe ist aber das Leben des Dathenus, das wir hier freilich<br />
nur im Umrisse zeichnen können, abgesehen davon, daß über manchen Partieen desselben bis heute<br />
noch eine Dunkelheit ruht, welche vielleicht nie völlig gehoben wird. Nach den neuesten Forschungen<br />
ist das flandrische Städtchen Berg-Cassel (Mont Cassel), an <strong>der</strong> französischen Grenze gelegen,<br />
wohl <strong>der</strong> Geburtsort dieses Mannes, wo er um 1531 o<strong>der</strong> 1532 das <strong>Licht</strong> <strong>der</strong> Welt erblickte. Sein ursprünglicher<br />
Name soll Daets sein. In seinen Jünglingsjahren trat er in ein Karmeliterkloster zu<br />
Ypern, verließ aber dasselbe bald wie<strong>der</strong>, als er da von den Ideen <strong>der</strong> Reformation sich ergriffen<br />
fühlte. Mit allem Feuer begeisterter Jugend, auch die größten Gefahren nicht scheuend, verkündigte<br />
er nun an einigen Orten in Westflan<strong>der</strong>n das Evangelium. Als die Verfolgungen gegen die Anhänger<br />
<strong>der</strong> evangelischen Lehre heftiger wurden, mußte er sich in die Verborgenheit zurückziehen <strong>und</strong> einige<br />
Zeit als Buchdrucker leben. Eine Schar Exulanten, welche nach England zog, berief ihn aus <strong>der</strong>selben<br />
zu ihrem Prediger. In England heiratete Dathenus eine ehemalige Klosterjungfrau. Unter Maria<br />
<strong>der</strong> Blutigen, welche die Bekenner <strong>der</strong> evangelischen Wahrheit aufs grausamste verfolgte, verließ<br />
er mit seiner Gemeinde den bisherigen Wohnsitz, welchen sie in Sandwich gef<strong>und</strong>en. Im September<br />
1555 führte ihn Mykronius aus Norden in Ostfriesland als Pastor <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen Gemeinde<br />
zu Frankfurt am Main, welche ihn berufen hatte, ein. Hier hatte <strong>der</strong> mutige Zeuge Christi<br />
viele Kämpfe durchzumachen mit den lutherischen Predigern <strong>der</strong> Stadt, welche <strong>der</strong> Fanatiker Joachim<br />
Westphal in Hamburg gegen die reformierten Fremdlinge aufstachelte. Obschon bis vor kurzem<br />
Lehre <strong>und</strong> Kultus <strong>der</strong> Kirche Frankfurts selbst vom Beginn <strong>der</strong> Reformation an oberländisches<br />
d. i. reformiertes Gepräge an sich getragen, war es dem Einflusse dieses Todfeindes von jeglichem<br />
reformierten Wesen gelungen, <strong>der</strong> ultralutherischen Richtung in <strong>der</strong> Stadt zum Siege zu verhelfen.<br />
Die Fremden-Gemeinden aber verdächtigte Westphal bei dem Magistrate als Märtyrer des Teufels,<br />
Räuber <strong>und</strong> Giftmischer. Trotz <strong>der</strong> Fürsprache des Kurfürsten von <strong>der</strong> Pfalz <strong>und</strong> des Landgrafen von<br />
Hessen wurde endlich am 23. April 1561 den verjagten Christen, welchen unterm 15. März 1554<br />
die Ausübung ihrer Religion in <strong>der</strong> Stadt gestattet worden war, solche verboten. Eine ausführliche<br />
Beschreibung aller dieser Streitigkeiten für <strong>und</strong> wi<strong>der</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wechselschriften in denselben findet<br />
man in den Frankfurter Religionshandlungen II. Teil, S. 192 ff. Darin befindet sich auch die von<br />
Dathenus 1563 veröffentlichte: „Kurtze <strong>und</strong> wahrhaftige Erzelung: Welcher maßen den Frantzösischen<br />
<strong>und</strong> Nie<strong>der</strong>ländischen verjagten Christen in <strong>der</strong> Stadt Frankfurt a. M. etlich Jahr die öffentliche<br />
Predigt Göttliches Worts, die Ausspendung <strong>der</strong> H. Sacramente, in ihrer Sprach verstattet: <strong>und</strong><br />
aus was Ursachen ihnen nachmals solches verboten worden.“ Heidelberg 1563 VIII <strong>und</strong> 96 S. in 4,<br />
mit dem Motto Matth. 5.; Selig seid ihr, so euch die Menschen usw. In ruhiger <strong>und</strong> würdiger Sprache<br />
verteidigt er in dieser Schrift die Frankfurter bisherigen Fremden-Gemeinden <strong>und</strong> ihre Lehre<br />
gegen die Beschuldigungen ihrer lutherischen Gegner. Nicht schalt er wie<strong>der</strong>, da er gescholten<br />
ward. Denn als ein schöner Zug seines Herzens ist sein ganzes Leben hindurch wahrnehmbar seine<br />
große Mäßigung im Auftreten gegen an<strong>der</strong>sgläubige Evangelische, gegen Lutheraner wie Taufgesinnte.<br />
Dabei tat er jedoch <strong>der</strong> Wahrheit keinen Abbruch, wie Kap. 8 <strong>der</strong> eben angeführten Schrift<br />
zeigt, worin er die Prädikanten <strong>der</strong> Stadt Frankfurt fre<strong>und</strong>lich bittet, zu bedenken, was sie getan,<br />
<strong>und</strong> den Rat zu bewegen, daß er den verjagten Christen wie<strong>der</strong> freie Religionsübung gewähre: „Es<br />
ist warlich ein kläglich Ding, daß den verjagten Christen da nit mag gestattet werden, die ware lere<br />
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