Blätter der Erinnerung Dr. Kaspar Olevianus - Licht und Recht
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Wunsche gemäß, nach <strong>der</strong> weltberühmten nie<strong>der</strong>ländischen Universität Löwen zu gehen. Dieser<br />
wollte gern einen großen, in <strong>der</strong> Welt angesehenen Mann aus seinem Sohne machen. Aber des<br />
himmlischen Vaters Gedanken waren an<strong>der</strong>e. Der junge Student sollte als ein Leiter zum ewigen<br />
Leben vielen einst dienen. Nach mehrjährigem Aufenthalt in Löwen ging er nach Paris. Gelehrte<br />
Fre<strong>und</strong>e, die ihm Gott erweckt hatte, um ihn durch ihren Dienst zu dem zu machen, wozu er ihn bestimmt<br />
hatte, drangen in ihn, auch nach Zürich zu gehen. Für die Theologie hatte er sich entschieden.<br />
Wo sollte er bessere Lehrer in <strong>der</strong>selben finden, als in dieser Stadt Zwinglis, wo damals, gegen<br />
das Ende <strong>der</strong> fünfziger Jahre, die hocherleuchteten Männer Bullinger <strong>und</strong> Peter Martyr lehrten? Der<br />
Vater wollte zwar nichts von Zürich wissen <strong>und</strong> hatte ihn zurückgerufen. Da er aber, wie er brieflich<br />
an Hieronymus Zanchius in Straßburg bekannte, inne ward, daß seines Vaters Rat nicht aus Gott<br />
war, folgte er <strong>der</strong> Fre<strong>und</strong>e Wink. In Zürich hörte er Petrus Martyr <strong>und</strong> Biblian<strong>der</strong> in den theologischen<br />
Vorlesungen, Colinus in den philologischen. Martyr’s <strong>und</strong> Bullinger’s Einfluß gereichte ihm<br />
zum größten Segen. Von Zürich aus ging Pincier dann nach Straßburg, wo er das Glück hatte, nicht<br />
bloß des Reformators Butzer Liebe sich zu erwerben, son<strong>der</strong>n auch dessen Hausgenosse zu werden.<br />
Hier in Straßburg traf ihn endlich <strong>der</strong> Ruf als Prediger seiner Vaterstadt.<br />
<strong>Dr</strong>eißig Jahre wirkte er in Wetter. Seine Verdienste für die Kirche <strong>und</strong> die gelehrte Schule daselbst,<br />
vor allem aber für die gesamte Kirche des Hessenlandes, <strong>der</strong>en oberdeutschen o<strong>der</strong> reformierten<br />
Charakter im Vereine mit seinem Schwager, dem reformierten Professor Hyperius zu Marburg,<br />
<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en treuen Zeugen <strong>der</strong> Wahrheit gegen jeweilige lutherische Einflüsse er je<strong>der</strong>zeit mit<br />
Macht vertrat, hat am besten <strong>der</strong> reformierte Marburger Professor <strong>Dr</strong>. Gregor Schönfeld im Jahre<br />
1610 geschil<strong>der</strong>t, wenn er schreibt, „daß von ihm mit Wahrheit könne gesagt werden, daß kein größerer<br />
<strong>und</strong> gelehrterer Theologus vor ihm in Hessen geboren noch gewesen sei; daher er denn bei<br />
Aus- <strong>und</strong> Inländischen, beson<strong>der</strong>s aber dem fürstlichen Helden <strong>und</strong> Fürsten Philipp Magnanimo<br />
glorwürdigsten Gedächtnisses sehr lieb <strong>und</strong> angenehm gewesen, welcher ihn zum Stadtpfarrer nach<br />
Wetter gesetzt <strong>und</strong> wi<strong>der</strong> seine Feinde <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>sacher stets verteidigt <strong>und</strong> beschützt hat. Er hat die<br />
Wahrheit reiner Religion bis an sein Ende gelehrt <strong>und</strong> mit seiner Lehre <strong>und</strong> gottseligem Wandel viel<br />
Nutzen <strong>und</strong> Frucht geschafft, auch durch sein Exempel die ganze Stadt zu solcher Liebe gegen die<br />
Studien erweckt, daß von dieser Zeit an diese Stadt so viele vortreffliche hochgelehrte <strong>und</strong> berühmte<br />
Männer in allen Fakultäten, als sonst eine Stadt, will sagen nicht allein in Hessen, son<strong>der</strong>n wohl<br />
in ganz Deutschland in so kurzer Zeit nach einan<strong>der</strong> nie gegeben hat.“<br />
Den völlig reformierten Kasseler Katechismus von 1539, welcher lange in Nie<strong>der</strong>hessen in Gebrauch<br />
war, führte Pincier sofort auch in Wetter ein. Als auf <strong>der</strong> Generalsynode zu Marburg im Jahre<br />
1575 die lutherische Partei Landgraf Ludwig antrieb, die Abschaffung <strong>der</strong> bisherigen Agende des<br />
Hyperius <strong>und</strong> Einführung einer lutherischen durchzusetzen, war es Pincier, welcher nach einem<br />
Schreiben des Professor Zanchius an Josias Simmler in Zürich, Datum Heidelberg, den 25. Juni<br />
1575, jener sehr wi<strong>der</strong>stand. „Der Goliath (wie Zanchius einen dieser Lutheraner, <strong>der</strong> vordem reformiert<br />
war, nennt) schrieb aber an den Landgrafen, daß er, wenn er wollte, kommen <strong>und</strong> dem Pincier<br />
das Maul stopfen wollte. Und dieser Mensch, einst einer <strong>der</strong> Unserigen, ist nun ein völliger Inquisitor<br />
des Teufels gegen die Zwinglianer <strong>und</strong> Calvinisten geworden.“<br />
In unseren Tagen sieht man gewöhnlich mit Geringschätzung o<strong>der</strong> auch mit Entrüstung auf jene<br />
gewaltige Zeit eines geistigen Schaffens <strong>und</strong> Ringens zurück, für welches unserer Gegenwart alles<br />
Verständnis fehlt. Männer, wie Pincier, welche für ihre Überzeugung alles einzusetzen bereit sind,<br />
wie nötig wären sie unserer Zeit, in welcher <strong>der</strong> Abfall von dem Worte Gottes <strong>und</strong> von <strong>der</strong> Nüchternheit<br />
des wahren evangelischen Glaubens so überaus groß ist! Aber nicht bloß auf den Synoden<br />
trat Pincier gegen diese Ubiquitisten auf, son<strong>der</strong>n auch in Schriften. Dieselben handeln alle von dem<br />
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