Blätter der Erinnerung Dr. Kaspar Olevianus - Licht und Recht
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ken. Er habe sich am meisten auf dieser Stelle an den vielen Privat-Kommunionen in den Häusern<br />
gestoßen. Mit aller Vorsicht, um die Leute sich nicht zu entfremden, sei er übrigens verfahren. In<br />
Herborn wirkte er segensreich auf Kanzel <strong>und</strong> Kathe<strong>der</strong>. Sein Lehrgeschick riß nach dem Zeugnisse<br />
eines seiner Schüler seine Zuhörer, welche mit größter Liebe an ihm hingen, ganz hin. Nur auf ihr<br />
wie<strong>der</strong>holtes <strong>Dr</strong>ängen gab er es zu, daß diese <strong>und</strong> jene seiner Vorlesungen <strong>und</strong> Predigten gedruckt<br />
wurde. Er selbst hätte in seiner großen Bescheidenheit nie daran gedacht. Als im Jahre 1594 die<br />
Schule wegen <strong>der</strong> Pest von Herborn nach Siegen verlegt wurde, zog Naum dahin. Nach seines<br />
Landsmannes Johannes Pilgers Tod erhielt er daselbst das Inspektors zu seinen bisherigen Ämtern.<br />
Als solcher führte er die bis in die neueste Zeit bestehende Einteilung <strong>der</strong> dortigen Pfarre in betreff<br />
<strong>der</strong> dazu gehörenden Dörfer ein, wie in unserer Geschichte <strong>der</strong> Stadt Siegen, Dillenburg 1872 S.<br />
144 ausführlich gezeigt ist. Als ein wahrer reformierter Theologe predigte er stets über ganze Bücher<br />
<strong>der</strong> heiligen Schrift. Die noch heute in den lutherischen Kirchen bestehenden Perikopen haben<br />
nach seiner Ansicht nur den Zweck, die Quellen des Wortes Gottes zu verstopfen. Sie sind ihm Verstümmelungen<br />
desselben <strong>und</strong> als ihren Urheber sieht er den Teufel an.<br />
Mit demselben Freimute spricht er über die Perfidie <strong>der</strong> Leute bei Hofe. „Nichts ist zu Hof beständig,<br />
es ist allezeit Aprilwetter daselbst, bald scheint die Sonne, bald regnet es. Bald hat einer<br />
große Gunst bei den Herren, bei den Räten, bei dem an<strong>der</strong>en gemeinen Volke, bald mißgönnt man<br />
ihm seine Ehre <strong>und</strong> zeitliche Wohlfahrt, <strong>und</strong> lassen sich finden Judas- <strong>und</strong> Doegs-Gesellen, die an<strong>der</strong>e<br />
einhauen, verleumden, verklagen <strong>und</strong> hart drücken, <strong>und</strong> also die Herrn verbittern <strong>und</strong> zum<br />
Zorn reizen <strong>und</strong> in dieser Hitze darauf treiben, damit sie nicht andren Sinnes werden. Und gehet<br />
darnach das Unglück über sie aus. Wenn dann <strong>der</strong> Herr seinen Zorn <strong>und</strong> Ungnade auf einen wirft,<br />
wird ihm alsdann alles zuwi<strong>der</strong>. – Es verstellen sich die H<strong>und</strong>ebuben, die vorher Ehre erzeigten<br />
dem, <strong>der</strong> jetzt gedrückt wird.“ Wer oft an einem Hofe verkehrt o<strong>der</strong> verkehrt hat, muß ausrufen: Wie<br />
wahr!<br />
Dieselbe Offenheit <strong>und</strong> Aufrichtigkeit – ein Gr<strong>und</strong>zug des pfälzischen Volkes – läßt Naum auch<br />
den Mönchen <strong>und</strong> Nonnen gegenüber durchblicken: „Sie sagen wohl <strong>der</strong> Welt ab mit dem M<strong>und</strong>e,<br />
suchen aber allezeit die besten Örter in <strong>der</strong> Welt aus. Was rauh, was unfruchtbar ist, das fliehen sie,<br />
wie den Teufel selbst. Auf dem Westerwalde findest du kein Kloster, aber am Rhein <strong>und</strong> an<strong>der</strong>swo,<br />
da gute Früchte <strong>und</strong> Wein wachsen, findet man <strong>der</strong> Klöster nur zu viele. Wer ist auch reicher als die<br />
Mönche <strong>und</strong> Nonnen? Wer hat je Mangel bei ihnen gespürt? Da ist, alles vollauf. Das heißt, wie sie<br />
vorgeben, das Fleisch kasteien <strong>und</strong> im Zaum halten <strong>und</strong> den alten Adam dämpfen. Da mästen sie<br />
sich … <strong>und</strong> muß doch bei ihnen heißen, sich von <strong>der</strong> Welt entziehen.“<br />
Auch den Studenten hielt Naum unverschleiert ihre Pflichten vor. Ein Student, <strong>der</strong> etwas lernen<br />
will, sagte er, soll sich <strong>der</strong> Mäßigkeit befleißigen <strong>und</strong> sich mit Fleiß hüten vor Fressen <strong>und</strong> Saufen.<br />
Dieser nicht bloß als Gelehrter, son<strong>der</strong>n vor allem als praktischer Theologe ausgezeichnete Mann<br />
wurde von Siegen aus öfters von seinem früheren Schüler Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg,<br />
sowie von dem Grafen Wolfgang Ernst von Isenburg begehrt, um in <strong>der</strong>en Herrschaft das reformierte<br />
Kirchenwesen einzuführen <strong>und</strong> zu begründen. Der erstere verlangte, ihn ganz in seine<br />
Dienste zu ziehen, was endlich im September 1596 sein bisheriger Landesherr Graf Johann, wenn<br />
auch ungern, zugab. Die Gunst solcher Hohen verschaffte unserem Naum viele Nei<strong>der</strong> in Siegen,<br />
wie in Hanau. Man sprengte aus, er suche sich bessere Stellen zu erschleichen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>es, was ihn<br />
sehr betrübte. Zu <strong>der</strong>selben Zeit, denn ein Unglück kommt selten allein, starben ihm in Siegen seine<br />
gute Frau <strong>und</strong> sein Kind. Unter solchen harten Prüfungen litt Naum ungemein, so daß es bei ihm<br />
hieß, wie bei Hiob 3,20: Warum ist das <strong>Licht</strong> gegeben den Mühseligen <strong>und</strong> das Leben den betrübten<br />
Herzen? Er kam in schwere Anfechtungen, aber durch Gottes Gnade erfuhr er auch, welch einen ge-<br />
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