Geoinformationssysteme
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012<br />
Panorama<br />
Das stuhlbasierte Interface<br />
Manche Neuerungen erreichen einen erst verspätet, wie<br />
der ChairIO. Leider war ich im April nicht auf dem Internationalen<br />
Automobil-Salon in Genf. Wäre ich dort gewesen,<br />
ich hätte mich am Stand von Volkwagen garantiert auf den<br />
ChairIO gesetzt. Denn der ChairIO ist eine neuartige Computersteuerung<br />
auf der Basis eines Stuhls. Oder, wie es in<br />
einem PDF stand, ein „Chair-Based Interface“. Wunderfull,<br />
wie so ein englischer Fachausdruck gleich ein wenig Glanz<br />
in die Hütte zaubert. Profan gesprochen ist der ChairIO ein<br />
Hocker, der wie ein Joystick funktioniert. Interessant. Im<br />
Netz lese ich, dass der Stuhl bereits 2005 vorgestellt wurde<br />
(imve.informatik.uni-hamburg.de/projects/chairIO). Entwickelt<br />
von Prof. Dr. Ing. Steffi Beckhaus von der Universität Hamburg,<br />
in der interactive media/virtual environment group<br />
oder kurz im/ve. Dort forschen seit 2004 drei Wissenschaftler<br />
im Bereich der „human-centered Human-Computer<br />
Interaction, Computer Graphics, Virtual Environment<br />
Systems and Technology, Interactive Storytelling, and Art“.<br />
Herausgekommen ist der ChairIO.<br />
Vom Büromöbel zum Device<br />
Den Hocker übrigens, aus dem unter wissenschaftlicher<br />
Mithilfe der ChairIO wurde, kennt jeder, der sich einmal<br />
mit den verschiedenen Genres der Büromöbel befasst hat:<br />
Es ist der Swopper vom Designer Henner Jahn. Ein breiter<br />
Dreiviertel-Ring als Metallfuß, offen liegende Spiralfeder<br />
und komischerweise auf Produktfotos immer rot gepolstert.<br />
Gut für den Rücken. Nicht das Rot, der Hocker. Im Netz<br />
lese ich, was der emeritierte Universitäts-Professor Dr. med.<br />
Dr. h. c. Dings schreibt: „Der ‚swopper‘ [...] hält die Rumpfmuskulatur<br />
mit dem zentralen Achsenorgan ‚in Schwung‘,<br />
verhütet Fehlhaltungen sowie durch den ständigen Wechsel<br />
von federnder Be- und Entlastung eine vorzeitige muskuläre<br />
Ermüdung.“ Wohl gesprochen. Aber zurück zum ChairIO.<br />
Normalerweise testen wir in dieser Rubrik ja immer die<br />
Geräte. Einen ChairIO habe ich in der Kürze der Zeit leider<br />
nicht organisieren können. Also stelle ich mir nun vor, wie<br />
es wäre, eine ChairIO zu bedienen. Auch hier stimuliert die<br />
englische Sprache mit ihrer filigranen Einfachheit mein<br />
Vorstellungsvermögen als User: „To operate the ChairIO the<br />
user sits on the device ...“. Ich setze mich also auf meinen<br />
eigenen Hocker, der noch nicht im Museum of Modern Art<br />
stehen durfte, und lese weiter. „... and, by shifting their body<br />
weight, tilts it in any direction or rotates the seat. This physical<br />
movement of the seat is mapped to viewpoint/direction<br />
movement in the game environment.“ Spiel? Schade. Just<br />
hatte ich mir vorgestellt, wie ich im Großraumbüro mit<br />
verschränkten Armen auf dem Hocker sitzend eine Excel-<br />
Tabelle ausfülle.<br />
Digitaler Kasatschok<br />
Der ChairIO wurde zusammen mit einer „hand-held light<br />
gun“ präsentiert, um „First-Person-Shooters (FPS)“-Spiele<br />
spielen zu können. Das Ganze war natürlich alles andere<br />
als trivial, braucht es doch eine Menge Wissen über Virtual<br />
Reality (VR), Augmented Reality und Programmierung,<br />
die Architektur und Software des Interfaces umzusetzen.<br />
Um den ChairIO an Linux- oder Windows-Anwendungen<br />
anbinden zu können, wird das Virtual-Reality Peripheral<br />
Network (VRPN) verwendet, eine Ansammlung von Klassen<br />
innerhalb einer Bibliothek und einer Anzahl von Servern,<br />
mit denen die Benutzeroberflächen von Spielen mit<br />
ihren jeweiligen Eingabegeräten zusammenarbeiten. Vielleicht<br />
wird eines Tages ja mehr daraus, als ein Ego-Shooter:<br />
„The interface as a general input device within the operating<br />
system is another avenue of interest, mainly concerned with<br />
applying and evaluating the ChairIO in standard desktop<br />
applications.“ Also doch Excel mit Hocker. Layouten ohne<br />
Maus, kombiniert mit automatischer Spracherfassung. Auf<br />
zum digitalen Kasatschok.