Geoinformationssysteme
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060 Alltag<br />
Software durchgeführt. Der wichtige Informations- und<br />
Zeitvorsprung, der durch das RFID-System im Materialfluss<br />
hätte erreicht werden sollen, wäre zerstört. Für viele<br />
Anwender wird sich deshalb im Zuge einer Materialflussoptimierung<br />
mithilfe von RFID auch die Notwendigkeit<br />
ergeben, das Bestandsführungssystem zuerneuern.<br />
Dabei ist der Bedarf für eine zentrale oder dezentrale, auf<br />
jeden Fall aber zeitnahe Speicherung von Materialflussinformationen<br />
– auch Real World Awareness genannt – durchaus<br />
vorhanden. Im Bereich Life Science zeigen die Erfahrungen,<br />
dass das Datenvolumen bei der gesetzlich verlangten Rückverfolgung<br />
der Waren über den gesamten Herstellprozess<br />
vom Rohstoff zum Endprodukt exponentiell ansteigt. Erste<br />
Lösungen, in denen Daten mit einer eigenen RFID-Middleware<br />
zwischenspeichern und für das ERP-System zusammenfassen,<br />
werden bereits entwickelt.<br />
Nach der EU-Verordnung 178/2002 beispielsweise sollen<br />
Unternehmen produktionsaufsteigend und -absteigend<br />
jeweils den Lieferanten und den Kunden für einen bestimmten<br />
Artikel benennen können. Da dabei mit Rezepturen<br />
gearbeitet wird, mehrere Ursprungsstoffe über<br />
einen mehrstufigen Produktionsprozess zu einem neuen<br />
Produkt zusammenkommen, stehen die Beteiligten vor der<br />
Aufgabe eines kontinuierlichen Chargenherkunfts- und<br />
Verwendungsnachweises. Erste Realisierungen einer RFIDgestützten<br />
Rückverfolgung sind auf der Produktionsstufe<br />
zu sehen. Auf Palettenebene werden die Daten im Lager<br />
des Herstellers, im Warenausgang des Herstellers, auf dem<br />
Transportweg durch den Logistiker und schließlich beim<br />
Wareneingang des Handels erhoben. Im typischen Fall sind<br />
bei diesem Verlauf mindestens vier Sammelstellen von Daten<br />
bei zwei beziehungsweise drei Unternehmen (Hersteller,<br />
Handelsorganisation und Transportunternehmen) involviert.<br />
Das anfallende Datenvolumen einer ganz normalen<br />
Prozesskette erhöht sich dramatisch, sobald eine weitere<br />
Fertigungsstufe hinzukommt und auch die Lieferanten der<br />
Vorprodukte mit einbezogen werden. Für jeden einzelnen<br />
Lieferanten gilt erneut: Lager des Lieferanten, Warenausgang<br />
des Lieferanten, Transport und Wareneingang des<br />
Herstellers. Bei angenommenen fünf Komponenten für<br />
einen einzigen Artikel sind etwa 20 Datensammelstationen<br />
bei bis zu zehn verschiedenen Unternehmen in den Informationsfluss<br />
eingebunden. Dabei sind allerdings bislang<br />
nur die Quellen der Daten, nicht jedoch die Daten selbst<br />
berücksichtigt und das auch nur in einer einfachen Wertschöpfungskette<br />
aus fünf Lieferanten, einem Hersteller und<br />
einem Handelskunden.<br />
Jedem RFID-Tag seine eigene Homepage<br />
Praktisch noch nicht endgültig ist das Szenario der Datenspeicherung.<br />
Unter dem griffigen Slogan „Jedem RFID-Tag<br />
seine eigene Homepage“ hat das Fraunhofer Institut für<br />
Autonome Intelligente Systeme (AIS) in Sankt Augustin<br />
Studien und erste Praxisprojekte gestartet, in denen Methoden<br />
zur Speicherung und Verwaltung der durch RFID<br />
erhobenen Daten im Materialfluss getestet werden. Dabei<br />
wird der elektronische Produktcode (EPC), der Identität,<br />
Ausgangs- und Bestimmungsort der Ware verschlüsselt, auf<br />
einer eigenen Internetseite abgelegt. Wird der EPC im System<br />
eingegeben, werden die entsprechenden Daten aus dem<br />
Internet abgerufen. Denkbar ist auch ein gigantisches Data<br />
Warehouse, in dem alle Systeme die ermittelten Daten ablagern.<br />
Das kann bei einer weltweiten Lieferkette zu einer Explosion<br />
der Telekommunikationskosten führen. Favorisiert<br />
wird, dass auf lokalen Servern die Daten aggregiert werden<br />
und nur Zusammenfassungen weitergeleitet werden. Ein<br />
drittes Szenario sieht vor, dass Daten lokal gespeichert bleiben<br />
und die Materialflusssysteme vor Ort mit der nötigen<br />
Intelligenz ausgestattet werden, um auf Informationen Aktionen<br />
folgen zu lassen. Auch SAP hat mit einem Projekt am<br />
MIT (Massachusetts Institute of Technology) eine RFID-fähige<br />
Middleware für seine NetWeaver-Plattform entwickelt,<br />
die Tag-Daten erfasst und mit den Geschäftsdaten der SAP-<br />
Lösungen verknüpfen kann.<br />
Die heutigen Materialflusssysteme sind aber mit der dafür<br />
benötigten Funktionalität noch kaum ausgestattet – und es<br />
ist nicht zu erwarten, dass entsprechende RFID-Module in<br />
den kommenden fünf Jahren zu der Standardausstattung<br />
von Lagerverwaltungssoftware oder ERP-Systemen gehören<br />
werden. Ähnlich ist dies bei der befürchteten Verknüpfung<br />
mit personenbezogenen Daten. Für eine entsprechende Gesetzesinitiative<br />
ist ausreichend Zeit. Sie gilt es zu nutzen, um<br />
eine zielgerichtete und nicht behindernde Regelung für die<br />
Wirtschaft zu formulieren. Der Einsatz von RFID steht erst<br />
in den Anfängen und liegt so erst in Insellösungen vor. Eine<br />
Durchgängigkeit des RFID-Datenflusses ist allerdings noch<br />
eine ferne Vision.<br />
Heinz-Paul Bonn<br />
Heinz-Paul Bonn, Jahrgang 1945, ist<br />
Vorstandsvorsitzender der GUS Group in Köln<br />
und Vizepräsident im Bundesverband für<br />
Informationswirtschaft, Telekommunikation und<br />
neue Medien (BITKOM e.V.).