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Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

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Politik des radikalen Realismus 839<br />

in sträflicher Weise fahrlässig, um nicht zu sagen, objektiv unredlich. - Innerhalb<br />

<strong>eines</strong> einzigen Jahres lieferte denn auch die tatsächliche wirtschaftliche<br />

Entwicklung Frankreichs eine geradezu lehrbuchmäßige Illustration der Konsequenzen,<br />

die solch ein wirtschaftspolitischer Zwitter zeitigen muß. Die anfänglich<br />

positiven Beschäftigungs- und Wachstumseffekte erwiesen sich<br />

schnell als kurzlebig, da, abgesehen vom Festhalten an einem überbewerteten<br />

Franc, der Verzicht auf wirksame Devisen- und Preiskontrollen die Ausweitung<br />

der Nachfrage in erhöhten Einfuhren und in Preissteigerungen verpuffen<br />

ließ. Parallel dazu weigerte sich der private Sektor, die ihm im Wirtschaftsprogramm<br />

der Linkskoalition zugewiesene Rolle zu übernehmen, was angesichts<br />

des Mißtrauens, das die Unternehmerschaft <strong>für</strong> die neue Regierung hegte, und<br />

angesichts der voll entfalteten Krise der Weltwirtschaft kaum überraschen<br />

konnte. Die erhofften Produktionssteigerungen blieben aus; die Investitionen<br />

nahmen real ab; die Investitionsanreize wurden kaum angenommen. Devisenspekulation,<br />

massive Kapitalflucht und Expansion im Ausland versetzten dem<br />

inländischen Prozeß wirtschaftlicher Erholung zusätzliche Schläge. Schon<br />

nach wenigen Monaten stieg daher die Arbeitslosigkeit wieder an, erreichte die<br />

Inflationsrate neue Höchstwerte und nahm das AußenhandelsdefIzit stetig zu.<br />

Die öffentliche Verschuldung Frankreichs wuchs, ohne, wie erhofft, eine stimulierende<br />

Wirkung auf Produktion, Investition und Beschäftigung zu haben.<br />

Bereits im Herbst 1981 war daher klar, daß das Programm <strong>eines</strong> mit öffentlichen<br />

Mitteln fInanzierten Nachfrage- und Beschäftigungsprogramms in einer<br />

offenen Wirtschaft und gegen den Widerstand der Unternehmerschaft nicht<br />

aufrechtzuerhalten war. Der Franc wurde im Rahmen des EWS gegenüber der<br />

Deutschen Mark um 8,5 Prozent abgewertet. Für eine kleine Gruppe von Waren<br />

und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs wurde ein auf vier Monate befristeter<br />

Preisstop verfügt. Das Importvolumen wurde auf den Stand von Anfang<br />

Oktober 1981 eingefroren. Trotz des Anstiegs der Verbraucherpreise in<br />

der zweiten lahreshälfte 1981 um fast 15 Prozent wurden die Tarifpartner aufgefordert,<br />

die Nominallöhne um nicht mehr als 10 Prozent jährlich wachsen zu<br />

lassen. Den Unternehmen wurden neue Investitions- und Beschäftigungsanreize<br />

offeriert.<br />

Dieser halbherzige Versuch einer Preis- und Importkontrolle blieb jedoch<br />

ohne die erhoffte Wirkung. Als sich auch im Sommer 1982 immer noch keinerlei<br />

Anzeichen einer Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage erkennen<br />

ließen - die Investitionen waren weiter rückläufIg, das AußenhandelsdefIzit<br />

hatte stark zugenommen, die spekulativen Manöver hatten nicht nachgelassen,<br />

die Arbeitslosigkeit war erneut gestiegen -, konnten sich in der Regierung die<br />

Kräfte durchsetzen, die <strong>für</strong> eine Ablösung des nachfrage- und beschäftigungsorientierten<br />

Programms durch ein angebots- und rentabilitätsorientiertes Programm<br />

eintraten. Im März 1983 entschied sich die Sozialistische Partei schließlich<br />

auch ganz offen <strong>für</strong> ein konventionelles Austeritätsprogramm. Eine sozialdemokratische<br />

Politik der Krisenüberwindung wurde nunmehr fast restlos<br />

abgelöst durch das in fast allen westlichen Industrieländern praktizierte konservative<br />

Modell des Krisenmanagements, dessen Kernpunkt es ist, die Verwertungsbedingungen<br />

<strong>für</strong> das nationale und internationale Kapital zu verbessern.<br />

DAS ARGUMENT 148/1984 ©

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