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Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

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868 Detlev Albers<br />

schaftung überall, wo es notwendig ist« - und gerade in Krisenzeiten bemerken<br />

wir, wie unabdingbar notwendig ein entschlossener Ausbau des öffentlichen<br />

Wirtschaftssektors wäre -, also Bändigung der Macht der Groß wirtschaft<br />

und Vergesellschaftung dort, wo es notwendig ist, Umrisse gesamtwirtschaftlicher<br />

Planung, umfassende Mitbestimmungsrechte - dies alles würde,<br />

tatsächlich realisiert, zahlreiche Brüche mit konstituierenden Mechanismen einer<br />

kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft bedingen und nach sich ziehen.<br />

Das gilt erst recht, wenn wir versuchen, uns in die allgemeine Wirtschaftswunder-Mentalität<br />

der späten 50er Jahre zurückzuversetzen. Dann ist in der<br />

Tat davon zu sprechen, daß demgegenüber die Verwirklichung der genannten<br />

Zielsetzungen des Godesberger Programms eine radikal andere Gesellschaftsordnung<br />

verlangt hätten. Ja, man könnte sich sogar darüber wundern, daß<br />

derlei Be<strong>für</strong>chtungen seinerzeit in der öffentlichen Resonanz auf die Verabschiedung<br />

des Godesberger Programms eine derart geringe Rolle gespielt haben.<br />

Die Erklärung <strong>für</strong> den geringen Ernst, den man innerhalb und außerhalb<br />

der Partei den Umrissen einer radikal veränderten Wirtschaftsstruktur beimaß,<br />

ergibt sich jedoch schon aus der genaueren Lektüre des Programmtextes.<br />

Denn allerorten finden wir sozialistische Richtungshinweise eingebettet in nach<br />

allgemeiner Auffassung entgegengesetzte Programmaussagen. Das gilt <strong>für</strong> Garantien<br />

zum »freien Wettbewerb« und »freier Unternehmerinitiative« nicht<br />

anders als <strong>für</strong> Sätze wie: »Das private Eigentum an Produktionsmitteln hat<br />

Anspruch auf Schutz und Förderung, soweit ...« (wobei die folgende Einschränkung<br />

so allgemein ausfällt, daß man sie leicht ganz vergißt). Das Gemeineigentum<br />

in der Wirtschaft soll in dem minimalen Bestand, den es Ende der 50er<br />

Jahre hat, erhalten und möglichst ausgebaut werden - aber seine zuvörderst<br />

genannte Aufgabe ist ausgerechnet die Sicherung des Wettbewerbs. Überhaupt<br />

soll gelten: »Wettbewerb soweit wie möglich - Planung soweit wie nötig«.<br />

Bei soviel sozialliberalem Firnis in den Programmaussagen kann es niemanden<br />

mehr überraschen, daß jene anderen Formulierungen, die noch sozialistisches<br />

Gedankengut weitertransportieren, nur zu leicht verdrängt wurden. Es<br />

fehlt an dieser Stelle der Raum, um die parteigeschichtlichen Hintergründe dieser<br />

vorherrschenden Tendenz des Godesberger Programmes aufzuarbeiten.<br />

Für uns Jüngere jedoch, die wir dieses Dokument als vorgefundenes analysieren<br />

und die Frage erörtern, wie weit es uns weiterhilft, drängt sich der Schluß<br />

auf: zwei entgegengesetzte Lesarten, eine rechte und eine linke, eine reformistische<br />

und eine revolutionäre, sind <strong>für</strong> den Inhalt des Godesberger Programms<br />

als eine textlich programmatische Gesamtheit stärker als <strong>für</strong> jedes vorangehende<br />

Programmdokument unserer Partei konstitutiv. Jeder kann sich, im Jargon<br />

der 6ger Jusos ausgedrückt, seine Plattfüße auf dem Godesberger Programm<br />

holen. So scheint mir das Wesen dieses Formelkompromisses unter Verzicht<br />

auf einen Begründungszusammenhang ziemlich genau umschrieben, das den<br />

»<strong>Fragen</strong> der Zeit« bewußt keine Antworten im Sinne der allzu pauschal <strong>für</strong> antiquiert<br />

gehaltenen sozialistischen Programmatik mehr geben will.<br />

Damit gelange ich zum dritten und letzten Aspekt meiner Untersuchung des<br />

Sozialismusverständnisses im Godesberger Programm. Welche Antworten gibt<br />

das Godesberger Programm, allen seinen Widersprüchen zum Trotz, auf die<br />

DAS ARGU\1ENT 148/1984

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