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Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

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864<br />

DetIev Albers<br />

Zur Kritik des Sozialismusverständnisses<br />

im Godesberger Programm*<br />

Jeder Versuch einer nüchternen, vorurteilslosen Einschätzung des Godesberger<br />

Programms wird sich der Frage zu stellen haben: Gibt es überhaupt ein Sozialismusverständnis<br />

im Godesberger Programm, will es denn überhaupt noch<br />

zum Sozialismus als einer radikal <strong>neuen</strong> Gesellschaftsordnung gelangen, und<br />

lag nicht gerade seine wichtigste, unmittelbare Wirkung darin, daß es von der<br />

sozialistischen Zielsetzung <strong>für</strong> die Sozialdemokratie als Ganzes Abschied genommen<br />

hat? Die Antwort auf diese Frage hängt im Kern davon ab, welche<br />

Inhalte, Zielsetzungen und Strategien wir mit dem Begriff Sozialismus verknüpfen.<br />

Um einem müßigen Definitionsstreit um Worte von vorherein zu<br />

entgehen, soll die Frage, ob ernsthaft von einem Sozialismusverständnis des<br />

Godesberger Programms gesprochen werden kann, im folgenden unter drei<br />

methodisch klar unterscheidbaren Gesichtspunkten erörtert werden, nämlich:<br />

1. Sind die gesellschaftlichen Zielvorstellungen Godesbergs sozialistisch zu<br />

nennen, wenn wir sie mit der sozialdemokratischen Programmatik vergleichen,<br />

die ihr in der über hundertjährigen Geschichte der Partei vorangeht? Dabei<br />

begrenze ich den Bogen m<strong>eines</strong> Vergleichs auf jene Programme, die in einem<br />

weiteren Sinne Geschichte und nicht nur Parteigeschichte gemacht haben.<br />

Das beginnt mit der »Geburtsurkunde des modernen Sozialismus«, dem Kommunistischen<br />

Manifest von 1848, und es setzt sich fort mit dem Erfurter Programm<br />

von 1891 und dem Heidelberger Programm von 1925. Zudem möchte<br />

ich neben dem Heidelberger Programm immer auch auf das fast zeitgleiche<br />

Linzer Programm von 1926 verweisen. Denn in diesem Text unserer österreichischen<br />

Genossen, . die sich ja seinerzeit noch als integralen Teil der deutschen<br />

Sozialdemokratie betrachteten, kommt die Fähigkeit der marxistischen Traditionslinie<br />

zur Weiterentwicklung ihrer Auffassungen sehr viel deutlicher als im<br />

Heidelberger Programm zum Ausdruck. Wie ist also die Godesberger Zielvorstellung,<br />

verglichen mit dem, was mehr als ein Jahrhundert sozialdemokratische<br />

Programmatik hervorgebracht hat, einzuordnen, und läßt sich in dieser<br />

Hinsicht von einem fortbestehenden Sozialismusverständnis im Godesberger<br />

Programm reden?<br />

2. Läßt sich, unbeschadet unserer Ergebnisse zur ersten Frage, zumindest<br />

<strong>für</strong> den Zeitpunkt der Entstehung des Godesberger Programms, d.h. <strong>für</strong> das<br />

Ende der 50er Jahre davon sprechen, daß jene neue Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,<br />

die das Programm umreißt, im Falle ihrer vollständigen Verwirklichung<br />

zu einer sozialistischen Gesellschaft in der Bundesrepublik geführt<br />

hätte? Und schließlich:<br />

3. Kann <strong>für</strong> die Gegenwart der 80er Jahre, <strong>für</strong> die heutige und die heute ab-<br />

• Überarbeiteter und leicht gekürzter Beitrag zur Tagung »25 Jahre Godesberg« der Gustav­<br />

Heinemann-Akademie, Oktober 1983. Die Tagung ist dokumentiert in: Papke, Sven, und Kar!<br />

Theodor Schuon (Hrsg.): Braucht die SPD ein neues Grundsatzprogramm? Ber!in 1984. Wir<br />

danken dem Verlag Europäische Perspektiven <strong>für</strong> die freundliche Abdruckgenehmigung.<br />

DAS ARGUMENT 14811984 ©

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