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Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

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846 P. Anderson, F. Fröbet, J. Heinrichs und O. Kreye<br />

ländern die Mittel (das Einkommen) <strong>für</strong> ein menschenwürdiges Leben sichern.<br />

Lohnarbeit selbst ist nur ein Mittel unter anderen, um dies zu erreichen, aber<br />

<strong>eines</strong>, das <strong>für</strong> das Leben von zahllosen Millionen so zentral ist, daß die Bekämpfung<br />

der Arbeitslosigkeit heute im Zentrum jeder radikalen Politik steht.<br />

Die tiefe Krise der traditionellen Beschäftigungsmuster eröffnet gleichzeitig<br />

die willkommene Chance, die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau, zwischen<br />

bezahlter und unbezahlter Arbeit neu zu gestalten. Eine Neuverteilung<br />

der Arbeit (nicht job sharing) und verkürzte Arbeitszeiten in Fabrik und Büro<br />

könnten unter anderem dazu genutzt werden, die Arbeitsteilung zwischen »Arbeit«<br />

und »Hausarbeit«, zwischen »typisch männlichen« und »typisch weiblichen«<br />

Tätigkeiten zugunsten einer gleichmäßigeren Auf teilung auf die Geschlechter<br />

zu verändern und damit eine entscheidende Voraussetzung <strong>für</strong> die<br />

Unterminierung patriarchalischer Herrschaft zu schaffen (und damit auch <strong>eines</strong><br />

wichtigen Instruments kapitalistischer Herrschaft und Ausbeutung).<br />

Ähnlich könnte die Krise der traditionellen Produktionsstrukturen Raum<br />

<strong>für</strong> die Verwirklichung populärer Forderungen nach veränderten Produktionsweisen<br />

und verändertem Output schaffen, um damit ökologischen Belangen<br />

Rechnung zu tragen und zu einer einigermaßen ausgewogenen und in sich tragfähigen<br />

vollständigen industriellen Basis zu gelangen. Zwei Ziele stehen hierbei<br />

im Vordergrund. Zum einen muß der räuberische und vergewaltigende Umgang<br />

mit der Natur wieder unter die Schwelle des langfristig Tragbaren gebracht<br />

werden, damit dem katastrophalen Anwachsen der Luft- und Wasserverschmutzung,<br />

der chemischen Zerstörung der natürlichen Böden, dem<br />

Waldsterben und der erhöhten KrankheitsanHilligkeit und Sterblichkeit in immer<br />

größeren belasteten Regionen Einhalt geboten werden kann. Und zum anderen<br />

muß die Möglichkeit eigenständiger nationaler oder regionaler Wirtschaftspolitik<br />

zurückgewonnen werden, um die erpresserische Abhängigkeit<br />

von verletzlichen globalen Produktionsverbünden verringern oder beseitigen<br />

zu können (vgl. schon J.M. Keynes: National Self-Sufficiency, 1933).<br />

Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel, traditionell ein zentrales Ziel<br />

der Arbeiterbewegung, ist auf Grund der Nachkriegserfahrungen mit den Verstaatlichungen<br />

von Produktionsmitteln in Ost und West (was eine fragwürdige<br />

Verkürzung des ursprünglichen Ziels war) in Mißkredit geraten. Aber jeder beschönigende<br />

oder defensive Umgang mit den alten Idealen des Sozialismus<br />

spielt nur in die Hände der Reaktion. Die Antwort auf die Nachkriegserfahrungen<br />

kann nicht in einer Revision des ursprünglichen Ziels bestehen, sondern<br />

nur in dem aktiven Eintreten <strong>für</strong> eine Demokratisierung von unten statt<br />

der Verstaatlichung von oben. Denn gerade Gesellschaften, die in allen übrigen<br />

Bereichen dem Prinzip der demokratischen Selbstbestimmung formal so hohen<br />

Tribut zollen, sind unter Verweis auf den bestehenden Despotismus der<br />

Fabrikarbeit ideologisch höchst angreifbar. Qualitativ verstärkte Rechte der<br />

Arbeiter und Angestellten im Betrieb und auf der Ebene des Gesamtunternehmens<br />

ist deshalb ein realistisches und populäres Ziel <strong>für</strong> die nächste Zukunft.<br />

Auf dieser Linie liegen bereits die Erfolge der italienischen Fabrikräte-Bewegung<br />

Anfang der siebziger Jahre und die EG-Initiative <strong>für</strong> eine Offenlegung<br />

von Unternehmensdaten an die Gewerkschaften (Vredeling Directive). Und<br />

DAS ARGUMENT 148/1984 S

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