Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...
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900 Harald Mattfeldt<br />
sehenden <strong>linken</strong> Keynesianismus-Begriffs. Die »Unterlegenheit« der keynesianischen<br />
<strong>Theorie</strong> wird nicht anband der theoretischen Aussagen und wirtschaftspolitischen Programmatik<br />
von Keynes selbst nachgewiesen, sondern am Beispiel des real praktizierten,<br />
aber diarrhötischen Keynesianismus der Zeit nach 1967, geprägt durch das Schillersche<br />
Konzept der Globalsteuerung. Letzteres läßt sich nun aber wirklich nicht als wirtschaftspolitische<br />
Quintessenz aus dem Gesamtwerk von Keynes destillieren, sondern weist eher<br />
auf Diskussionslinien nationalsozialistischer Wirtschaftspolitikkonzeptionen <strong>für</strong> die Zeit<br />
nach dem (gewonnenen) zweiten Weltkrieg hin, die Z.B. auch Schiller durch seine Funktion<br />
im Dritten Reich bekannt gewesen sein dürften.<br />
Wenn Emst-Pörksen schreibt (4l3): »So ist <strong>für</strong> den Keynesianismus typisch, die Steuerung<br />
des ökonomischen Prozesses vor allem als monetäre und globale Steuerung zu<br />
vollziehen«, so kann nur festgestellt werden, daß dies ebenso typisch <strong>für</strong> monetaristische<br />
und angebotsorientierte Wirtschaftspolitik ist und eine solche Typisierung gerade die<br />
Unschärfe und Entleerung ergibt, die er in seiner tautologisch gegen Kritik immunisierten<br />
und präjudizgeprägten Keynesianismus-Analyse beklagt. Wer defmiert: »Keynesianismus<br />
ist Globalsteuerung«, unabhängig davon, ob dies dem Keynesschen Werk entspricht,<br />
läuft genau in das ideologische Messer des Gegners. Wenn die zahlreichen wirtschaftspolitisch-programmatischen<br />
Ausführungen von Keynes eben nicht auf »das Verteilen<br />
von Geld« (413) hinauslaufen (diesen Blödsinn hat Keynes programmatisch nie<br />
vertreten!), sondern auf Strukturreformen des kapitalistischen Systems, so muß es doch<br />
gestattet sein, dies auch gegen die Globalsteuerungs-Keynes-Gleichsetzung von links und<br />
rechts anzuführen. Ich habe in meiner Zusammenfassung des Argument-Artikels, die<br />
leider aus Platzgründen nicht abgedruckt wurde, darauf hingewiesen, daß der ideologisch-wirtschaftspolitische<br />
Hauptangriff des konservativen Blocks im Inneren im Augenblick<br />
weniger gegen den Marxismus läuft als gegen einen konsequenten Keynesianismus<br />
unter den Bedingungen der liberalen Demokratie, der Tarifautonomie und einem<br />
staatlichen Sozialversicherungssystem. Aus ihrer großen Reformismusangst heraus übernehmen<br />
einige linke Ökonomen, so scheint es, lieber die Keynesianismus-Gleichungen<br />
des herrschenden konservativen Blocks als sich der Aufgabe zu stellen, die Brecht so formuliert:<br />
»Aufgabe der Dialektiker ist es, die verschiedenen Denkgebiete zu dialektisieren<br />
und die politische Komponente zu ziehen.« Im Begriff des Keynesianismus ist deshalb<br />
bei Ernst-Pörksen und zahreichen anderen <strong>linken</strong> und auch rechten Kritikern von Keynes<br />
immer schon die inzwischen gescheiterte Praxis der rechten Sozialdemokratie enthalten.<br />
Auf dieser Grundlage wird dann, über eine falsche Gleichsetzung der Lehre von<br />
Keynes und ihrer Vulgärinterpreten »dem« Keynesianismus seine wirtschaftspolitische<br />
und offenbar dann wohl auch theoretische Unhaltbarkeit und seine Untauglichkeit<br />
selbst im Zusammenhang <strong>eines</strong> integrationistischen Reformismus (»Keynesianismus als<br />
politisches Prinzip«) »bewiesen«. Damit ist der Keynesianismus als mögliche Grundlage<br />
<strong>eines</strong> politökonomischen Minimalkonsenses apriori ausgeschlossen und erst recht seine<br />
programmatische Hegemoniefahigkeit in der jetzigen Situation, seine wissenschaftliche<br />
und politische Bündnisqualität <strong>für</strong> Linke verneint. Bei dieser tautologischen Beweisführung<br />
ist es gar nicht mehr möglich, zu einer auch nur minimalen positiven Einschätzung<br />
der Lehre von Keynes bei Linken zu kommen. Nach diesem Gedankengang wird verständlich,<br />
warum Emst-Pörksen die Hälfte s<strong>eines</strong> Beitrags nicht der Auseinandersetzung<br />
mit den Aussagen von Keynes unter dieser Perspektive - was ihn auch angesichts <strong>eines</strong><br />
eigenen Artikels über Marx und Keynes kaum zu einem so rigoros ablehnenden Bescheid<br />
wie in der Replik hätte verleiten können (Ernst-Pörksen 1981), sondern der Kritik der<br />
Wirtschaftspolitik der sozialliberalen Koalition in den 70er Jahren widmet. Hierüber<br />
und über einen abstrakten und undifferenzierten Reformismusvorwurf, also in der Negation,<br />
läßt sich noch allemal besser ein Bündnis von bestimmten Teilen der <strong>linken</strong> Profession<br />
erreichen als über eine positive Programmatik, zumal wenn sie über Keynes kata-<br />
DAS ARGUMENT 148/1984 ©