02.03.2014 Aufrufe

Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

912 Interventionen<br />

Diese uneindeutigen, durch unscharfe, schwammige Formulierungen mögliche, z.T. intendierte<br />

Interpretationen des Brandtschen Artikels sind es, die ich kritisieren will, weil sie<br />

Grenzen verwischen, wo welche zu ziehen sind. Strauss bleibt eben ein Faschist und Konterrevolutionär;<br />

die Parallele zu Richard Scheringer ist deshalb infam. Gerade wenn wir<br />

dogmatische Frontbildungen kritisieren, müssen wir analytische Präzision entwickeln. Aus<br />

diesem Grund hätte Brandts Artikel in eurer Redaktion Kritik und Diskussion auslösen<br />

müssen. Ihn ohne Hinweis auf einen innerredaktionellen Diskurs ins Heft zu nehmen, ist<br />

entweder Nachlässigkeit oder Ausdruck des Verzichts auf Analyse und Debatte. Beides<br />

kann ich mir <strong>für</strong> die »Argument-Redaktion« nicht vorstellen. Versteht diese <strong>kritische</strong>n Anmerkungen<br />

zu Brandt deshalb auch als Aufforderung an euch, Stellung zu nehmen.<br />

Wieland Elfferding: Antwort auf Michael Wildt<br />

Lieber Michael Wildt, vielen Dank <strong>für</strong> Deine Intervention zu Peter Brandts Sammelbesprechung<br />

in Argument 145. Ich habe, aufgescheucht durch Deine Kritik, noch einmal<br />

sorgfaltig nachgelesen. Dabei ist mir zunächst aufgefallen, daß Du Einwände auf zwei<br />

Ebenen erhebst: man kann diskutieren, ob Brandt hätte belegen müssen, daß sich die heutigen<br />

»NationalrevolutionärtX< von der NPD abgesetzt haben; ob biologisches Weltbild<br />

und Betonung des Volkstums bereits Rassismus ist; welche Rolle die USA beim 17. Juni<br />

1953 gespielt haben oder hätten spielen sollen (<strong>für</strong> indiskutabel halte ich allerdings in diesem<br />

Punkt Deine Unterstellung, Brandt fordere nachträglich eine Intervention der USA<br />

und kalkuliere den dritten Weltkrieg ein - sie ist durch seine Formulierungen nicht gedeckt).<br />

Eine andere Sache ist es, daß Du Brandt vorwirfst, er hätte die Besprechung des<br />

Buches von Wolfgang Strauss da abbrechen müssen, wo klar war, daß Strauss eben doch<br />

ein »Faschist« und »Konterrevolutionär« ist. Daß Brandt, wie Du es siehst, die Grenzen zu<br />

den »Nationalrevolutionären« verwische, begründet ja auch Deine Kritik an der Argument-Redaktion,<br />

sie hätte eingreifen und sich zumindest von Brandt distanzieren müssen.<br />

Du trittst mit Peter Brandt in eine Diskussion ein über die Grenzziehung gegenüber den<br />

»Nationalrevolutionären« - das fmde ich wichtig an Deinem Brief, und das entspricht<br />

unserer Überlegung: diese Grenzziehung muß selbst diskutierbar sein. Denn es ist doch so,<br />

daß das nationale Argument seit Jahren in der Linken diskutiert wird, zumal in der Friedensbewegung;<br />

es stimmt doch einfach, daß es ein breites Übergangsfeld zwischen den<br />

»Nationalrevolutionären« und den Grün-Alternativen gibt. Deshalb leuchtet mir Peter<br />

Brandts Versuch ein, hier nicht gleich auszugrenzen, sondern zuerst um linke Positionen zu<br />

ringen, in ein Tauziehen einzutreten. Das ist gefahrlich, man gerät selbst in Bewegung -<br />

eine Zerreißprobe: zu versuchen, eine Ausgrenzung auf nicht ausgrenzende Weise zu diskutieren.<br />

Da willst Du nicht mehr mitmachen. Aber müssen wir nicht eben das versuchen?<br />

Der »richtige Standpunkt« in dieser Frage kann nur aus einer Auseinandersetzung hervorgehen<br />

zwischen den heutigen Menschen und auf der Grundlage der heutigen Bedingungen<br />

des Problems - mit dem Knüppel unveränderlicher historischer Wahrheiten kann man sie<br />

nicht erschlagen. Ich erinnere mich z.B. an Erich Fried, der in einer Fernseh-Talkshow zum<br />

Entsetzen fast aller Anwesenden es <strong>für</strong> richtig hielt, öffentlich mit jungen Neonazis zu diskutieren.<br />

Die Organisatoren des größten <strong>linken</strong> Kulturfestivals im Lande - der Club Voltaire<br />

in Tübingen - fanden es richtig, bei der Aktualisierung des Widerstandes der Geschwister<br />

Scholl auch nationalrevolutionäre Positionen in die Diskussion einzubeziehen.<br />

Ich fmde gut, wenn Du Brandt auf die Finger schaust, ob er beim Tauziehen um Hegemonie<br />

nicht zu viel zugesteht. Aber diese <strong>kritische</strong> Beobachtung darf, denke ich, nicht selbst<br />

ausgrenzend ein. Deswegen kann ich mir die letzte Bemerkung nicht verkneifen: Nach Deiner<br />

Bemerkung dazu, daß Strauss U1bricht an einen Laternenpfahl in der Stalinallee<br />

v{ünscht - von der sich Brandt unzweideutig distanziert -, zitierst Du Brandt, Strauss<br />

habe so gar keinen Sinn <strong>für</strong> »Ambivalentes und in sich Widersprüchliches«. Du verschweigst,<br />

daß diese Bemerkung Brandts nicht nach der Laternenpfahl-Phantasie steht,<br />

sondern nach einer Kritik an Strauss' Verdammung der DDR-Linksintellektuellen in ihrer<br />

Reaktion auf den 17. Juni 1953.<br />

DAS ARGUMENT 148/1984

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!