Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...
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Zur Kritik des Sozialismusverständnisses im Godesberger Programm 865<br />
sehbare gesellschaftliche Wirklichkeit davon gesprochen werden, daß die Zielvorstellungen<br />
des Godesberger Programms, umfassend realisiert, schlüssige<br />
Wege <strong>für</strong> einen bundesdeutschen Sozialismus der Zukunft aufzeigen?<br />
Behandeln die ersten beiden Aspekte die Probleme von Kontinuität, Bruch<br />
und Erneuerung in der Sozialdemokratie, so ergibt sich aus der zuletzt genannten<br />
Fragestellung bereits eine vorweggenommene Antwort auf die bisher ja<br />
durchaus noch strittige Auseinandersetzung, ob sich nicht mit dem Godesberger<br />
Programm am besten so weiter leben ließe wie bisher. Ob, mit anderen<br />
Worten, die Anstrengung, die die Erarbeitung <strong>eines</strong> <strong>neuen</strong> Grundsatzprogrammes<br />
verlangt, tatsächlich notwendig ist oder nicht. Ich werde daher im letzten<br />
Teil m<strong>eines</strong> Beitrags versuchen, aus den heute mehr denn je offenkundig gewordenen<br />
Defizitbereichen des Godesberger Programms zugleich die Umrisse<br />
von Anforderungen an Kernaussagen <strong>eines</strong> künftigen Parteiprogrammes abzuleiten.l<br />
Damit also zur ersten Frage. Vom Manifest über Erfurt und Heidelberg/<br />
Linz bis zum Godesberger Programm selbst hat sich ein erstaunlich einheitliches,<br />
kaum abgewandeltes Grundrnuster sozialistischer oder sozialdemokratischer<br />
Programmatik herausgebildet, das sich in vier Grundelementen zusammenfassen<br />
läßt.<br />
Das erste Element können wir als Analyse, Interpretation aber auch bewußt<br />
als Philosophie des historischen Gesamtprozesses charakterisieren, der sich<br />
»vor unseren Augen vollzieht«, um eine berühmte Formulierung aus dem Manifest<br />
zu gebrauchen. Diesen übergreifenden, weltanschaulichen, Sinn und Tagesaufgaben<br />
des Sozialismus integrierenden Teil finden wir in allen Programmdokumenten<br />
- freilich mit unterschiedlichen Akzenten, worauf ich<br />
gleich eingehen werde.<br />
Ein zweites Element behandelt dann die Stellung der Arbeiterbewegung und<br />
ihrer Partei, samt jener des einzelnen Sozialdemokraten und Sozialisten in diesem<br />
historischen Gesamtprozeß. Es geht um die Erläuterung der Grundforderungen<br />
oder die »historische Mission« der Arbeiterbewegung, verstanden als<br />
objektiv und notwendig vorgegebene Aufgabe, aber auch als den subjektiven<br />
Bedürfnissen des einzelnen Proletariers oder Arbeitnehmers entsprechender<br />
Kampf um soziale Emanzipation, <strong>für</strong> eine Gesellschaft ohne Klassen und Ausbeutung.<br />
Ein weiteres drittes Element trägt verschiedene Überschriften in den Programmdokumenten<br />
seit 1848. Wir können es zusammenfassend beschreiben<br />
als die aktuellen politischen Forderungen der Sozialdemokratie in den verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Bereichen (im Heidelberger Programm nennt<br />
man es auch ausdrücklich »Aktionsprogramm«). Dabei hat sich von jeher die<br />
Schwierigkeit der Verknüpfung der ersten beiden Elemente mit den aktuellen<br />
Tagesaufgaben der Partei gestellt und jahrzehntelang ist über den »fehlenden<br />
Übergang« zwischen den beiden Hauptabschnitten des Erfurter Programmes<br />
gestritten worden.<br />
Der aktuellen Aufgabenbeschreibung folgt als letztes unserer vier Elemente<br />
das eigentliche Strategie-Kapitel in den Programmvorstellungen, die Beschreibung<br />
der Wege zur Durchsetzung der kurz- und langfristigen Forderungen, na-<br />
DAS ARGUMENT 148/1984 ©