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Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...

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908 Interventionen<br />

sprichst, können nur innerhalb einer offenen Diskussion unter Marxisten verhandelt<br />

werden. Sie existieren nicht außerhalb wissenschaftlicher und politischer Diskussionen.<br />

Es gibt keine vorgängige Marxismus-Garantie außerhalb jeder Auseinandersetzungen.<br />

Das bedeutet k<strong>eines</strong>wegs Beliebigkeit. Auf der Basis der Arbeiterklasse das Projekt <strong>eines</strong><br />

wissenschaftlichen Sozialismus verfolgen, sind m.E. unverzichtbare Grundorientierungen.<br />

Aber alle weitere Konkretion, ja selbst die Stellung des sozialistischen <strong>Projekts</strong> angesichts<br />

von Kriegsgefahr und drohender ökologischer Katastrophe, die Beziehung zum<br />

Kampf gegen die patriarchalische Frauenunterdrückung usw., wird ebenso in ständiger<br />

und umstrittener Veränderung sein wie die theoretischen Verallgemeinerungen.<br />

1.7 Die Frage nach der »lebendigen Seele« des Marxismus, das Aufbrechen der erstarrten<br />

Marxismussedimente ist <strong>für</strong> jede Generation eine neu sich stellende Aufgabe.<br />

1.8 Die Frage der Identität(en) des Marxismus entscheidet sich in den wirklichen Bewegungen<br />

und kann nicht am Schreibtisch von Theoretikern und nicht einmal in Parteivorständen<br />

entschieden werden.<br />

1.9. Thomas Metscher betont zu recht, daß keine Position von vorneherein »quasi automatisch<br />

irgendein Wahrheits- und Wertprivileg« banspruchen kann (Argument 146,<br />

599). Er hat aber unrecht, wenn er diese Selbstbescheidung mit dem Monopolanspruch<br />

verknüpft, nur seine eigne Position als Marxismus anerkannt zu bekommen, statt anzuerkennen,<br />

daß dies auch <strong>für</strong> unterschiedliche Formationen des Marxismus in ihrem Verhältnis<br />

untereinander gilt. Oder mit Metscher: »Welche Position im pluralen Spektrum<br />

konkurrierender Auffassungen zu einem bestimmten historischen Moment die<br />

'wahrere', 'bessere', adäquatere ist, hat sich allein durch die Praxis zu erweisen.« (Ebd.)<br />

Aber gegen Metscher: Dies gilt auch <strong>für</strong> unterschiedliche Positionen im Marxismus.<br />

1.91 Die Anerkennung der prinzipiellen Legitimität unterschiedlicher Ausprägungen<br />

des Weltmarxismus bedeutet k<strong>eines</strong>falls den Verzicht auf die Stringenz einer Formation<br />

oder auf den Wettstreit. Die Kriterien dieses Wettstreits hat Lessing seinem Nathan in<br />

den Mund gelegt (worauf Korsch 1930 hingewiesen hat). Wer ist der legitime Erbe? »Es<br />

strebe jeder von Euch um die Wette, / Die Kraft des Steins in seinem Ring an Tag / Zu<br />

legen!« Der Ring steht <strong>für</strong> die Aneignung des Erbes. Lessing gibt zu verstehen, daß es im<br />

Sinne dieser legitimierenden Instanz ist, »die Tyrannei des einen Rings nicht länger / ...<br />

dulden (zu) wollen!« Als <strong>eines</strong> der Kriterien im Wettstreit der rivalisierenden Brüder<br />

nennt er eine Art hegemonialer Überzeugungskraft: »Wen lieben zwei / Von Euch am<br />

meisten? - Macht, sagt an! Ihr schweigt? / Die Ringe wirken nur zurück? und nicht /<br />

Nach außen? Jeder liebt sich selber nur / Am meisten?«<br />

2. Wissenschaft<br />

2.1 Wissenschaftlicher Sozialismus bedingt ein dialektisches Verhältnis von unterschiedlichen<br />

Kräften und Praxisfeldern, z.B.: Parteipolitik, Gewerkschaften, Wissenschaft<br />

usw.<br />

2.2 Diese Ebenen dürfen nicht aufeinander reduziert werden.<br />

2.3 Spontan reduziert Ihr Wissenschaft auf Politik (das Lyssenko-Syndrom). Was Euer<br />

Parteivorstand nicht kontrolliert, kann keine marxistische Wissenschaft sein - und<br />

umgekehrt.<br />

2.4 Mit Marx ist daran festzuhalten: »Einen Menschen aber, der die Wissenschaft einem<br />

nicht aus ihr selbst (wie irrtümlich sie immer sein mag), sondern von außen, ihr<br />

fremden, äußerlichen Interessen entlehnten Standpunkt zu akkomodieren sucht, nenne<br />

ich 'gemein'.« (MEW 26.2, 112)1<br />

1 Vgl. meinen Versuch der Grundlegung einer <strong>Theorie</strong> wissenschaftlicher Parteilichkeit in: »Die Bedeutung<br />

von Standpunkt und sozialistischer Perspektive <strong>für</strong> die Kritik der politischen Ökonomie von Kar! \larx«.<br />

in: Das Arguemnr 74/1972,61-85 (wiederveröff. in Bestimmte Negation, Frankfurt/Ylain (ed. suhrkamp<br />

607) 1973.<br />

DAS ARGUMENT 148/1984

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