Fragen eines neuen linken Projekts - Instituts für kritische Theorie ...
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Ist ein Parteienbündnis ohne Vorherrschaft möglich? 859<br />
der letzten Bundestagswahl (in Argument 139) nennt Jäger die politische und<br />
wirtschaftliche Dezentralisierung als Feld möglicher Zusammenarbeit mit der<br />
CDU.<br />
Ich habe drei Einwände gegen diese Konzeption:<br />
1. Mögliche Bündnispartner: Ich wähle mir als Beispiel die <strong>für</strong> jede linke -<br />
und <strong>für</strong> jede ökologische - Politik zentrale Frage der Weltmarktorientierung<br />
der bundesdeutschen Wirtschaftspolitik. Eine ökologisch-sozialistische Politik<br />
müßte sich hier dem Versuch, mit einem <strong>neuen</strong> Exportboom die Umweltkatastrophen<br />
und die Arbeitslosigkeit in die Dritte Welt zu exportieren, entgegenstemmen<br />
(vgl. dazu Anderson u.a. in diesem Heft). Sie stünde damit im Gegensatz<br />
sowohl zur Mehrheit der CDU-Politiker als auch selbst zu der Linie in<br />
der SPD, die von Peter Glotz repräsentiert ist. Wo sind Bündnispartner in dieser<br />
Frage? Beim Bauernverband kaum; der Protektionismus der Bauern verträgt<br />
sich gut mit einer expansiven Strategie der nationalen Ökonomie. Der<br />
Ökonomismus der Mehrheit der SPD-orientierten Gewerkschaften auch,<br />
könnte man argumentieren. Das stimmt auch, was aber nichts daran ändert,<br />
daß Bündnispartner <strong>für</strong> eine Wirtschaftspolitik der internationalen Solidarität<br />
und der Naturverträglichkeit nur unter den <strong>linken</strong> Gewerkschaftern und in der<br />
SPD-Linken auszumachen sind. Vom Standpunkt einer antikapitalistischen<br />
Politik in der Frage kann daher nur an ein »rot-grünes« Bündnis gedacht werden.<br />
2. Der Faktor »Zeit« in der Politik: <strong>Fragen</strong> wie die der Wirtschaftspolitik<br />
können nur langfristig bearbeitet werden. Sollen antikapitalistische Positionen<br />
eine Chance zur Durchsetzung haben, muß hier eine dauerhafte Zusammenarbeit,<br />
ein langfristiges Streiten um Ziele und Wege in Gang gesetzt werden. Das<br />
wird nur gehen, wenn die gegenseitige Unterstützung der beteiligten Parteien<br />
bzw. Parteifraktionen sich nicht auf einen Punkt beschränkt, sondern wenn<br />
ein Netz von Politiken entsteht, in denen sich über einen längeren Zeitraum<br />
Übereinstimmungen durch Kontroversen hindurch bilden können.<br />
3. Politischer Zusammenhalt: Die Idee einer reinen »Sachpolitik« unterstellt,<br />
daß sich allein durch das Beharren auf der richtigen Sache eine Hegemonie<br />
(»dritter Block«) unbeschadet der Parteifeindschaft herstellen ließe. Das<br />
scheint mir eine Illusion zu sein. Parteilichkeit - in einem weiten Sinn von Zusammenhalt<br />
in einer politischen Kultur - ist doch nicht nur gleichsam eine<br />
»Falle«, die der Kapitalismus stellt, sondern auch eine politische Produktivkraft.<br />
Kann man wirklich davon ausgehen, daß der CDU-Arbeiter <strong>für</strong> eine antikapitalistische<br />
Politik dieselbe Bedeutung hat wie der linke Gewerkschafter,<br />
bloß weil beide Arbeiter sind und weil beide den Parteien des Zwei-Blöcke-Systems<br />
angehören? Das stimmt nur, wenn man glaubt, auf historisch gewachsene<br />
Zusammenhalte <strong>für</strong> eine neue politische Formation völlig verzichten zu<br />
können.<br />
Eine Zusammenarbeit in der Sache wird sich daher m<strong>eines</strong> Erachtens praktisch<br />
nur durchführen lassen, wenn wirklich ein neuer Block entsteht und nicht<br />
nur Rechts und Links »aufgelöst« werden. Ein antikapitalistischer politischer<br />
Block wird sich nur aus den Elementen bilden können, in denen antikapitalistische<br />
Politik heute schon eine Rolle spielt - und das sind nun einmal die politi-<br />
DAS ARGUMENT 148/1984 ©