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Entgiften-statt-vergiften - cyberwaves

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Vergiftet und vergessen<br />

entgiften <strong>statt</strong> <strong>vergiften</strong><br />

Es war einer dieser wunderschönen Sommertage in Bayern. Die Isarauen<br />

in München präsentierten sich von ihrer besten Seite. Das saftige Grün des<br />

Grases strotzte vor Kraft und das klare Wasser aus dem nahen Gebirge<br />

vermittelte jedem Wanderer die heile Welt, die auf den Plakaten des bayerischen<br />

Tourismusverbandes immer so attraktiv und bewundernswert dargestellt<br />

wurde. Schmetterlinge, Insekten und eine Unzahl Pollen von<br />

Bäumen, Gräsern und Blumen schwirrten durch die Luft. Kurz gesagt, es<br />

war ein Tag, an dem man am liebsten eine Decke, die Badehose und ein<br />

gutes Buch einpacken möchte, um dann im hohen Gras des Isarufers ein<br />

paar Stunden zu faulenzen.<br />

Doch heute war alles anders. Etwas Unfassbares und Unheimliches lag in<br />

der Luft. Man konnte es nicht riechen, nicht sehen, nicht hören und nicht<br />

auf der Haut spüren. Eigentlich konnte man es nur denken oder als das<br />

ungute Bauchgefühl wahrnehmen, das uns untrügerisch und doch nicht<br />

greifbar vor einer Gefahr warnt. Es war wie an einem Tag, an dem man die<br />

Nachricht erhalten hatte, dass ein guter Freund gestorben war. Die Welt<br />

sah aus wie immer und dennoch – etwas Einschneidendes war geschehen.<br />

Ein Ereignis, das die Welt für immer verändern würde. Gestern war der<br />

Reaktor in Tschernobyl explodiert.<br />

Meine Erinnerung an diesen Tag ist immer noch sehr lebhaft. Wie ich den<br />

Himmel absuchte, um diese ominöse, radioaktive Wolke zu entdecken, von<br />

der ich in den Nachrichten gehört hatte. Meinem damals fünfjährigen Sohn<br />

hielt ich davon ab, barfuss in die Wiese zu laufen. Ich war mir auch nicht<br />

mehr sicher, ob nicht das tiefe Einatmen allein schon schädlich wäre. Wie<br />

viele meiner Mitmenschen war ich tief verunsichert, wie man sich verhalten<br />

sollte, was man essen könnte, ohne Gefahr zu laufen, sich zu verstrahlen.<br />

Ich stellte mir wie viele Millionen anderer Menschen die Frage, was<br />

man angesichts dieser unheilschwangeren Situation tun und was man lassen<br />

sollte. Neue Worte machten die Runde und gehörten seitdem für einige<br />

Jahre zum allgemeinen Wortschatz: Halbwertszeiten, Becquerel,<br />

Geigerzähler, Caesium und Strontium. Die nächsten Wochen waren<br />

geprägt von Nachrichten und Diskussionen in den Medien, von Katastrophenszenarien<br />

und Beschwichtigungen sowie den üblichen politischen<br />

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