Energiekrise in Sicht - Sonnenzeitung
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COVERSTORY<br />
24<br />
Donald Gautier<br />
Wissenschafter<br />
am USGS<br />
© Total SA<br />
„Es wird ke<strong>in</strong> Öldorado unter dem Nordpol<br />
geben, was auch immer die Russen mit<br />
ihrer kle<strong>in</strong>en Fahne da draußen tun.“<br />
selbst bei e<strong>in</strong>em orbitant hohen<br />
Ölpreis – ist man weit entfernt. Auch<br />
beim Geologischen Dienst der USA<br />
(USGS) sprüht man nicht gerade vor<br />
Optimismus: Donald Gautier versucht<br />
mit Modellrechnungen, die Mengenvorkommen<br />
am nördlichen Ende der<br />
Welt zu errechnen. Zwar kommt er<br />
zum Ergebnis, dass <strong>in</strong> der Arktis bis<br />
zu 90 Milliarden Barrel unentdecktes<br />
Erdöl lagern dürften, das s<strong>in</strong>d 13 %<br />
der noch nicht gefundenen Weltvorkommen.<br />
Bei Gas dürften es 47,3 Billionen<br />
Kubikmeter plus 44 Milliarden<br />
Barrel Flüssiggas se<strong>in</strong>. Diese Zahlen<br />
mögen zwar <strong>in</strong> der Theorie bee<strong>in</strong>drucken.<br />
Die meisten Lagerstätten liegen<br />
offshore, also vor den Küsten. In Silicon<br />
Valley, wo das amerikanische Forschungs<strong>in</strong>stitut<br />
angesiedelt ist, laufen<br />
die Computer heiß. Man will wissen,<br />
wie lange die kalten Fundstellen <strong>in</strong><br />
der Lage se<strong>in</strong> könnten, das Ende des<br />
fossilen Zeitalters h<strong>in</strong>auszuzögern.<br />
Donald Gautier: „Ich war überrascht.<br />
Ich hatte eigentlich vermutet, dass<br />
die Zahlen höher liegen würden. Die<br />
Arktis wird niemals den Nahen Osten<br />
ersetzen können. Nordalaska wird<br />
niemals das Saudi Arabien der westlichen<br />
Welt werden.“ Auch für die<br />
Russen, die um ihren Besitzanspruch<br />
zu demonstrieren e<strong>in</strong> Fahne unter<br />
Wasser verankert haben, hat Gautier<br />
ke<strong>in</strong>e gute Nachricht: „Es wird ke<strong>in</strong><br />
Öldorado unter dem Nordpol geben,<br />
was auch immer die Russen mit ihrer<br />
kle<strong>in</strong>en Fahne da draußen tun.“<br />
Kaffeesud lesen<br />
Die hysterische Suche nach neuen<br />
Öl- und Gasquellen ist e<strong>in</strong> Wettlauf<br />
mit der Zeit, der mit e<strong>in</strong>er an Sicherheit<br />
grenzenden Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />
schon verloren ist. E<strong>in</strong>erseits, weil<br />
es die großen Reserven nicht gibt,<br />
anderseits, weil die kle<strong>in</strong>en Reserven<br />
weder rechtzeitig noch wirtschaftlich<br />
erschließbar s<strong>in</strong>d. Daher wird die<br />
gesamte Preisdiskussion um billige<br />
Energie zur Farce. Versorgungssicherheit<br />
und Preisstabilität können nur<br />
vor Ort nutzbare Primärenergieträger<br />
garantieren. Mit dieser These kann<br />
man nicht daneben liegen.<br />
Alle Ölpreisprognosen s<strong>in</strong>d derzeit<br />
Lesen im Kaffeesud. Auf den Punkt<br />
gebracht hat dies der Ökonomie-Professor<br />
an der University of California<br />
<strong>in</strong> San Diego <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er jüngst veröffentlichten<br />
Studie. Dar<strong>in</strong> erklärte der<br />
Wissenschafter: „Wer Anfang 2008<br />
– das Barrel kostete damals 115 Dollar<br />
– versucht hätte, aufgrund historischer<br />
Muster den Preis für das erste Quartal<br />
2009 zu prognostizieren, wäre zum<br />
Ergebnis gekommen, dass der Preis<br />
mit e<strong>in</strong>er Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit von 95<br />
Prozenten zwischen 62 und 212 Dollar<br />
liegen dürfte. Bereits hier ist das fünfprozentige<br />
Restrisiko e<strong>in</strong>getreten, er<br />
lag nämlich um 50 Dollar. E<strong>in</strong>e Vorausschau<br />
nach allen Regeln der Kunst hätte<br />
für den Ölpreis zu Beg<strong>in</strong>n des Jahres<br />
2012 mit ebenfalls 95-prozentiger<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong> Preisspektrum<br />
zwischen 34 Dollar und 391 Dollar pro<br />
Barrel ergeben.“ Für die Energiepolitik<br />
stellt sich die Frage, ob sie mit diesen<br />
Zahlen an die Versorgungssicherheit<br />
der Zukunft herangehen kann oder<br />
nicht doch gezwungen ist, tragfähigere<br />
Perspektiven zu entwickeln. Auch<br />
wenn die Hoffnung zuletzt stirbt, so<br />
gut wie nichts spricht dafür, dass das<br />
derzeitige fossile und atomare Energiesystem<br />
mit Hilfe von kosmetischen<br />
Verzierungen oder peripheren Stabilisierungsversuchen<br />
aufrecht erhalten<br />
werden kann. Die Welt steht vor e<strong>in</strong>er<br />
gigantischen Entscheidung, und die<br />
lautet: Aufbruch <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Erneuerbares<br />
Energiezeitalter.<br />
Die <strong>Energiekrise</strong><br />
wartet nicht,<br />
bis dass der<br />
letzte Tropfen Öl<br />
verbraucht ist. © shutterstock / Elnur