Energiekrise in Sicht - Sonnenzeitung
Energiekrise in Sicht - Sonnenzeitung
Energiekrise in Sicht - Sonnenzeitung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Hans Kronberger, langjähriger EU-<br />
Abgeordneter und Vizepräsident der<br />
„European Energy Foundation“, bezweifelt<br />
die Wirksamkeit von Unterschriftenaktionen:<br />
„Selbst wenn man<br />
<strong>in</strong> der Kommission mit e<strong>in</strong>er Million<br />
Unterschriften antanzt, kümmert das<br />
niemanden. Bei e<strong>in</strong> paar hunderttausend<br />
Umsteigern pro Mitgliedsland<br />
würde sich die Euroatomzentrale <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Bienenstock verwandeln. E<strong>in</strong><br />
Umsteiger zählt mehr als tausend<br />
Unterschriften.“<br />
Österreich als Feigenblatt<br />
Ähnlicher Me<strong>in</strong>ung ist auch der<br />
Generaldirektor des Naturhistorischen<br />
Museums Bernd Lötsch. Er ist Mitglied<br />
des Ende April gegründeten Personenkomitees<br />
für den Austritt aus<br />
EURATOM und plädiert dafür, sich als<br />
atomkritisches Land nicht länger als<br />
„grünes Feigenblatt“ missbrauchen<br />
zu lassen: „Jeglicher Versuch, den<br />
EURATOM-Vertrag zu reformieren, ist<br />
gescheitert. Es wäre gescheiter, wenn<br />
e<strong>in</strong>e isolierte Lobby unter sich wäre<br />
und man weiß, dass es e<strong>in</strong>e Pro-<br />
Atompartie ist. Das österreichische<br />
Beispiel könnte dazu führen, dass<br />
andere auch herausgehen.“ Lötsch<br />
gibt zu bedenken, dass EURATOM<br />
e<strong>in</strong>e Energieform vorantreibt, die <strong>in</strong><br />
Österreich per Gesetz verboten ist:<br />
„Es wäre ähnlich, wenn man Rauschgift<br />
verbietet, trotzdem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Rauschgiftklub mitmacht und sagt, es<br />
s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong> paar Ärzte dabei.“<br />
Doch e<strong>in</strong>es fehlt der Kampagne: Die<br />
Aufforderung an jeden E<strong>in</strong>zelnen, auf<br />
e<strong>in</strong>en Ökostromanbieter umzusteigen.<br />
Offizielle Begründung: „Um die<br />
L<strong>in</strong>ie nicht zu verwässern“, so Egger.<br />
Es solle nicht der E<strong>in</strong>druck erzeugt<br />
werden, dass der private Umstieg<br />
genüge und der EURATOM-Ausstieg<br />
dann nicht mehr wichtig wäre. Egger<br />
und Komiteemitglied Mathilde Halla<br />
beziehen ihren Strom privat beim<br />
Ökostromanbieter AAE. Auch Bernd<br />
Lötsch, der für se<strong>in</strong>en privaten Strombezug<br />
über Wienenergie von der<br />
<strong>Sonnenzeitung</strong> <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
kritisiert wurde, deutet e<strong>in</strong>en Umstieg<br />
auf Ökostrom an: „Beim Museum<br />
geht das nicht, da müsste ich aufgrund<br />
der Mehrkosten Leute entlassen.<br />
Für die Wohnung werde ich das<br />
noch e<strong>in</strong>mal prüfen. An den Kosten<br />
wird es sicher nicht scheitern.“<br />
SONNENZEITUNG 2/09<br />
„Verstehen wir nicht“<br />
Auch die etablierten Umweltschutzorganisationen<br />
wie Global 2000 oder<br />
Greenpeace bewerben schon lange<br />
nicht mehr offensiv den Umstieg auf<br />
Ökostrom-Anbieter. Vor wenigen<br />
Jahren war Global 2000 mit ihrem<br />
<strong>in</strong>ternationalen Netzwerk „Friends<br />
of the Earth“ an vorderster Front, als<br />
es darum g<strong>in</strong>g, EU-weit e<strong>in</strong>e Million<br />
Unterschriften gegen die Atomkraft<br />
zu sammeln. 2007 wurden Energiekommissar<br />
Andris Pieblags schließlich<br />
knapp über 630 000 Unterschriften<br />
übergeben, 121 525 stammten aus<br />
Österreich. Der Umstieg auf Ökostrom<br />
war auch damals ke<strong>in</strong> Thema.<br />
„Wir haben bei der Unterschriftensammlung<br />
nicht daran gedacht“,<br />
gesteht Lorenz. Während auf der<br />
Global-2000-Homepage für e<strong>in</strong>en<br />
Umstieg geworben wird, ist bei<br />
Greenpeace diesbezüglich nichts<br />
zu f<strong>in</strong>den. „Wir vermissen das und<br />
verstehen das nicht“, kommentiert<br />
Wilfried Klauss, Gründer des<br />
Ökostromanbieters Alpen Adria<br />
Energie (AAE), das Verhalten der<br />
Umweltorganisationen. Generell<br />
habe er das Gefühl, dass im H<strong>in</strong>blick<br />
auf e<strong>in</strong>en Ausstieg aus Atom und<br />
Fossil „momentan zu wenig Impuls<br />
da ist“. Nicht auszudenken, welchen<br />
Umbruch am Energiemarkt mehr als<br />
100 000 Umsteiger auf Ökostrom<br />
ausgelöst hätten – katastrophales<br />
Ökostromgesetz h<strong>in</strong> oder her.<br />
Tatsächlich s<strong>in</strong>d nur maximal 18 000<br />
Haushalte Kunden bei e<strong>in</strong>em der<br />
beiden Ökostromanbieter: knapp<br />
11 000 zählt die ökostrom AG, 7 000<br />
die AAE. Bei aktuell 3,6 Millionen<br />
Haushalten entspricht dies e<strong>in</strong>em<br />
verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>gen Anteil von<br />
0,5 %. Michael Pierer, Geschäftsführer<br />
der oekostrom AG, sieht e<strong>in</strong>en<br />
maßgeblichen Grund dafür <strong>in</strong> den<br />
RECS-Zertifikaten (Renewable Energy<br />
Certificate System). „Am Jahresende<br />
können Stromanbieter billig Zertifikate<br />
erwerben, etwa von isländischer<br />
oder norwegischer Wasserkraft, und<br />
damit virtuell Atomstrom gegen<br />
Wasserkraft tauschen.“ E<strong>in</strong> zusätzlicher<br />
Faktor für diese Diskrepanz<br />
zwischen gesagtem und gelebtem<br />
Engagement sei der Preis. „Hier wäre<br />
es s<strong>in</strong>nvoll den Ökostromzuschlag,<br />
der jedem Stromkunden verrechnet<br />
wird, bei re<strong>in</strong>en Ökostromangeboten<br />
© atomstopp oberösterreich<br />
endlich abzuschaffen und e<strong>in</strong> starkes<br />
Ökostromgesetz <strong>in</strong> Österreich zu<br />
etablieren“, lautet die Forderung.<br />
Die Kernbotschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Satz: E<strong>in</strong><br />
Atomstrom-Ausstieg lässt sich privat<br />
am e<strong>in</strong>fachsten bewerkstelligen: Mit<br />
dem Umstieg auf AAE oder oekostrom<br />
AG – den e<strong>in</strong>zigen Energieversorgern<br />
Österreichs, die ausschließlich<br />
Ökostrom vertreiben und auch nicht<br />
mit Atomstrom handeln. Wenn etablierte<br />
Energieversorger „Naturstrom-<br />
Produkte“ anbieten, so bedeutet das<br />
h<strong>in</strong>gegen meist ke<strong>in</strong>e neue, umweltfreundliche<br />
Ges<strong>in</strong>nung, sondern<br />
lediglich, dass die nicht umgestiegenen<br />
Kunden e<strong>in</strong>en höheren Anteil<br />
an fossil und atomar hergestellten<br />
Strom erhalten. Nichtregierungsorganisationen<br />
gehen – vor allem bed<strong>in</strong>gt<br />
durch den regen Stromhandel – von<br />
e<strong>in</strong>em Atomstromanteil von rund<br />
20 % <strong>in</strong> Österreich aus.<br />
atomstopp oberösterreich:<br />
www.atomkraftfrei-leben.at<br />
Initiative „Raus aus EURATOM“:<br />
www.raus-aus-euratom.at<br />
Global 2000: www.global2000.at<br />
Alpen Adria Energie:<br />
www.aae-energy.com<br />
oekostrom AG: www.oekostrom.at<br />
THEMA<br />
Personenkomitee<br />
zum EURATOM-<br />
Ausstieg (von<br />
li.: Roland Egger,<br />
Mathilde Halla,<br />
Peter Weihs,<br />
Friedrich<br />
Witzany)<br />
45