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St. Marien-Hospital Eickel KLINIK FÜR PSYCHIATRIE | PSYCHOTHERAPIE | PSYCHOSOMATIK<br />
Jeder Patient ist e<strong>in</strong>e Herausforderung<br />
(von Gabriele Heimeier/WAZ)<br />
Marien-Hospital setzt auf die offene, gewaltfreie<br />
Therapie - Positive Erwartungen erfüllen<br />
sich. Mitte der 70-er Jahre war die Idee noch<br />
geradezu revolutionär: e<strong>in</strong> psychiatrisches<br />
Krankenhaus ohne vergitterte Fenster, ohne<br />
verriegelte Türen, ohne Gewaltanwendung<br />
beim Patienten. Das St. Marien-Hospital <strong>in</strong><br />
Eickel hat diese Idee <strong>in</strong> die Tat umgesetzt und<br />
ist ihr bis heute treu geblieben - seit über<br />
25 Jahren.<br />
Die Psychologen Dr. Matthias Krisor, Detlef<br />
Steigauf und Willi Hamer haben während<br />
ihrer Ausbildung und <strong>in</strong> ihren ersten Berufsjahren<br />
Krankenhäuser kennen gelernt, die<br />
dem „klassischen" Bild der Psychiatrie entsprachen:<br />
"30 bis 40 Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em st<strong>in</strong>kenden<br />
Saal, Bett an Bett. Schrecklich", sagt<br />
Dr. Krisor, der das Marien-Hospital seit 1979<br />
leitet, heute noch entsetzt. Das Marien-<br />
Hospital ist seit se<strong>in</strong>er Umwandlung von<br />
e<strong>in</strong>em Allgeme<strong>in</strong>-Krankenhaus <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Kl<strong>in</strong>ik<br />
für Psychiatrie e<strong>in</strong>en anderen Weg gegangen.<br />
Ende der 70er Jahre kamen viele Krankenhäuser<br />
<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielle Schwierigkeiten, mussten<br />
schließen oder sich spezialisieren. Just zu dieser<br />
Zeit setzte die damalige sozialliberale<br />
Bundesregierung e<strong>in</strong>e Enquete e<strong>in</strong>, die sich<br />
mit der Situation der Psychiatrie ause<strong>in</strong>ander<br />
setzte und Perspektiven entwickelte. Geme<strong>in</strong>denah<br />
sollte die neue Psychiatrie se<strong>in</strong>,<br />
niederschwellig zugänglich, vernetzt mit<br />
anderen E<strong>in</strong>richtungen vor Ort und möglichst<br />
mit e<strong>in</strong>er Ambulanz ausgestattet.<br />
Von Anfang an hat sich das Marien-Hospital<br />
an diesem Modell beteiligt. Den Menschen <strong>in</strong><br />
den Mittelpunkt zu stellen, nicht se<strong>in</strong>e Krankheit,<br />
se<strong>in</strong>e Fähigkeiten zu fördern, ihn mit <strong>in</strong><br />
die Verantwortung zu nehmen, ist das Credo<br />
im Marien-Hospital. „Jeder Patient ist e<strong>in</strong>e<br />
Herausforderung, mit jedem muss man sich<br />
ganz <strong>in</strong>dividuell ause<strong>in</strong>andersetzen", erklärt<br />
Willi Hamer. Was <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie den Patienten,<br />
<strong>in</strong> zweiter aber auch den Behandelnden zugute<br />
kommt: Es schützt vor Rout<strong>in</strong>e, vor dem<br />
„Ausbrennen".<br />
Trotz oder gerade wegen der offenen Türen<br />
hat es gravierende und spektakuläre Zwischenfälle<br />
mit Patienten des Marien-Hospitals <strong>in</strong> all<br />
den Jahren nicht gegeben. „Das ist auch e<strong>in</strong>e<br />
Frage, wie man mit Menschen umgeht, was<br />
man <strong>in</strong> ihnen sieht", ist Dr. Krisor überzeugt.<br />
„Unsere positiven Erwartungen erfüllen sich."<br />
1.800 Aufnahmen gibt es jedes Jahr im<br />
<strong>Mediz<strong>in</strong></strong> <strong>in</strong> <strong>Herne</strong> | 50<br />
Marien-Hospital. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer<br />
liegt bei 26 Tagen, wobei es jedoch<br />
e<strong>in</strong>e große Bandbreite von wenigen Tagen bis<br />
zu Monaten gibt. Während die Zahl der Patienten,<br />
die an schweren Psychosen leiden auch<br />
Dank rechtzeitiger Früherkennung abnimmt,<br />
steigt die Zahl derer, bei denen „Substanzmissbrauch"<br />
mit Alkohol, Tabletten oder Drogen im<br />
Spiel ist: „Das ist bei etwa der Hälfte unserer<br />
Patienten <strong>in</strong>zwischen der Fall", berichtet Detlef<br />
Steigauf. Sorgen bereitet den Psychologen,<br />
dass die Krankenkassen auch bei den<br />
Suchtkranken sparen, nur noch die Kosten für<br />
maximal sieben Tage <strong>in</strong> der Kl<strong>in</strong>ik übernehmen.<br />
„In sieben Tagen ist nur e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Entgiftung<br />
möglich, ke<strong>in</strong>e Therapie", sagt Steigauf.<br />
Zu den Grundsätzen im Marien-Hospital gehört<br />
es auch, den Patienten Verantwortung zu übertragen.<br />
So zum Beispiel <strong>in</strong> den Delegiertenkonferenzen,<br />
bei denen sich Patientenvertreter<br />
jeden Montag treffen und besprechen, was gut<br />
und was schlecht läuft und dann auch selbstständig<br />
entsprechende Schritte e<strong>in</strong>leiten; oder<br />
bei den Atelier-Veranstaltungen zu den unterschiedlichsten<br />
Themen - e<strong>in</strong> Drittel der<br />
Referenten stammt aus Kreisen der Patienten.<br />
Viele von ihnen bleiben dem Marien-Hospital<br />
auch nach ihrer Entlassung als ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter verbunden. Neuen Projekten stehen<br />
die Ärzte immer noch aufgeschlossen<br />
gegenüber. So brauchen sich seit Frühjahr<br />
2000 kranke Mütter bei e<strong>in</strong>em stationären<br />
Aufenthalt nicht mehr von ihren K<strong>in</strong>dern zu<br />
trennen: Sie können sie mitbr<strong>in</strong>gen.<br />
Seit 1996 pilgert <strong>in</strong> jedem Jahr e<strong>in</strong>e Gruppe<br />
von Patienten und Betreuern e<strong>in</strong> Stück auf<br />
dem alten Jakobusweg Richtung Santiago de<br />
Compostella. E<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Fachwelt viel beachtetes<br />
Projekt, das nun aber durch f<strong>in</strong>anzielle<br />
Schwierigkeiten bedroht ist. Die Krankenkassen<br />
wollen für die Zeit der Wanderung ke<strong>in</strong><br />
Pflegegeld mehr zahlen, nach dem Motto: Wer<br />
wandern kann, ist auch gesund. „Dabei wird<br />
übersehen, dass unsere Patienten eben nicht<br />
fußkrank s<strong>in</strong>d, sondern andere, zum Teil sehr<br />
schwere Krankheiten haben", sagt Dr. Krisor.<br />
Und: „Die Behandlung der Patienten bei der<br />
Wanderung ist deutlich aufwendiger als die im<br />
Krankenhaus." Das nehmen die Ärzte jedoch<br />
gerne auf sich, weil die langfristigen Erfolge für<br />
sich sprechen. Und so wollen sie sich auch im<br />
nächsten Jahr wieder aufmachen, e<strong>in</strong> Stück<br />
des Weges geme<strong>in</strong>sam gehen - auch wenn es<br />
e<strong>in</strong>es Streits mit den Kassen bedarf.<br />
St. Marien-Hospital Eickel<br />
Kl<strong>in</strong>ik für Psychiatrie,<br />
Psychotherapie und Psychosomatik<br />
Das St. Marien-Hospital Eickel im <strong>Herne</strong>r<br />
Ortsteil Eickel ist e<strong>in</strong> freigeme<strong>in</strong>nütziges Krankenhaus<br />
<strong>in</strong> Trägerschaft der St. V<strong>in</strong>cenz<br />
gGmbH <strong>in</strong> <strong>Herne</strong>. Das über 100 Jahre alte<br />
Krankenhaus war bis 1977 e<strong>in</strong> Allgeme<strong>in</strong>krankenhaus.<br />
Ab 1977 wurde e<strong>in</strong> Psychiatrisches Therapiezentrum<br />
mit 135 vollstationären Betten und 15<br />
Tageskl<strong>in</strong>ikplätzen aufgebaut.<br />
In unserer Kl<strong>in</strong>ik für Psychiatrie, Psychotherapie<br />
und Psychosomatik, die seit 1980 die<br />
Pflichtversorgung für <strong>Herne</strong> übernommen hat,<br />
werden auf der Basis e<strong>in</strong>er richtungsweisend<br />
modernen Konzeption auf offenen Stationen<br />
alle psychiatrischen Erkrankungen behandelt.<br />
Dabei stellt das engagierte therapeutische<br />
Personal die Bedürfnisse der Patienten <strong>in</strong> den<br />
Mittelpunkt der ärztlichen und pflegerischen<br />
Bemühungen.<br />
Der Kl<strong>in</strong>ik s<strong>in</strong>d neben der Tageskl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>e<br />
<strong>Mediz<strong>in</strong></strong>ische Rehabilitationse<strong>in</strong>richtung für<br />
psychisch kranke Menschen mit 16 Plätzen,<br />
therapeutische Wohngruppen, e<strong>in</strong>e Institutsambulanz<br />
und der Krisendienst für die Stadt<br />
<strong>Herne</strong> angegliedert.<br />
Die Würdigung und Entwicklung der immer<br />
auch vorhandenen Stärken und Fähigkeiten<br />
der Patienten ist zentraler Bestandteil unserer<br />
ressourcenfördernden Psychotherapie. Das<br />
„Atelier“ ist der therapeutische Ort des kulturellen,<br />
musischen, religiösen, politischen etc.<br />
Austausches, wo der Patient se<strong>in</strong>e besonderen<br />
Interessen, Lebenserfahrungen, Hobbys<br />
usw. e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen kann.<br />
E<strong>in</strong> besonderes Atelierprojekt ist das schon<br />
zur Hälfte realisierte Vorhaben e<strong>in</strong>er Gruppe<br />
von Patienten <strong>in</strong> Begleitung e<strong>in</strong>es multiprofessionellen<br />
Teams, <strong>in</strong> jährlichen Etappen von 14<br />
Tagen von <strong>Herne</strong> bis Santiago de Compostela<br />
zu pilgern. Für dieses Projekt erhielt die Kl<strong>in</strong>ik<br />
den Schizophrenie-Preis des Arzneimittelherstellers<br />
Lilly (Lilly Schizophrenia Awards<br />
2002). In Anerkennung ihrer kreativen<br />
Weiterentwicklung sozial- und geme<strong>in</strong>depsychiatrischer<br />
Therapieangebote wurde die<br />
Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> die „Best of-Liste 2001“ der<br />
Zeitschrift „Focus“ aufgenommen.