60 spezial_OUTSOURCINGDas große MissverständnisKURSWECHSEL. Outsourcing ist mehr als „Mitarbeiterabbau“ und „Kostensenkung“.Wir zeigen, wie Sie es als Mittel zur Qualitätssteigerung nutzen können.Von Fred Marchlewski und Volker SchrankZugegeben, viele Outsourcing-Vorhaben,beson<strong>de</strong>rs im HR-Bereich,sind gescheitert. Doch diese Projektehatten alle einen Fehler:Fast ausschließliche Kostenfokussierung.Beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r ersten Outsourcing-Welle, die im HR-Bereich primär in <strong>de</strong>nUSA und Großbritannien stattfand, ginges um Kostenabbau. So wur<strong>de</strong> verlagert,was immer ein Partner zu nehmen bereitwar – die Diskussionen drehten sich umKosten anstatt Service Level Agreements(SLA) o<strong>de</strong>r kritische Verfügbarkeiten.Eine Einglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r outgesourctenHR-Serviceleistungen in die verbliebeneHR-Organisation fand nicht statt. Übergabepunkte,Prozessabstimmungen,funktio nale Führung <strong>de</strong>s Outsourcing-Partners wur<strong>de</strong>n nur mangelhaft berücksichtigt.Und die alte Binsenweisheit, dass„man bekommt, wofür man bezahlt“, hatsich bestätigt: Der Outsourcing-Partnerhat seine eigenen Kosten ebenfalls niedriggehalten. We<strong>de</strong>r er noch das outsourcen<strong>de</strong>Unternehmen haben notwendigeInvestitionen in ein verlässliches technologischesFundament (SAP, Anruf-Logger,Wissensdatenbank et cetera) getätigtund qualifizierte Mitarbeiter eingestellt.Ergebnis: Die outgesourcten Leistungenwur<strong>de</strong>n recht schnell wie<strong>de</strong>r zu hohenKosten inhouse geholt.Mittel zur QualitätssteigerungOutsourcing ist auf <strong>de</strong>r richtigen ökonomischenAnnahme entstan<strong>de</strong>n, dassSpezialisierung zu Kosten- und Qualitätsverbesserungführt. Und genau sosollte es auch diskutiert wer<strong>de</strong>n: AlsMittel, die Qualität <strong>de</strong>r HR-Leistungenzu verbessern.Kernaufgabe einer mo<strong>de</strong>rnen HR-Funktion ist das Zurverfügungstellenvon mo<strong>de</strong>rnen Personalmanagementinstrumentenfür das Management unddie Mitarbeiter sowie – beson<strong>de</strong>rs inDeutschland – die Zusammenarbeit mitWir folgen <strong>de</strong>r ökonomischenAnnahme, dassSpezialisierung zuKosten- und Qualitätsverbesserungführt.Und genau so sollteOutsourcing auchdiskutiert wer<strong>de</strong>n.<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Arbeitnehmervertretergruppen.Alles, was nicht direkt mitdieser Kernaufgabe in Verbindung steht,muss auf Wertbeitrag und Kosten hinterfragtwer<strong>de</strong>n. Insbeson<strong>de</strong>re administrativeAufgaben, die eine HR-Funktionleisten muss, bil<strong>de</strong>n keine Kernaufgabe,müssen aber qualitativ hochwertig(Stichwort: „Zero Defect“) erbracht wer<strong>de</strong>n.Dabei ist die Personaladministrationmit vielen manuellen Schritten undÜbergabepunkten fehleranfällig undbin<strong>de</strong>t so hohe Managementkapazität.Zu<strong>de</strong>m stellt beispielsweise die korrekteAbwicklung <strong>de</strong>r Payroll keinen wettbewerbsdifferenzieren<strong>de</strong>nAlleinstellungsfaktorzur Mitarbeitergewinnung o<strong>de</strong>r-bindung dar. Deshalb sollte und kannein darauf spezialisierter Anbieter einequalitativ hochwertigere Leistung zu geringerenKosten erbringen.Allein die Investitionen, die einigeUnternehmen in Aufbau und Pflege vontechnischen Lösungen stecken, sind imVergleich <strong>zum</strong> daraus generierten Wertbeitragfür das Unternehmen (Stichwort:ROI) hoch. Diese Investitionen sowie dieMitarbeiter- und Managementkapazität,die hier gebun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, stehen nichtmehr für werttreiben<strong>de</strong> HR-Leistungenwie etwa das Talentmanagement (TM)zur Verfügung.Allerdings erfor<strong>de</strong>rt eine Inanspruchnahmevon Outsourcing-Leistungenim Administrationsbereich auch eineStandardisierung von Leistungen. Outsourcingheißt, höhere Qualität zu integrierenund zu steuern. Für <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r HR-Leistung sollte es unerheblichsein, von wem er seine Leistung bezieht.Eine solche Betrachtung erfor<strong>de</strong>rt dieIntegration <strong>de</strong>s Outsourcing-Partners indie HR-end-to-end-Prozesse sowie eineintelligente Steuerung <strong>de</strong>s Partners nachSLA und kritischen Verfügbarkeitenund erst dann nach Kosten. Außer<strong>de</strong>mübernimmt <strong>de</strong>r Outsourcing-Partner Investitionenin die Zukunftssicherheit,nicht das Unternehmen selbst.Oft wird beim Thema Outsourcing dieDiskussion auch zu „digital“ geführt. Essollte nicht um das „Entwe<strong>de</strong>r-o<strong>de</strong>r“ gehen,son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n intelligenten Sourcing-Mix.Mo<strong>de</strong>rne HR-Architekturenverwen<strong>de</strong>n einen „Multi-Layer“-Ansatzpersonalmagazin 11 / 12
61Abgrenzung PraxisbeispielDer Weg <strong>zum</strong> partiellen OutsourcingStatt eines kompletten Outsourcings empfiehlt sich oft, nur Teilbereiche auszulagern.Um <strong>de</strong>n richtgen „Sourcing-Mix“ zu fin<strong>de</strong>n, hilft eine genaue Betrachtung <strong>de</strong>rAspekte Wertbeitrag und Wettbewerbsdifferenzierung.Beim Wertbeitrag stehen sich folgen<strong>de</strong> Fragen gegenüber:• Inhouse: HR-Services, die durch unternehmensspezifische Spezialisierung einen echtenWertbeitrag <strong>zum</strong> Markterfolg <strong>de</strong>s Unternehmens erbringen können.• Outsourcing: HR-Services, bei <strong>de</strong>nen durch Spezialisierung kein zusätzlicher Wertbeitraggeneriert wer<strong>de</strong>n kann (hochwertige Standardlösung reicht aus).Beim Aspekt <strong>de</strong>r Differenzierung gilt abzuwägen:• Inhouse: HR-Services, die be<strong>de</strong>utend vom Wettbewerber abgrenzen.• Outsourcing: HR-Services, die so hoch spezialisiert sind (<strong>zum</strong> Beispiel „High TouchRecruiting“), dass sie im eigenen Unternehmen nicht differenzierend erbracht wer<strong>de</strong>nkönnen.zur optimalen <strong>Bereit</strong>stellung von HRServices. Dieser „Multi-Layer“-Ansatzermöglicht hochgradige Spezialisierungbei gleichzeitiger Differenzierung undKosteneffizienz.Effizienz- und EffektivitätsgewinneEine sinnvolle Kombination von Outsourcing-und Inhouse-Lösungen führtzu Effizienzgewinnen durch Standardisierungund Automatisierung sowie <strong>de</strong>nEinsatz von Spezialisten; die Effektivitätwächst, in<strong>de</strong>m Inhouse-Kapazitäten fürHR-Kernaufgaben frei wer<strong>de</strong>n.Einen Standardisierungsvorteil hat<strong>de</strong>r Outsourcing-Partner insbeson<strong>de</strong>refür administrative HR-Leistungen, wie<strong>zum</strong> Beispiel <strong>de</strong>m „Master-Data-Management“:Er hat die Prozesse auf <strong>de</strong>r„grünen Wiese“ ohne Altlasten entworfenund durch „Operational-Excellence“-Metho<strong>de</strong>n weiter verfeinert.Die größten Effizienzgewinne <strong>de</strong>rAutomatisierung kommen von sogenanntenWorkflows, voll automatisierteProzesse, die nach einem festen Regelwerkohne manuelle HR-Eingriffe ablaufen.Ein Beispiel ist die Einmalzahlung:Über ein Manager-Self-Service-Portalkann eine Führungskraft eine solchefür einen Mitarbeiter beantragen. DasSystem prüft, ob alle Angaben vorhan<strong>de</strong>nund vollständig sind sowie obetwa die Höhe <strong>de</strong>r Zahlung mit <strong>de</strong>nUnternehmensricht linien vereinbarsind. Anschließend geht <strong>de</strong>r Antrag andie nächsthöhere Führungskraft. Wennalle Freigaben vorhan<strong>de</strong>n sind, wird dieZahlung automatisch ausgelöst. Die üblichenHR-Aufgaben <strong>de</strong>s Nachverfolgens,<strong>de</strong>r Richtlinienüberprüfung und <strong>de</strong>r Korrekturentfallen. Mit solchen Standardisierungensind Effizienzgewinne vonbis zu zehn Prozent möglich, Automatisierungund Konsolidierung (unter Einbeziehungeines Outsourcing-Partners)ermöglichen weitere 30 Prozent.Vereinfacht gesagt, setzt zeitgemäßesOutsourcing auf ein Baukastenprinzip,das Inhouse- und Outsourcing-Lösungenmiteinan<strong>de</strong>r kombiniert. Dabei unterschei<strong>de</strong>tman zwischen drei unterschiedlichenFormen <strong>de</strong>r Leistungserbringung:• On-shore – direkt im Unternehmen erbrachteLeistungen,• Near-shore – Outsourcing o<strong>de</strong>r Shared-Services in einem europäischen Land• Off-shore – Outsourcing o<strong>de</strong>r Shared-Services in einem Niedriglohnland.Erfolgsentschei<strong>de</strong>nd sind dabei dreiSchlüsselaspekte. Erstens, alle Servicessollten in eine HR-Funktion eingeglie<strong>de</strong>rtsein – für <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n darfes keinen Unterschied machen, vonwem er seine Leistung bezieht, es giltdas Prinzip „One face to the customer“.Zweitens, die strategische und operativeSteuerung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen HR-Dienstleister sollte aus <strong>de</strong>r HR-Abteilungheraus geschehen. Outsourcing ist Teil<strong>de</strong>r HR-Strategie, nur HR-Mitarbeiterhaben das entsprechen<strong>de</strong> Wissen, <strong>de</strong>nDienstleister auch zielgerichtet zu steuern.Drittens, wo möglich und sinnvoll,sollten die technologischen Voraussetzungenzur Automatisierung und Komplexitätsreduktiongeschaffen wer<strong>de</strong>n.Nutzung <strong>de</strong>r Vorteile <strong>de</strong>s OutsourcingsTeil-Outsourcing lässt die Vorteile <strong>de</strong>sOutsourcings nutzen, ohne die Nachteilein Kauf nehmen zu müssen. Durch <strong>de</strong>nEinsatz von HR-Administrationsspezialistenergibt sich eine kostengüns tige<strong>Bereit</strong>stellung von Low-Value-Add, abernotwendigen HR-Service wie die Entgeltabrechnungbei gleichzeitig qualitativhochwertiger Mitarbeiter-Schnittstelle(Mitarbeiter-CRM). Außer<strong>de</strong>m ermöglichtOutsourcing durch intelligentes Managementeine „atmen<strong>de</strong>“ Service-Fabrik, diesowohl mit <strong>de</strong>m Unternehmen wächstals auch schrumpft (Stichwort: „Pay peruse“). Es geht also nicht mehr um <strong>de</strong>nFünfjahresvertrag über alle HR-Services,son<strong>de</strong>rn um die zielgerichtete Wahl solcherServices, die die interne Qualität verbessernund Freiräume schaffen, ohne ineinem Korsett zu stecken.Auch Teil-Outsourcing für Business-Partner und „Centers of Expertise“-Auf gaben sollte geprüft wer<strong>de</strong>n.Sogenanntes „Co-Sourcing“ gilt als Alternativeim Wertschöpfungsbereich.Hierdurch können Auftragsspitzen o<strong>de</strong>rhoch spezifische Aufgaben, wie die Vorbereitungund Auswertung von Gehaltsstudienmit niedriger Häufigkeit o<strong>de</strong>rFrequenz, ökonomisch und qualitativhochwertig abge<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Die professionelleUnterstützung <strong>de</strong>s jährlichenStrategie- und Budgetprozesses gehörthier ebenso dazu wie <strong>de</strong>r Einsatz vonGrading-Spezialisten.Fred Marchlewskiist Geschäftsführer<strong>de</strong>s Bereichs Talent &Organisation bei Accenture.Volker Schrankist Senior Manager im BereichTalent & Organisation beiAccenture.11 / 12 personalmagazinBei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an katharina.schmitt@personalmagazin.<strong>de</strong>