64 Recht_UrteilsdienstUrteil <strong>de</strong>s monatsDie Lage <strong>de</strong>r Pausen kann flexibel angeordnet wer<strong>de</strong>nDie Frage, ob und zu welchen Zeiten ein Arbeitnehmerseine Arbeitspausen einlegen soll, istzunächst durch Auslegung <strong>de</strong>s Arbeitsvertragszu klären o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Bestimmungen einer Betriebsvereinbarungo<strong>de</strong>r eines einschlägigenTarifvertrags zu entnehmen. Darüber hinaussind die gesetzlichen Bestimmungen <strong>de</strong>s Arbeitszeitgesetzeszu beachten. Ergeben sichaus diesen vorrangigen Rechtsquellen keinebestimmbaren Zeiten, so kann <strong>de</strong>r Arbeitge-ber im Rahmen seines Direktionsrechts diePausen nach <strong>de</strong>n Vorgaben <strong>de</strong>s § 106 GewOnach billigem Ermessen, in unterschiedlicherWeise, die auch „ad hoc“ von Schicht zu Schichtwechseln kann, anordnen.Das Urteil beschäftigt sich mit <strong>de</strong>r Frage, ob ein Arbeitgeber auchim Hinblick auf betriebsspezifische Belange Arbeitspausen flexibelund einzelfallbezogen anordnen kann. Die im Streitfall gelten<strong>de</strong>Betriebsvereinbarung beinhaltete dazu folgen<strong>de</strong>n Passus: „DemMitarbeiter wer<strong>de</strong>n die gesetzlichen Ruhepausen (§ 4 ArbZG) ineinem Zeitkorridor zwischen Beginn <strong>de</strong>r zweiten Arbeitsstun<strong>de</strong>(frühester Beginn <strong>de</strong>r Ruhepause) und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r siebten Arbeitsstun<strong>de</strong>(spätestes En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ruhepause) durchgehend gewährt. Die Lage<strong>de</strong>r Ruhepause/n wird <strong>de</strong>m Mitarbeiter bei Beginn <strong>de</strong>r Schicht mitgeteilt.“Der Arbeitnehmer hat im Prozess die Auffassung vertreten,dass für diese „ad hoc“ verschobenen Pausen eine Vergütung aus<strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong>de</strong>s Annahmeverzugs zu zahlen sei. Es könnenicht angehen, dass er die zeitliche Lage einer Dienstunterbrechungerst frühestens zu Dienstbeginn erfahren könne. Das Arbeitsgerichthat zur Beantwortung dieser Frage, <strong>de</strong>n für das Direktionsrechtheranzuziehen<strong>de</strong>n § 106 GewO ausgelegt. Danach sei die Betriebsvereinbarungwirksame Grundlage dafür, dass es genüge, wenn zuBeginn <strong>de</strong>r Pause <strong>de</strong>ren konkrete zeitliche Dauer festgelegt wird, daein<strong>de</strong>utig geregelt sei, dass eine Verschiebung möglich sei. Messenlassen muss sich <strong>de</strong>r Arbeitgeber jedoch an <strong>de</strong>n Grundsätzen <strong>de</strong>sWann ist Pause? Dies ergibt sich nicht immer aus <strong>de</strong>m Arbeitsvertrag.billigen Ermessens (§ 106 GewO). Der Arbeitnehmer muss imProzess konkrete Umstän<strong>de</strong> darlegen und gegebenenfalls beweisen,die gegen die Wahrung billigen Ermessens sprechen.Quelle LAG Köln, Urteil vom 3.8.2012, 5 Sa 252/12Zum Thema ... Personalmagazin 6/2012, Seite 70BetriebsinhaberwechselZusammenfassung Der Abschluss eines Kooperationsvertragszwischen <strong>de</strong>m bisherigen Inhaber und einem späteren Betriebserwerberführt nicht notwendig zur rechtlichen Einordnung alsBetriebsübergang im Sinne <strong>de</strong>s § 613 a BGB.relevanz Das Urteil ist ein plastisches Beispiel dafür, dass bei <strong>de</strong>rFrage, ob ein Betriebsübergang vorliegt, stets zwischen s ogenanntenbetriebsmittelarmen und betriebsmittelgeprägten Betrieben unterschie<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>n muss. Wird eine betriebsmittelgeprägte Einstufungvorgenommen, so muss <strong>de</strong>r bisherige Betriebsinhaber um einenBetriebsübergang zu vermei<strong>de</strong>n, die Nutzung <strong>de</strong>r Betriebsmittel imBetrieb o<strong>de</strong>r Betriebsteil vor <strong>de</strong>r Übernahme einstellen.Quelle BAG, Urteil vom 27.9.2012, 8 AZR 826/11.Zum Thema ... Personalmagazin 5/2009, Seite 74MassenentlassungenZusammenfassung Beabsichtigt <strong>de</strong>r Arbeitgeber Massenentlassungen,hat er <strong>de</strong>n Betriebsrat schriftlich über die Grün<strong>de</strong> für diegeplanten Entlassungen zu unterrichten. Ist abgesichert, dass die Arbeitnehmervertretungdie Möglichkeit hat, konstruktive Vor schlägezu unterbreiten, um die Massenentlassungen zu verhin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>reinzuschränken, reicht es aus, wenn <strong>de</strong>r Arbeitgeber die von§ 17 KSchG gefor<strong>de</strong>rten Angaben in einem nicht unterzeichnetenText dokumentiert und diesen <strong>de</strong>m Betriebsrat zuleitet.relevanz Eine hilfreiche Einzelfallentscheidung <strong>de</strong>s BAG, die darüberhinweghilft, dass immer noch nicht höchstrichterlich geklärt ist,ob mit <strong>de</strong>r vorgeschriebenen Schriftform <strong>de</strong>r Mitteilung grundsätzlichdie strengen Anfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s § 126 BGB verbun<strong>de</strong>n sind.Quelle BAG, Urteil vom 20.9.2012, 6 AZR 155/11personalmagazin 11 / 12
65Wie<strong>de</strong>r eine AGB-FalleZusammenfassung Verfolgt <strong>de</strong>r Arbeitgeber mit einer Tantiemezahlung<strong>de</strong>n Zweck, die Leistung eines Arbeitnehmers im Bezugszeitraumzusätzlich zu vergüten, benachteiligt eine Klausel, die <strong>de</strong>nVerfall <strong>de</strong>s Anspruchs vorsieht, <strong>de</strong>n Arbeitnehmer unangemessenund ist unwirksam. Dies gilt auch, wenn die Tantieme nicht mehrals 25 Prozent <strong>de</strong>r Jahresvergütung beträgt.relevanz Zusätzlich zur AGB-Prüfung bemüht das LAG das BGB unddas Grundgesetz. Die Verfallklausel stehe im Wi<strong>de</strong>rspruch zu § 611Abs. 1 BGB, in <strong>de</strong>m sie erarbeiteten Lohn wie<strong>de</strong>r entziehe. Außer<strong>de</strong>mläge ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG vor.Quelle LAG Düsseldorf, Urteil vom 19.7.2012, 5 Sa 324/12Zum Thema ... Personalmagazin diese Ausgabe, Seite 72Än<strong>de</strong>rungskündigungZusammenfassung Auch eine or<strong>de</strong>ntliche verhaltensbedingteÄn<strong>de</strong>rungskündigung, die als Ergebnis <strong>de</strong>n Entzug einer Führungsstellungbeinhaltet, kann sozial ungerechtfertigt sein, wenn alsmil<strong>de</strong>res Mittel eine Abmahnung in Betracht kommt.relevanz Das Urteil zeigt, dass auch bei nachgewiesenen Verfehlungenim Führungsbereich und auch im Rahmen einer Än<strong>de</strong>rungskündigungstets vorrangig zu prüfen ist, ob <strong>de</strong>r Arbeitnehmer nichtzunächst für sein Verhalten hätte abgemahnt wer<strong>de</strong>n müssen. Wenn<strong>de</strong>r Arbeitgeber – wie im entschie<strong>de</strong>nen Fall – schon die Än<strong>de</strong>rungskündigungim Hinblick auf <strong>de</strong>n Einsatz eines mil<strong>de</strong>ren Mittelsgewählt habe, obwohl möglicherweise sogar die Voraussetzungeneiner außeror<strong>de</strong>ntlichen Kündigung vorgelegen haben, soll diesnach Ansicht <strong>de</strong>r Richter am Lan<strong>de</strong>sarbeitsgericht Nürnberg nichtentscheidungserheblich sein.Quelle LAG Nürnberg, Urteil vom 6.8.2012, 2 Sa 643/11Direktversicherung bei InsolvenzZusammenfassung Hat<strong>de</strong>r Arbeitgeber <strong>zum</strong> Zwecke<strong>de</strong>r betrieblichen Altersversorgungeine Direktversicherungabgeschlossenund <strong>de</strong>m Arbeitnehmer einbis <strong>zum</strong> Ablauf <strong>de</strong>r gesetzlichenUnverfallbarkeitsfristwi<strong>de</strong>rrufliches Bezugsrechteingeräumt, steht <strong>de</strong>m Arbeitnehmerin <strong>de</strong>r Insolvenz<strong>de</strong>s Arbeitgebers kein Ausson<strong>de</strong>rungsrechtnach§ 47 Insolvenzordnung (InsO)zu, wenn <strong>de</strong>r Insolvenzverwalterdas Bezugsrechtwirksam wi<strong>de</strong>rrufen hat.Eine Insolvenz kann für die Betriebsrente<strong>zum</strong> Problem wer<strong>de</strong>n.relevanz Das Urteil zeigt die Problematik, die betriebliche Altersversorgungenim Fall einer Insolvenz nach sich ziehen. Der Arbeitnehmermuss sich einen Wi<strong>de</strong>rruf durch <strong>de</strong>n Insolvenzverwaltergefallen lassen, da sich dieser allein nach <strong>de</strong>r versicherungsrechtlichenRechtslage zwischen Arbeitgeber und Versicherung, nichtnach <strong>de</strong>n arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmer richte. Dazu gibt das BAG noch einen praktischenHinweis: „Verstößt <strong>de</strong>r Insolvenzverwalter mit <strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rruf <strong>de</strong>sBezugsrechts gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, so kanndies grundsätzlich einen Scha<strong>de</strong>nsersatzanspruch <strong>de</strong>s Arbeitnehmersbegrün<strong>de</strong>n. Dieser ist jedoch we<strong>de</strong>r auf Erstattung <strong>de</strong>r Beiträgezur Direktversicherung noch auf Zahlung <strong>de</strong>s Rückkaufswertsgerichtet, son<strong>de</strong>rn auf Ausgleich <strong>de</strong>s Versorgungsscha<strong>de</strong>ns.“Quelle BAG, Urteil vom 18.9.2012, 3 AZR 176/10Zum Thema ... Personalmagazin 6/2012, Seite 70Betriebsvereinbarungen: Nur angeheftetes giltZusammenfassung Eine Regelung in einer Dienstvereinbarung,die auf eine nicht allgemein zugängliche, <strong>de</strong>m Beschäftigten auchnicht bekannt gemacht und auch <strong>de</strong>r Dienstvereinbarung nichtangeheftete an<strong>de</strong>re Vereinbarung Bezug nimmt, ist unwirksam.auf formale Aspekte zu achten. Zwar ist es durchaus möglichund zweckmäßig, sich in Betriebsvereinbarungen kurz zu haltenund statt<strong>de</strong>ssen auf Anlagen zu verweisen. Diese dürfen aberkeineswegs von <strong>de</strong>r eigentlichen Betriebsvereinbarung getrenntaufbewahrt wer<strong>de</strong>n. Auch die gleichzeitige Ablage in einemOrdner o<strong>de</strong>r die Verbindung mit einer Büroklammer reicht nichtaus. Vielmehr müssen die Anlagen mit <strong>de</strong>r von Arbeitgeber undBetriebsrat unterzeichneten Betriebsvereinbarung „fest verheftet“vorgehalten wer<strong>de</strong>n.relevanz Das Urteil betrifft zwar eine Dienstvereinbarung aus<strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>s Bayerischen Personalverwaltungsgesetzes, istaber wegen <strong>de</strong>s gleichlauten<strong>de</strong>n Schriftformerfor<strong>de</strong>rnisses vonBetriebsvereinbarungen nach <strong>de</strong>m Betriebsverfassungsgesetz vonallgemeiner und hoher praktischer Be<strong>de</strong>utung. Es zeigt, wie wichtiges ist, beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen genau auch Quelle LAG München, Urteil vom 31.7.2012, 6 Sa 1138/1111 / 12 personalmagazinBei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an thomas.muschiol@personalmagazin.<strong>de</strong>