1 GRUNDBEGRIFFE DER FINANZMATHEMATIK 6Dies ergibt den risikolosen Profit H 1 − H 2 > 0.Das Äquivalenzpr<strong>in</strong>zip ist das fundamentale Werkzeug zur Preisbestimmung von Derivaten:Stellt man aus den Basisgütern e<strong>in</strong>e Handelsstrategie zusammen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft denselbenWertverlauf wie das Derivat annimmt, so muß nach dem Äquivalenzpr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Preis desDerivates zum gegenwärtigen Zeitpunkt gleich dem gegenwärtigen Wert <strong>der</strong> Handelsstrategiese<strong>in</strong>. Diese Idee wird im nächsten Abschnitt ausführlich erörtert. Als weiteres Beispiel für dieAnwendung des Äquivalenzpr<strong>in</strong>zip br<strong>in</strong>gen wir die1.7 Put-Call-ParitätSeien C bzw. P die Preise e<strong>in</strong>er Call- bzw. Put-Option auf dasselbe Basisgut mit identischemBasispreis K und Verfallszeitpunkt T . Seien S 0 bzw. S T <strong>der</strong> gegenwärtige bzw. zukünftige Preisdes Basisgutes. Außerdem gebe es die Möglichkeit e<strong>in</strong>er risikolosen Kapitalanlage mit kont<strong>in</strong>uierlicherVerz<strong>in</strong>sung r, alsox EURO im Zeitpunkt 0 −→ e rT x EURO im Zeitpunkt T .Dann gilt:S 0 + P − C = Ke −rT .Begründung. Sei H die Handelsstrategie long Basisgut & long put & short call. Dann hat Hzum Zeitpunkt 0 den Wert S 0 + P − C. Der Wert zum Zeitpunkt T istS T + (K − S T ) + − (S T − K) + = K.Die Kapitalanlage mit Wert Ke −rT hat zum Zeitpunkt T ebenfalls den Wert K, also folgt dieBehauptung aus dem Äquivalenzpr<strong>in</strong>zip.Die Put-Call-Parität ist auch aus technischen Gründen hilfreich, da die Auszahlungsfunktionx ↦→ (K − x) + <strong>der</strong> Put-Option beschränkt ist im Gegensatz zur Auszahlungsfunktion x ↦→(x − K) + <strong>der</strong> Call-Option.
2 DAS BLACK-SCHOLES MODELL 72 Das Black-Scholes Modell2.1 E<strong>in</strong>führung des ModellsBei dem Black-Scholes-Modell handelt es sich um e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierliches F<strong>in</strong>anzmarktmodell mitendlichem Zeithorizont T ∈ R >0 für zwei Basisf<strong>in</strong>anzgüter, nämlich e<strong>in</strong>er festverz<strong>in</strong>slichen Wertanlageund e<strong>in</strong>er Aktie.F<strong>in</strong>anzgut 1 Hierbei handelt es sich um e<strong>in</strong>e festverz<strong>in</strong>sliche Wertanlage mit konstantem Z<strong>in</strong>ssatzr ∈ R >0 . Der Wert zum Zeitpunkt t ∈ [0, T ] werde mit R t bezeichnet, wobei zum Zeitpunktt = 0 <strong>der</strong> Wert R 0 = 1 angenommen wird. Die Annahme e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen Verz<strong>in</strong>sung ergibtR t = e rt . 1 Damit erfüllt R die Differentialgleichung R ′ = rR, <strong>in</strong> differentieller Schreibweise:dR tR t= r dt. (2.1)Gleichung (2.1) besagt, daß die relative Än<strong>der</strong>ung von R t die konstante Rate r besitzt.F<strong>in</strong>anzgut 2 Hierbei handelt es sich um e<strong>in</strong>e Aktie. Der Wert zum Zeitpunkt t ∈ [0, T ] wirdals zufällig angenommen, also dargestellt durch e<strong>in</strong>e Zufallsgröße S t . Genauer ist (Ω, A, P ) e<strong>in</strong>Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsraum undS : [0, T ] × Ω → R, (t, ω) ↦→ S t (ω)e<strong>in</strong>e meßbare Funktion. Es wird angenommen, daß sich die relative Än<strong>der</strong>ung von S t <strong>in</strong> Analogiezu (2.1) aus e<strong>in</strong>em determ<strong>in</strong>istischen Anteil (Trend) und e<strong>in</strong>er stochastischen Komponente(Schwankung) zusammensetzt:dS tS t= µ dt + σ dW t , (2.2)mit µ, σ ∈ R >0 . µ heißt <strong>der</strong> Drift und σ die Volatilität <strong>der</strong> Aktie. ”dW t “beschreibe <strong>in</strong> geeigneterWeise die stochastische Komponente. Dies soll <strong>in</strong> den folgenden Abschnitten näher beschriebenwerden.Grafik e<strong>in</strong>fügen: Aktienkurs.2.2 Der WienerprozeßDef<strong>in</strong>ition 2.1 (Wienerprozeß). E<strong>in</strong>e Familie (W t ) t∈R≥0 von Zufallsgrößen auf e<strong>in</strong>em Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsraum(Ω, A, P ) heißt Wienerprozeß (o<strong>der</strong> auch Brownsche Bewegung), falls gilt:(i) W 0 = 0,(ii) Für alle s, t ∈ R ≥0 mit s < t ist W t − W s stochastisch unabhängig von W r für alle r ∈ [0, s]und N(0, t − s)-verteilt,(iii) W besitzt stetige Pfade, das heißt, für alle ω ∈ Ω ist die Funktion W·(ω) : R ≥0 → R, t ↦→W t (ω) stetig.1 Dies kommt folgen<strong>der</strong>maßen zustande: Wird bis zum Zeitpunkt t > 0 genau n-mal die Verz<strong>in</strong>sung nachgleichen Zeiträumen ausgezahlt, so ergibt sich durch Z<strong>in</strong>sesz<strong>in</strong>s <strong>der</strong> Wert (1 + rtn )n . Im Fall e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichenVerz<strong>in</strong>sung nimmt man n → ∞ an, damit konvergiert dieser Ausdruck gegen e rt .