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Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

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In den letzten Jahren hat es in <strong>der</strong> psychiatrischen Literatur vermehrt Bemühungen gegeben,<br />

geschlechtsspezifische, psychopathologische Unterschiede depressiver Störungen zu beschreiben. Aus<br />

ethnologischen Untersuchungen sind beim Zusammenbruch des erlernten Verhaltensrepertoires unter<br />

Belastung zwei prototypische Reaktionsmuster bekannt: <strong>der</strong> „Totstellreflex“, <strong>der</strong> in gewisser Weise dem<br />

typischen depressiven Syndrom von Frauen <strong>und</strong> das „Kampf- <strong>und</strong> Fluchtverhalten“, welches <strong>der</strong> typischen<br />

depressiven Reaktionsweise von Männern zugeordnet werden kann.<br />

Ausgangspunkt für entsprechende Forschung war u.a. die in epidemiologischen Studien beschriebene<br />

höhere Morbidität an Depressionen bei Frauen. Zum Teil könnten diese Prävalenzunterschiede auf ein<br />

unterschiedliches Hilfesuch- <strong>und</strong> Inanspruchnahmeverhalten des Ges<strong>und</strong>heitssystems von Männern<br />

zurückzuführen zu sein. Männer suchen bedeutend später die Hilfe von Ärzten auf, oft erst beim Vorliegen<br />

von ges<strong>und</strong>heitlichen Spätfolgen von Rauchen, Alkoholmissbrauch <strong>und</strong> „koronarschädlichem Verhalten“.<br />

Darüber hinaus scheinen die für die männliche Depression typischen Symptome in den gängigen<br />

diagnostischen Manualen nicht auf, sodass depressive Syndrome bei Männern wahrscheinlich vielfach<br />

unterdiagnostiziert sind.<br />

Mögliche Ursachen <strong>der</strong> geringeren Prävalenz von Depressionen bei Männern<br />

Unterschiedliche Symptomatik<br />

Differentes Symptomberichtverhalten<br />

Geringeres Hilfesuchverhalten bei Männern<br />

Komorbidität beim Mann (z. B. Alkoholabhängigkeit) maskiert Depression<br />

Unterschiedliche kognitiv-emotionale Verarbeitungsstile (Überwiegen von Introjektion bei Frauen,<br />

Projektion bei Männern; Männer verdrängen Probleme)<br />

Verzerrte Selbstbeurteilung aufgr<strong>und</strong> von geschlechtsstereotypischer Wahrnehmungsmuster<br />

Methodische Probleme epidemiologischer Studien z. B. bezüglich <strong>der</strong> verwendeten<br />

Diagnoseinstrumente<br />

Die Ergebnisse des Suizidpräventionsprogrammes auf <strong>der</strong> schwedischen Insel Gotland in den 80er Jahren<br />

<strong>und</strong> die entsprechenden Nachuntersuchungen von W. Rutz in den 90er Jahren lieferten eine eindrucksvolle<br />

Bestätigung für die Hypothese eines Geschlechtsdimorphismus bei depressiven Störungen: Gotland wies in<br />

den 70er Jahren eine <strong>der</strong> höchsten Suizidraten Schwedens auf. Eine systematische Schulung lokaler<br />

ÄrztInnen für Allgemeinmedizin konnte die Zahl <strong>der</strong> Suizide um r<strong>und</strong> zwei Drittel senken. Es war auffallend,<br />

dass die Suizidrate bei Frauen um r<strong>und</strong> 90% sank, die <strong>der</strong> Männer jedoch nahezu unverän<strong>der</strong>t blieb. Gr<strong>und</strong><br />

dafür war, dass die männliche Depression mit ihrem charakteristischen Beschwerdemuster durch dieses<br />

Präventionsprogramm nicht erfasst wurde. Erst als spezifische Strategien zur Behandlung <strong>der</strong><br />

Männerdepression entwickelt wurden, kam es ebenfalls zu einem Absinken <strong>der</strong> Suizidrate bei Männern.<br />

Klinisches Bild<br />

Die Kernsymptome <strong>und</strong> <strong>der</strong> durchschnittliche Schweregrad einer Depression sind bei Männern <strong>und</strong> Frauen<br />

ähnlich. Die Kernsymptome nach ICD-10 wie depressive Stimmungslage, Antriebsvermin<strong>der</strong>ung,<br />

depressive Kognitionen, Schlafstörungen etc. kommen bei beiden Geschlechtern gleichermaßen vor.<br />

Frauen berichten aber signifikant häufiger über sogenannte „atypische“ vegetative Symptome wie z. B.<br />

einen gesteigerten Appetit mit Zunahme des Körpergewichtes, sowie ängstliche Symptomatik <strong>und</strong> eine<br />

somatische Symptombildung. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass bei Männern häufiger Symptome wie<br />

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