02.12.2012 Aufrufe

Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Leibbetontes Freuen aber wirkt auf das Bewusstsein zurück, prägt das Bild vom Erlebten <strong>und</strong> insofern die<br />

späterhin abrufbaren Erinnerungen.<br />

Emotionale Kompetenz besteht darin, eigenes Handeln auch dann positiv bewerten zu können, wenn die<br />

Bew<strong>und</strong>erung an<strong>der</strong>er ausbleibt. Dazu gehört die Bereitschaft <strong>und</strong> Fähigkeit, Freude über den subjektiven<br />

Erfolg für an<strong>der</strong>e sichtbar zu artikulieren.<br />

Zentral für die Herstellung von emotionaler Kompetenz ist <strong>der</strong> Aufbau einer Fertigkeit, Gefühle<br />

versprachlichen zu können. Männersprache sieht die Formulierung <strong>der</strong> eigenen Emotionalität im Prinzip<br />

nicht vor - <strong>und</strong> wenn, dann nur im Zusammenhang mit Begeisterung (Fußball) o<strong>der</strong> Wut (Vorgesetzte).<br />

Wenn darüber hinaus Emotionen benannt werden, dann in <strong>der</strong> Regel als Themen, die bereits vergangen<br />

sind.<br />

Männersprache ist Herrschaftssprache - das gilt nach wie vor - auch in unseren mo<strong>der</strong>nen, aufgeklärten<br />

Gesellschaften. Ein Bef<strong>und</strong>, <strong>der</strong> zwar auf <strong>der</strong> einen Seite für die Angehörigen dieses Geschlechts<br />

verlockend ist, weil sie quasi von Geburt an über ein Entreebillet für die umschlossene Welt <strong>der</strong><br />

Herrschaftspositionen zu verfügen scheinen, eine Feststellung, die in ihren Auswirkungen aber auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite den Zugang zu neuen Sprach-, Sprech- <strong>und</strong> Erfahrungswelten verhin<strong>der</strong>t. Zum Beispiel muss<br />

Herrschaftssprache so angelegt sein, dass sie die Schwächen des Sprechers weitgehend tabuisiert. Denn<br />

Herrschaft braucht implizit wie explizit das ‘Ja’ <strong>der</strong> Beherrschten. Schwächen <strong>der</strong> Herrscher könnten<br />

dieses ‘Ja’ womöglich in Frage stellen<br />

Emotionales Erleben ist, auch sozialisationsbezogen betrachtet, eng mit kognitiver <strong>und</strong> sprachlicher<br />

Entwicklung verknüpft: Je <strong>und</strong>ifferenzierter zumal die Sprechentwicklung in <strong>der</strong> Kindheit <strong>und</strong> Jugend war,<br />

umso weniger differenziert gestaltet sich das emotionale Erleben <strong>der</strong> Jugendlichen <strong>und</strong> Erwachsenen. Die<br />

Artikulationsweise <strong>der</strong> männlichen Jugendlichen in unseren Gesellschaften (geschult an entsprechenden<br />

Vorbil<strong>der</strong>n in Medien <strong>und</strong> Literatur) lässt im Gegensatz zu jener <strong>der</strong> Mädchen eine deutliche Affinität für die<br />

wortarmen Typen erkennen 47 , mithin wenig Neigung zu einer Kultivierung von ausdifferenziertem<br />

Sprechen. Es ist zu vermuten, dass es von daher schon den Jungen <strong>und</strong> späteren Männern vergleichsweise<br />

schwer fällt, einen reflektierten Bezug zu den eigenen Gefühlen herzustellen.<br />

Emotionale Kompetenz aber ist Bedingung wie Folge von Versprachlichungsfähigkeit: Wer in <strong>der</strong> Lage ist,<br />

Empfindungen zu benennen, kann ihnen quasi einen Namen geben <strong>und</strong> erkennt sie wie<strong>der</strong>. Neue, bisher<br />

unbekannte Gefühle werden an an<strong>der</strong>e bereits bekannte angeschlossen, das Gefühlsspektrum wird dadurch<br />

immer breiter. Je reicher <strong>und</strong> differenzierter das Gefühlsleben jedoch wahrgenommen wird, desto mehr<br />

wächst das Bedürfnis, diese Differenziertheit auch verbal zu artikulieren.<br />

Die Fähigkeit, Gefühle versprachlichen zu können, nimmt zum an<strong>der</strong>en auch <strong>der</strong> oft verwirrenden Diffusion<br />

des Gefühls seine Bedrohlichkeit. Versprachlichte Gefühle sind eher „handhabbar“ <strong>und</strong> von daher weniger<br />

gefährlich für die Männerges<strong>und</strong>heit.<br />

Poetisch-lyrische Sprache zumal ist es (Gedichte, Lie<strong>der</strong>, Songs), die den Ausdruck männlicher<br />

Emotionalität im Sinne erhöhter Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Lebensqualität zu ergänzen <strong>und</strong> zu bereichern<br />

vermag. Mythologie zum an<strong>der</strong>en „als lebendige Struktur <strong>der</strong> Emotionen“ (R.C. Solomon) schlägt sich<br />

in Religion, Sitte <strong>und</strong> Kunst, demnach in weiteren wichtigen <strong>und</strong> ausdifferenzierten Symbolsprachen,<br />

nie<strong>der</strong>. Deshalb auch lohnt es sich, religiöse Erzählungen (etwa die Offenbarung des Johannes im Neuen<br />

Testament) <strong>und</strong> künstlerische Texte (etwa die Naturlyrik <strong>der</strong> deutschen Romantik) nicht nur einer<br />

analytischen, son<strong>der</strong>n vorrangig einer aneignenden Betrachtung zu unterziehen. Was die Sitten im Umgang<br />

47 vgl. Böhnisch/Winter 1994, Müller-Commichau 1998<br />

Seite 66

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!