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Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

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Männliche Bedürftigkeit <strong>und</strong> Gewalt – Ein psychodynamisches Modell“<br />

Prof. Dr. rer. soc. habil. Lothar Böhnisch<br />

Wir haben uns lange dagegen gewehrt, dass Gewalt in unserem Alltag so präsent ist wie sie heute<br />

wie<strong>der</strong>holt <strong>und</strong> inzwischen vorhersehbar auftritt. Wir erschrecken, dass sich viele Täter ihrer Gewalt nicht<br />

schämen, die Verachtung, das Stigma nicht fürchten, son<strong>der</strong>n es geradezu suchen. „Stigmaaktivisten“<br />

könnte man sie nennen, die ihre Taten selbstgefällig <strong>und</strong> provokativ vor sich hertragen. Die Angst <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Abscheu, die man ihnen entgegenbringt, scheinen ihnen kaum etwas anzuhaben, sie sehen darin eher die<br />

Aufmerksamkeit, die sie auslösen. Es sind junge Männer vornehmlich zwischen 18 <strong>und</strong> 35 Jahren, die sich<br />

gegen Auslän<strong>der</strong>, als Hooligans in den Stadien o<strong>der</strong> zu rechtsradikalen Anlässen zusammenrotten. Manche<br />

von ihnen sind überzeugt, dass sie - stellvertretend für viele Sympathisanten hinter den Gardinen - handeln<br />

<strong>und</strong> treten entsprechend selbstbewusst, gleichsam als krude nationalistische Ordnungsmacht auf. An<strong>der</strong>e<br />

lassen sich mittragen, suchen nicht nur den körperlichen Kick, son<strong>der</strong>n auch das soziale Erfolgserlebnis: Die<br />

Teilnahme an <strong>der</strong> Gewaltszenerie ist für sie zur einzigen Gelegenheit geworden, sozial zu zeigen, dass sie da<br />

sind, zu zeigen, wer sie sind.<br />

So schwer es auch fällt, hinter diesen Gewalttaten an<strong>der</strong>e Motive zu sehen, die von <strong>der</strong> Gewalt ablenken,<br />

ist die Person von <strong>der</strong> Tat abspalten <strong>und</strong> die Persönlichkeit des Täters suchen. Dieser Vorgang des<br />

Verstehens ist so wichtig (was beileibe nicht heißt, die Tat zu akzeptieren), um den Zusammenhang<br />

zwischen <strong>der</strong> Befindlichkeit dieser jungen Männer <strong>und</strong> ihren Taten herstellen zu können. Gewalt ist für sie –<br />

unbewusst – das extreme Mittel, Selbstwert zu erlangen, aus Verhältnissen herauszutreten, in denen sie<br />

sozial zurückgewiesen sind <strong>und</strong> die Orientierung verloren haben. Jemanden zusammenschlagen vermittelt –<br />

zumindest in <strong>der</strong> „Gewaltsek<strong>und</strong>e“ – das Gefühl, oben zu sein, zu wissen, wo es langgeht, sich Macht zu<br />

holen, die einem sonst verwehrt wird. Gewalt ist in diesem Deutungszusammenhang das extremste Mittel,<br />

Probleme von innen nach außen zu kehren, sie gegen an<strong>der</strong>e zu richten – die Dimension <strong>der</strong> männlichen<br />

Externalisierung scheint als geschlechtstypisches Bewältigungsmuster durch.<br />

Neben <strong>der</strong> öffentlich sichtbaren Gewalt gibt es auch die männliche Gewalt im Verborgenen. Männer, die in<br />

Familien schlagen, Frauen <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong> zwingen, ihnen zu Willen zu sein. Es sind Männer dabei, die selbst<br />

fassungslos sind, über das, was sie angerichtet haben, wenn das häusliche <strong>und</strong> nachbarliche Schweigen<br />

gebrochen <strong>und</strong> das Ausmaß <strong>der</strong> Familienkatastrophe sichtbar wird. Sie lieben doch ihre Frau <strong>und</strong> ihre<br />

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