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Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

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Die Wirkung <strong>der</strong> Geschlechterklischees macht selbst vor <strong>der</strong> Männerges<strong>und</strong>heitsforschung nicht halt 90 . In<br />

diesem Zusammenhang erscheint <strong>der</strong> Hinweis von Hurrelmann <strong>und</strong> Kolip in neuem Licht, <strong>der</strong> besagt, dass<br />

die bisherige Ges<strong>und</strong>heitsforschung männerlastig war <strong>und</strong> das biologische <strong>und</strong> soziale Geschlecht als<br />

bedeutsamen Faktor in <strong>der</strong> Untersuchung von Bedingungen des Ges<strong>und</strong>heitsverhaltens <strong>und</strong> <strong>der</strong> Strukturen<br />

<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsversorgung ignoriert habe. „Durch den impliziten Androzentrismus, also die Annahme einer<br />

männlichen Sichtweise als Standard für Studienergebnisse, methodische Anlage <strong>und</strong> Interpretation entsteht<br />

noch keine Männerges<strong>und</strong>heitsforschung, die die spezifischen Ges<strong>und</strong>heitsprobleme von Männern sensibel<br />

<strong>und</strong> profiliert herausarbeitet. Im Gegenteil, durch eine unbewusst parteiliche Forschung wird gerade <strong>der</strong><br />

Blick auf die Beson<strong>der</strong>heiten des männlichen Geschlechts im Umgang mit Körper <strong>und</strong> Psyche <strong>und</strong> bei <strong>der</strong><br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit sozialen <strong>und</strong> physischen Umweltbedingungen verstellt.“ (Kolip, Hurrelmann, 2002,<br />

S.16). Dieser Hinweis ist zu verbinden mit dem Wirken des kulturellen Systems <strong>der</strong> Zweigeschlechtlichkeit<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> daraus sich ergebenden Geschlechterstereotypisierungen, in dem die Verletzlichkeit als weiblich<br />

konnotiert phantasiert wird, während die Verletzlichkeit von Männern hinter vermeintlich „männlicher<br />

Stärke“ verschwindet. Die Folge ist, dass <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen Männerges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Gewalt<br />

bisher noch nicht in den Blick <strong>der</strong> bisherigen Ges<strong>und</strong>heitsforschung gerückt ist.<br />

Der Diskurs um Männerges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Ringen darum, was darunter zu verstehen ist, stehen erst am<br />

Beginn. In diesem Kontext will <strong>der</strong> folgende Beitrag für einen wichtigen Risikobereich von<br />

Männerges<strong>und</strong>heit sensibilisieren. Damit soll letztlich das Bewusstwerden eines sozialen Problemfelds<br />

gestärkt werden, dessen Relevanz bislang we<strong>der</strong> gesellschaftlich, politisch noch ges<strong>und</strong>heitsforscherisch<br />

auch nur in Ansätzen ermessen wird.<br />

Hierfür wird im ersten Teil ein Versuch unternommen, einen Überblick über die Formen <strong>der</strong> Gewalt gegen<br />

Jungen <strong>und</strong> Männer zu geben, um im nächsten Schritt zu beschreiben, welche - oft verborgenen -<br />

ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen Gewalt gegen Jungen <strong>und</strong> Männer hat. Im nächsten Schritt wird die Hypothese <strong>der</strong><br />

kulturellen Verdrängung <strong>der</strong> Gewalt gegen Jungen <strong>und</strong> Männer vorgestellt, um den unzureichenden Umgang<br />

des Ges<strong>und</strong>heitssystems <strong>und</strong> <strong>der</strong> professionellen Helfer mit dem Phänomen Gewalt gegen Jungen <strong>und</strong><br />

Männer zu erklären. Der Artikel schließt mit einem Ausblick auf weitere Perspektiven für dieses<br />

Problemfeld ab.<br />

Geschlechtsspezifische Zumutungen: Gewaltübergriffe gegen Männer<br />

Schwierige Datenlage – eingeschränkte Wahrnehmung<br />

Gewalt gegen Männer ist ein weit verbreitetes <strong>und</strong> ein zugleich kulturell weitgehend ignoriertes Phänomen.<br />

Es wird weitgehend tabuisiert <strong>und</strong> nicht als soziales Problem wahrgenommen. Die unzureichende Datenlage<br />

ist ein gesellschaftsstruktureller Ausdruck <strong>der</strong> diesbezüglich völlig unzureichenden Forschungsbemühungen<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> kulturellen Verdrängung des Problems. Es gibt we<strong>der</strong> originäre Empirie noch eine Theoriebildung<br />

dazu.<br />

Die einzigen verlässlichen Zahlen bietet die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Diese wird aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Strafgesetze in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland in Form <strong>der</strong> polizeilichen Strafverfolgungsstatistik des<br />

B<strong>und</strong>eskriminalamtes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Strafvollzugsstatistik des Statistischen B<strong>und</strong>esamtes erstellt. Datenerhebung,<br />

Dunkelfeldforschung <strong>und</strong> die Aussagekraft von Kriminalstatistiken sind jedoch nicht unproblematisch, weil<br />

die PKS eine Verdachtsstatistik ist: „Die Zahlen sind das Ergebnis eines institutionalisierten Prozesses <strong>der</strong><br />

Wahrnehmung, Interpretation <strong>und</strong> Bewertung, in dem eine soziale Realität zum ‚Delikt‘ wird; die formellen<br />

Maßstäbe, an denen sich dieser Prozess orientieren soll, sind in den entsprechenden Straftatbeständen<br />

90 Ein aktuelles Beispiel für das Wirken von Geschlechterklischees <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verdrängung <strong>der</strong> Gewalt gegen Männer bietet<br />

<strong>der</strong> Sammelband von Jacobi, Günther H. (Hrsg.) Praxis <strong>der</strong> Männerges<strong>und</strong>heit. Stuttgart 2003.<br />

Seite 114

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