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Psychosoziale und Ethische Aspekte der Männergesundheit.qxp

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unweigerlich in einem Vorverständnis von <strong>der</strong> Eigenart des Frauseins <strong>und</strong> Mannseins. Dieses<br />

Vorverständnis muss reflektiert werden – an<strong>der</strong>enfalls verliert die Empirie ihr kritisches Potential <strong>und</strong> wird<br />

zur nachträglichen Bestätigung vorgefasster Meinungen. (Man denke nur an die Klischées <strong>und</strong><br />

Entgegensetzungen, mit denen Männer <strong>und</strong> Frauen bedacht werden: Auf die männliche Seite werden<br />

Rationalität, Aggressivität, Aktivität, Tun, Vernunft geschlagen, auf die weibliche Seite Emotionalität,<br />

Einfühlsamkeit, Passivität, Sein, Natur. Solch polare Klischées werden auch dann nicht in Frage gestellt,<br />

wenn man beiden Geschlechtern beides in unterschiedlicher Akzentuierung zuspricht <strong>und</strong> mit <strong>der</strong><br />

Auffor<strong>der</strong>ung verbindet, <strong>der</strong> Mann möge seine weibliche Komponente <strong>und</strong> die Frau umgekehrt ihre<br />

männliche Komponente kultivieren, um so ein ganzer Mensch zu werden. Das Problem hiebei ist nicht, ob<br />

Männer gegebenenfalls ihre unterentwickelte Gefühlswelt verbessern sollen, son<strong>der</strong>n die fraglose<br />

Gleichsetzung von Emotionalität mit Weiblichkeit. Und ebenso wenig sollen polare Momente im Mann- <strong>und</strong><br />

Frau-sein geleugnet werden. Nur lässt sich die menschliche Geschlechtlichkeit mit Hilfe polarer Kategorien<br />

auf angemessene Weise eben nicht fassen.). In solchem Vorgehen wird die entscheidende Vorfrage<br />

übersprungen, mit Hilfe welcher Begrifflichkeit sich <strong>der</strong> Geschlechtsunterschied von männlich – weiblich<br />

angemessen zur Sprache bringen lässt.<br />

Sind im Sterben alle gleich – o<strong>der</strong> sterben Frauen an<strong>der</strong>s als Männer? Diese Frage gewinnt ihre Schärfe,<br />

wenn sie nicht nur als Anlass für empirische Erhebungen über den Sterbeverlauf bei Männern <strong>und</strong> Frauen<br />

<strong>und</strong> über die Probleme <strong>der</strong> Sterbebegleitung durch Gleich- o<strong>der</strong> Verschiedengeschlechtliche genommen<br />

wird – so wichtig <strong>und</strong> unverzichtbar solche Untersuchungen gerade im Hinblick auf eine Verbesserung <strong>der</strong><br />

Sterbebegleitung sind –, son<strong>der</strong>n wenn sie darüber hinaus als sittlicher Aufruf zur Ermöglichung eines<br />

Sterbens in Würde genommen wird.<br />

Der Begriff <strong>der</strong> Würde spielt bekanntlich in medizinethischem Kontext eine wichtige Rolle, was nicht<br />

hin<strong>der</strong>t, dass er kontrovers diskutiert wird. Orientiert man sich an Menschenrechtsdokumenten wie z.B. <strong>der</strong><br />

Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte von 1948, dann wird mit <strong>der</strong> Menschenwürde etwas benannt,<br />

was dem Menschen als Menschen zukommt. So spricht die Präambel <strong>der</strong> Allgemeinen Erklärung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte von <strong>der</strong> „Anerkennung <strong>der</strong> allen Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> menschlichen Familie innewohnenden<br />

Würde <strong>und</strong> ihrer gleichen <strong>und</strong> unveräußerlichen Rechte“. Und im Artikel 1 heißt es: „Alle Menschen sind<br />

frei <strong>und</strong> gleich an Würde <strong>und</strong> Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft <strong>und</strong> Gewissen begabt <strong>und</strong> sollen<br />

einan<strong>der</strong> im Geiste <strong>der</strong> Brü<strong>der</strong>lichkeit begegnen.“ Kommen die Würde <strong>und</strong> die aus ihr erfließenden<br />

Gr<strong>und</strong>rechte dem Menschen als Menschen zu, d.h. schlicht <strong>und</strong> einfach, weil er Mensch ist, dann gründen<br />

Würde <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>rechte im Menschsein des Menschen, nicht aber in irgendwelchen moralisch relevanten<br />

‚Eigenschaften’ wie etwa Empfindungsfähigkeit, Leidensfähigkeit, Fähigkeit zu Selbstbewusstsein, Fähigkeit<br />

zu zukunftsbezogenen Wünschen, Kooperationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Moralfähigkeit.<br />

An<strong>der</strong>enfalls käme die Würde we<strong>der</strong> allen Menschen, noch allen gleicherweise zu. Deshalb kommt die<br />

Würde erstens dem Menschen zu unabhängig von Geschlecht, Rasse, soziokulturellem Kontext, von<br />

Eigenschaften, Fähigkeiten, Leistungen o<strong>der</strong> Zuständen. Zweitens ist Würde immer nur ein Gegenstand <strong>der</strong><br />

Anerkenntnis. Sie ist nichts, was Menschen einan<strong>der</strong> (o<strong>der</strong> je<strong>der</strong> sich selbst) zu- o<strong>der</strong> aberkennen könnten,<br />

son<strong>der</strong>n was als vorgegeben anerkannt werden möchte. Anerkennen heißt, etwas als das gelten lassen, was<br />

es unabhängig von <strong>der</strong> faktischen Anerkennung schon ist. Die Würde kann deshalb immer nur geachtet<br />

o<strong>der</strong> missachtet, aber eben durch Achtung we<strong>der</strong> verliehen noch durch Missachtung geraubt werden.<br />

Achtung <strong>und</strong> Missachtung besitzen Antwortcharakter.<br />

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