mutsgrenze, während sich die Männerjüngere Frauen nehmen, um gar wiederKinder zu zeugen. Väter und Mütter werdenim Schnitt ja beide kontinuierlich älter.Die Zahl der 45 bis 50-jährigen Väterhat sich in den letzten 25 Jahren verdoppelt.Immer mehr Prominente zeigen vor,wie lange ein Mann (und im selbständigenFall auch eine Frau) sexy sein kann: NikiLauda wurde mit sechzig Vater, Fritz Weppermit 70. Bezeichnend für diese Selbsteinschätzungist George Clooney bei US-TV-Talker David Letterman, der ihnfragte: „Alles Gute zum Geburtstag! Wiealt sind Sie jetzt?“ Clooney verzieht dasGesicht und meint: „Wir haben nur nochfür eine Frage Zeit!“, und sagt dann doch:„Ich habe jetzt gerade die Fünfzig erreicht.Das ist cool, tja, es ist zumindest die bessereAlternative“, und beendet den Satzmit einer Geste des Sterbens mit passendemMundgeräusch. Letterman: „Daskönnen Sie wirklich gut, können Sie auchzwei Geräusche hintereinander machen?“Clooney versucht es: „Nein, ich bin fünfzig,wissen Sie, es schmerzt und meineZähne könnten heraus fallen. Dann mussich sie fangen und damit jonglieren.“ Letterman:„Was haben Sie an Ihrem Geburtstaggemacht?“ Clooney: „Na, ich gingsicher nicht zum Briefkasten. Weil du genauan deinem Geburtstag die Unterfertigungfür deinen ARP-Sicherheitsgurt bekommst.Du machst das Paket auf und dasteht: „Willkommen, alter Freund!“ – Manbraucht doch wenigstens einen Monat,um sich an das Alter zu gewöhnen! Das istecht nicht lustig!“ Letterman: „Dabei sindSie doch so stramm, gerade bereit zumStart!“ Clooney: „Ja, ich würde sagen, diesollten einen anschreiben mit: „Sexiestman still alive! Für den ARP-Sicherheitsgurt!“Naja, vielleicht wird ja auch GeorgeClooney irgendwann noch Vater. DassKinder älterer Herren genetische Schädenmitbekommen, wird mittlerweile nichtmehr so oft behauptet. Möglicherweisebewirkt es sogar das Gegenteil, wie KonradLorenz beweist: „Meine Geschichtebeginnt mit Störungen. Ich war ein herbeigesehntes, aber völlig unerwartetes Kind.Zuerst hat man geglaubt, ich sei ein Myom.Dann bin ich so schnell gewachsen,dass man geglaubt hat, ich sei ein Melanom.Das bin ich aber eigentlich nicht.Und daran knüpft sich eine Anekdote:Diese Diagnosen waren jene des damalssehr berühmten Geburtshelfers Grubakdes Kaiserhofes. Meine Mutter kam dagegenmit der richtigen Diagnose, worauf ersagte, „Ja, wer hätte so etwas vermutenkönnen?“, worauf meine sehr schlagfertigeMutter entgegnete: „Ja, vielleicht einberühmter Geburtshelfer!“ Nun war abermein Vater besorgt, ob dieses Kind alterEltern – meine Mutter war ja auch schonüber 40 – auch in Ordnung sein würde.Der Mediziner sieht ja immer alle ungünstigenMöglichkeiten viel mehr als ein andererMann. Und er hatte auch noch späterSorgen, ob ich ein völlig intelligenter,vollwertiger Bursche wäre. Mein 18 Jahreälterer Bruder hat ihm das dann späterangekreidet, als ich die Professur in Königsbergbekam.“SELBSTVERWIRKLICHUNG MITHILFEDES MARKTS. Der „Lebensabend alsPhase der Selbstverwirklichung der neuenAlten“ ist schließlich auch der Schluss desErnest Dichter-SA-Forschungsinstitutsanhand einer Schweizer Umfrage im Jahr2000, wonach jene über 60-jährigen, diedie „Pensionszeit“ als bereichernde undgestaltbare Phase mit großen, erfüllbarenErwartungen und Plänen sehen, immermehr werden. Im Detail waren die „unreflektiertgenießenden Trend-Accepter“mit 38%, sowie die „verharrenden, verweigerndenTrend-Blocker“ mit 24% zwarnoch in der Mehrheit, im Laufe von neunJahren aber stark absinkend, dafür bildetendie „bewusst, aus dem Älterwerdendas Bestmögliche machenden Trend-Setter“mit 20%, sowie die „jung sein undbleiben wollenden Trend-Jumper“ mit18% die stark wachsenden Gruppen. Dieindividuellen Role-Models der Jungen Altenund darüber hinaus heißen somit nebenjung gebliebenen Amerikanern wieGeorge Clooney für die Deutschen: AliceSchwarzer, Wolfgang Joop, Udo Lindenberg,Nina Hagen, Uschi Glas..., und fürdie Österreicher Udo Jürgens, Frank Stronach,Maria Bill, Peter Rapp, Sonja Kirchberger...All diese charakterlichen Titulierungender Typologien-Forschung mögen ein wenigkonstruiert klingen, tatsächlich istaber die Selbstverwirklichung das höchsteerstrebenswerte Ziel, das ein Mensch anhandseiner Bedürfnisse des Seins erreichenkann. Ihre Stützen sind die Begeisterungund der Bewegungsdrang. Daraufkam 1943 schon US-WissenschaftlerAbraham Maslow, der mit seinem Pyramiden-Modellfestlegte, was beim Menschenallgemein zuerst erfüllt werden muss, damiter am Ende ganz oben – nämlich indieser bis zuletzt geforderten geistigenEbene des Ichs – ankommen kann. Demnachmüssten zuerst die Grund-, die Sicherheits-und zum Teil auch die Sozialenund Ich (= Anerkennung)-Bedürfnisse abgedecktwerden, wofür in erster Linie derMarkt zuständig wäre. Er ist es in Hinblickauf die Neuen Alten und ihre Vielfaltaber nur in zaghafter Weise. Insbesonderevon der medialen Werbung, die doch inehrlich, glaubwürdig und langfristig ausgerichtetenMarketingkonzepten mit ihrenpositiven Werten des Altseins, wieErfahrung, Reife, Geduld, Wissen und Ansprucharbeiten könnte, fühlt sich dieseZielgruppe weitgehend ignoriert, im Handelsoll bisher die Hälfte aller Unternehmeneine entsprechende Ausrichtung verschlafenhaben.Dabei achten hier und im Nahrungsmittelbereichdrei Viertel der Neuen Alten aufQualität, sie sind intelligenten Innovationengegenüber aufgeschlossen, die Hälfteschaut auf Sonderangebote, und über einDrittel auf die Marke und den Preis. D.h.,das Preis-Leistungsverhältnis wird sofortdurchschaut. So gut, dass es unter ihnenheute dennoch mehr Spontan- als Überlegt-Käufergibt. Was verbessert werdensollte, sind die Präsentations- und Verkaufsbedingungen:Denn über die Hälfteachtet auf die Produktinformationen sowiedie Verpackungen, wobei aber auchdas Abfall-Bewusstsein ausgeprägt ist.Spezielle Seniorenprodukte sind einSchuss ins Blaue, denn die Senioren wollenweder direkt noch suggestiv als „Alte“angesprochen werden. Besser sind vereinfachte,klare Produkt- und Designgestaltungenund ebensolche Gebrauchsanweisungen,sowie im Präsentationsumfelddeutlich geschriebene Preis-Schilder, Ruhe-Räumeund Einpack-Hilfen. Im Prinzipsind das also Servicedetails, die Menschenaller Altersstufen zugute kommen würden.In der Verkäuferansprache wird indi-36 FOKUS AUGUST 2013
viduelle Aufmerksamkeit gegenüber demreifen Kunden insofern doppelt belohnt,als dass jener dann garantiert wiederkommt.Denn die ehrlich gemeinte Alltagskommunikationentspricht in diesemAbschnitt beinahe einer Beziehung, weshalbauch ein altersadäquater Gesprächspartnerim Verkauf bevorzugt wird. „Mirkommt generell vor, dass die Verkäuferältere Leute absichtlich nicht bedienenwollen“, kritisiert etwa eine 70-jährige,„jemand älterer wäre mir prinzipiell aberlieber oder zumindest jemand, der sichmit älteren Menschen auskennt und sienicht für blöd hält.“ Ein im Ort bekannterHerr dagegen meint: „Die älteren Leutehier kennen mich noch aus meiner Zeit alsGeschäftsführer, und sind froh, wenn ichihnen etwas abkaufen möchte; die Jungenkennen mich allerdings weniger ...“ Esgeht hier also auch um den Respekt gegenübereinem Menschen, der in seinem Lebenschon viel geleistet und geschafft hatund unterbewusst darüber ein Feedbackerwartet. Das sollte ein Verkäufer nie außerAcht lassen, wenn er ihm ein technischesProdukt von A bis Z erklärt. Abgesehendavon ist es aber auch ein kaumhaltbares Klischee, dass sich ältere Menschenmit Digitalem und Elektronik nichtauskennen, denn diese Älteren haben jamittlerweile vieles an Grundwissen einverleibt.Selbst über das Internet erwerbendie Älteren (35% der 50 bis 60-Jährigen)immer häufiger Produkte, sowie sieauch in immer größerem Ausmaß das Internetnutzen. Interessanterweise kaufenviele ältere Menschen sogar „sehr gerneein“, etwa Männer, die während ihrer Arbeitszeitnie für Lebensmittel zuständigwaren und es jetzt genießen, Listen zuschreiben und die Dinge entweder selbstzu besorgen, oder bei Bewegungseinschränkung,sie sich bringen zu lassen.Hier zeigt sich eben insbesondere im hohenAlter das große Bedürfnis nachSelbstverantwortung und Autonomie derEntscheidungsfreiheit, was bereits zurSelbstverwirklichung gehört.Der wichtigste Zukunftswunsch der NeuenAlten ist, „gesund und fit zu sein“, wasden ansteigend boomenden Gesundheitsmarkterklärt. Wichtig ist im Alter außerdem,in möglichst großer Sicherheit zuleben, und wegen geringer werdenderRenten auch in materieller Hinsicht, obwohldie aktuelle Situation – wie bereitserwähnt - für die Mehrheit zufriedenstellendist, und ein gutes Fünftel sogar imWohlstand lebt, Tendenz steigend.Die Wohnung als Lebensmittelpunkt imAlter ist gut erforscht, und die Meinunghat sich im Bereich Neubau durchgesetzt,im Stil „Design for all“ zu bauen, d.h. etwamit offenem Grundriss und Barrierefreiheit,sodass sich altersbedingte Umbautengünstig und schnell erledigen lassen.Obwohl noch die meisten an ihrer gewohntenUmgebung festhalten, ziehenauch Ältere immer häufiger einen nochmaligenUmzug in der zweiten Lebenshälftein Betracht. „Ich habe mein Hausvor wenigen Jahren im Vorort verkauftund bin wegen des arbeitsaufwendigenGartens in eine Eigentumswohnung derInnenstadt gezogen“, sagt ein 68-Jährigernach dem Auszug seiner Kinder. „Ich wolltemir außerdem noch etwas gönnen, lieberöfter verreisen und essen gehen.“ Mitdieser Einstellung ist dieser Herr keineAusnahme. „Mein letzter Wunsch ist eineReise nach Zermatt. Das viele Fernsehen,wo ich mich mit kaum jemandem identifizierenkann, beginnt mich zu langweilen“,bestätigt eine ebenso alte Dame. Insofernverwundert es nicht, dass keine Altersgruppeso viele Urlaubsreisen unternimmtwie die der 50 bis 70-Jährigen. DieTourismusbranche bietet für jene auchsehr interessenbezogene Pakete, mit einzigartigenErlebnissen, gesundem Genussund Top-Service, wo der einzelne individuellund mit viel Aufmerksamkeit bedientwird. Nicht zu unterschätzen ist zudemder Bereich „Weiterbildung“, sei es imTourismus, als auch anderweitig, denndas geistige Wachstum ist den neuen Älterenein bewusster Schritt in die geistigeSelbst-Werdung. Vielleicht ist das auchder Schlüssel in die Wissensgesellschaftvon morgen, wo die humorvollen individuellenÄlteren wieder die Weisen derWelt darstellen. Ganz nach dem Motto:Konrad Lorenz lebt, aber mit dem Charmeund Aussehen von George Clooney. AUGUST 2013 FOKUS 37