MOTORRAD 21/2015
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Fahrbericht Honda RC<strong>21</strong>3V-S<br />
Brause, Pow er-Mode 1. Und nun ist ordentlich Musik in der Hütte.<br />
Ab 8000/min dreht der V4 zornig in die Höhe. Dabei mit solcher<br />
Gleichmäßigkeit, dass man sich unversehens im Begrenzer verheddert.<br />
Weder ruppige Leistungsspitze noch ungebührliche Vibrationen<br />
oder mechanische Geräusche signalisieren das nahende Limit.<br />
Mit geschmeidiger Direktheit hängt er am Gas, das Kassettengetriebe<br />
und der Schaltautomat liefern buttrige Gangwechsel,<br />
traumhaft. Vor allem aber entfaltet die Honda jetzt ihre Dynamik.<br />
Sie erlaubt unverschämt späte Bremspunkte, ohne die enge Linie<br />
zu verfehlen. Dann Bremse lösen, ganz lässig tiefer abwinkeln und<br />
den Bogen etwas enger ziehen, leicht aufrichten und mit vollen<br />
Segeln wieder raus aus dem Eck. Das geht mit derartiger Leichtigkeit<br />
von der Hand, dass man nie im Leben auf den Gedanken käme,<br />
man säße auf einer 1000er. Da werden schon eher Erinnerungen an<br />
den ersten Kontakt mit einem der seligen 250er-Production-Racer<br />
wieder lebendig. Ungeheuer schmal und kompakt ist die RC<strong>21</strong>3V-S.<br />
Nichts lenkt den Piloten von seiner Konzentration auf den per fekten<br />
Einlenk- oder Bremspunkt ab. Nach all den vollmundigen<br />
Ankündigungen hat man Großes von der RC<strong>21</strong>3V-S in Sachen<br />
Fahrverhalten erwartet – und sie enttäuscht nicht.<br />
Mit bezaubernder Leichtigkeit lenkt sie ein, nimmt ihren Fahrer<br />
förmlich bei der Hand, wenn es gilt, noch tiefer abzuwinkeln.<br />
Im Kurvenverlauf scheint keine Linienwahl zu verwegen, um nicht<br />
doch in die Tat umgesetzt zu werden. Wahnsinn!<br />
Wer jemals Skepsis hegte, ob 159 PS rocken können: Sie können,<br />
ganz gewaltig sogar. Fast logisch bei gerade mal 170 Kilo<br />
Trockengewicht. Wobei es weniger am niedrigen Gewicht alleine<br />
liegt. Es ist vielmehr auch eine Sache, wo Gewicht gespart und wo<br />
das verbleibende konzentriert wurde. Geschmiedete Magnesiumräder<br />
reduzieren die Kreiselkräfte, der Alu-Tank reicht bis tief unter<br />
die Sitzbank, die als federleichtes Monocoque massig Gewicht am<br />
Heck spart, ebenso wie die Titan-Auspuffanlage.<br />
Dazu kommt die enorme Präzision dieses handgefertigten<br />
Kleinods. Rahmen und Schwinge werden manuell WIG-geschweißt,<br />
für Schwingen- und Lenkkopflager hochpräzise Frästeile gefertigt,<br />
was Toleranzen auf ein Minimum reduziert und in der Großserie<br />
schlicht nicht machbar ist. All das fügt sich zu einem unglaublich<br />
sensiblen, leichtfüßigen, harmonischen Ganzen.<br />
Bei dem aber auch unverkennbar das Straßenmotorrad durchscheint.<br />
Denn die Federelemente sind überraschend soft abgestimmt.<br />
Die mächtigen ABS-losen Bremszangen beißen vergleichsweise<br />
zahm in die 5,5 Millimeter dicken 320er-Scheiben, und der<br />
straßentaugliche Bridgestone RS10 lässt es nach einigen schnellen<br />
Runden doch etwas an Knackigkeit missen. Aber man spürt, dass<br />
da noch viel mehr in der RC<strong>21</strong>3V-S steckt. Wie viel, zeigt eindrucksvoll<br />
die mit dem 12 000 Euro teuren Race-Kit ausgestattete RC.<br />
Offene Titan-Auspuffe, große Ansaugöffnung, dazu Kit-Steuergerät<br />
und Kabelbaum, scharfe Bremsbeläge und Bridgestone-Slicks<br />
feilen noch einmal zehn Kilo vom MotoGP-Ableger ab und entfesseln<br />
ihn vollends. Bis 14 000/min und damit 2000/min höher dreht<br />
Rank und schlank: 170 Kilo trocken im Straßenornat (Werksangabe)<br />
sind sensationell, 160 mit Race-Kit nur zwei über dem<br />
aktuellen MotoGP-Limit – und das mit Anlasser<br />
16 TEST+TECHNIK