MOTORRAD 21/2015
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Visionär: XXL-Wasserkühler und Zahnriemenantrieb<br />
der ohc-Nockenwellen<br />
Mehr ging nicht: drei Scheibenbremsen,<br />
Schwimmsättel vorn<br />
Clever: Die Tankattrappe beherbergt Ausgleichsbehälter<br />
und Werkzeug-/Handschuhfach; obenauf: die Benzinuhr<br />
Antrieb der bereits 2001 erschienenen<br />
1800er komplett dem Auge verborgen.<br />
Ebenso die Schächte, in denen nun Steuerketten<br />
jeweils weiterhin bloß eine obenliegende<br />
Nockenwelle und diese je zwei<br />
Ventile pro Zylinder antreiben. Dies ist absolute<br />
Opulenz auf Rädern – zwei Zimmer,<br />
Küche, Bad. Der Reise-Riese begeistert<br />
mit einzigartigem, nicht zu lautem Klang,<br />
ähnelt beim Ausdrehen älteren BMW M3.<br />
Ganz klar: Dies ist der laufruhigste, seidigste<br />
aller Motorradmotoren überhaupt,<br />
sorry BMW K 1600! Als wären die Zylinder<br />
mit Samt und Seide ausgeschlagen, würde<br />
die handlingfördernd längs liegende Kurbelwelle<br />
in Butter drehen. Die feinfühlige<br />
Hydraulikkupplung hilft sehr: Wie bei jedem<br />
Ozeandampfer sind Wendemanöver, Bugsieren<br />
beim An- und Ablegen im Hafen<br />
die heikelsten Manöver. Doch selbst kleine<br />
Fahrer erreichen allzeit sicher rettenden<br />
Erdboden und die weit entgegenkommenden<br />
Lenkerhälften. Über den per Anlasser<br />
angetriebenen Rückwärtsgang lästert nur,<br />
wer noch nie bergab mit diesem 425-Kilo-<br />
Koloss eingeparkt war. Die fünf Vorwärtsgänge<br />
klicken Honda-typisch nur so rein.<br />
Leistung? Da zitieren wir Rolls-Royce:<br />
genug. 130 Newtonmeter bei 2000 Touren.<br />
Noch Fragen? Leistungsgewicht meint<br />
hier beide Wortteile. Im Overdrive reichen<br />
2600 Touren für Tempo 100, die Ur-Gold-<br />
Wing braucht ebenfalls moderate 3500.<br />
Wahnsinn, wie behände und präzise der<br />
Dem Auge fast verborgen: Alu-Brückenrahmen,<br />
Einarmschwinge, seitliche Kühler<br />
Luxusdampfer durch Serpentinen und Tiefgaragen<br />
zirkelt. Ist halt eine Honda, perfekt<br />
ausbalanciert. Der Gigant kann Kurven, gut<br />
sogar, rollt rund und ausgewogen selbst<br />
durch Wechselkurven. Zwar fällt die über<br />
130 Kilo leichtere 1000er auf ihren schmalen<br />
Reifen mindestens ebenso leicht in<br />
Schräglage. Doch die Urversion reagiert<br />
in Schräglage viel empfindlicher auf Störeinflüsse,<br />
Schlag löcher und Bodenwellen:<br />
Ihre Federbeine, ja, der gesamte Rahmen,<br />
wirken bei allzu flotter Fahrt überfordert.<br />
Hey, das sind auch Gleiter! Drauf sitzen<br />
und sich wohlfühlen, die Landschaft entspannt<br />
genießen. Miles & more. Gesegnet<br />
mit dem mechanisch ewigen Leben. Behütet<br />
oder abgeschirmt auf der neuen, das<br />
muss jeder selbst wissen: Zentralverriegelung<br />
und Fernbedienung fürs innen etwas<br />
kleine Topcase, 55 Schalter, Knöpfe und<br />
Regler (bei Nacht beleuchtet) wirken wie<br />
ein Jet-Cockpit. Dafür gibt der weltweit erste<br />
Motorrad-Airbag serienmäßig Sicherheit.<br />
Facts <br />
• Hubraum: plus 83 Prozent<br />
• Leistung: plus 43 Prozent<br />
• Drehmoment: plus 108 Prozent<br />
• Gewicht: plus 43 Prozent<br />
Von den Gold Wing-Modellen mit<br />
1000 bis 1500 cm 3 entstanden von 1975<br />
bis 2001 fast eine halbe Million Exemplare,<br />
exakt 486 598. Hinzu kommen<br />
etwa 200 000 Exemplare der 1800er, also<br />
rund 700 000 Gold Wings! Weitere Infos:<br />
www.goldwing-forum.de, www.gl1000.<br />
de und <strong>MOTORRAD</strong> Classic 7, 8/<strong>2015</strong>.<br />
Ansprechpartner sind der rührige Gold<br />
Wing Club Deutschland e. V. (www.gwcd.<br />
de), die internationale Goldwing Road<br />
Riders Association e. V. (www.gwrra.org)<br />
und die Goldwing Föderation Deutschland<br />
e. V. (www.gwfd.de) als Dachverband<br />
der deutschen Gold Winger. Europas<br />
größter Gold Wing-Händler, Biker’s<br />
Point Fuchs im niedersächsischen Uslar<br />
(www.goldwing.de), hat ständig viele<br />
Purer und puristischer zieht die gemächlichere,<br />
empfindlichere 1000er ihre Kreise.<br />
Das Ex-Superbike ist nun gutmütiger Kumpel.<br />
Seine Bremsen brauchen mehr Handkraft<br />
als die aktuellen Verbundstopper.<br />
Im November 2014, nach 65 Jahren<br />
Motorradbau, war eine Gold Wing Hondas<br />
dreihundertmillionstes Motorrad. Was für<br />
ein Produktionsjubiläum. Was Winger für die<br />
Zukunft wünschen? Zuerst eine elek trisch<br />
verstellbare Scheibe: Anhalten, um zwei Verriegelungen<br />
zu lösen, ist old-fashioned, wenig<br />
souverän. Viele hätten gerne ein Doppelkupplungsgetriebe<br />
(DCT) für sanfteste<br />
Gangwechsel. Dazu etwas bessere Bremsen<br />
und eventuell besser ansprechende Federelemente<br />
– ist ja alles Stand von 2001. Ach<br />
ja, etwas weniger Schalter für den Fahrer<br />
sowie Windverwirbelungen für die Sozia<br />
wären nett. Plus mehr Zuladung. Man munkelt,<br />
2017 soll etwas kommen. Hallo, Honda,<br />
bitte lass die nächste Gold Wing wieder<br />
Maßstäbe setzen! Wie seit 40 Jahren.<br />
Abgehoben:<br />
Hondas Überflieger<br />
taugte in Ausgabe<br />
23/1975 gar für<br />
Sprungeinlagen.<br />
Tourer oder Sportler?<br />
Diese Frage<br />
sollte der erste<br />
Test nach der<br />
IFMA 1974 klären<br />
Dutzend neue und<br />
gebrauchte Über-Hondas auf<br />
Lager. Standardwerk ist das Buch „Honda<br />
Gold Wing“ der Autoren Petri und Koenigsbeck<br />
(nur im Antiquariat), neu gibt es<br />
„Honda Gold Wing: Geschichte eines<br />
Kultmotorrads“ von Pascal Szymezak<br />
(Heel-Verlag). Schöne Geschichten und<br />
Fotos (nicht nur über den Nippon-Kult)<br />
finden sich auf www.winni-scheibe.com<br />
www.motorradonline.de<br />
TEST+TECHNIK 51