MOTORRAD 21/2015
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In jeder Nische der<br />
Werkstatt blitzen<br />
Eigen- und Umbauten<br />
– so wie dieses<br />
Kreidler-Rennbike<br />
(links). Hier wartet<br />
neue Arbeit auf<br />
Andi und Rolf<br />
Schröder (rechts).<br />
Das Wohnzimmer<br />
ziert eine getunte<br />
BSA (unten)<br />
„Werner“ und seine Motorräder<br />
Alles fing damit an, dass Andi vor einigen Jahren für einen<br />
Bekannten Heizungsrohre auf dem Dachboden verlegt hatte.<br />
„Da lugte in der Ecke ein Zylinderkopf hervor – es war ein Reihenvier<br />
zylinder vom NSU Prinz. Ich durfte ihn mitnehmen.“ Vor Andis<br />
geis tigem Auge lief ein Motorradtraum ab: Henderson! „Von diesen<br />
Kult-Maschinen aus den 30ern wollte ich schon immer eine haben.<br />
Die sind heute ja unbezahlbar. Dann hatte ich die Idee: Mit dem<br />
NSU-Motor baue ich mir selber eine!“ Anders als bei der Münch<br />
Mammut wollte er die 70-PS-Maschine längs einbauen und mit<br />
einem BMW-Kardanantrieb kombinieren. „Ich hatte diese lang<br />
gestreckte, stimmige Linie der Henderson Streamline mit dickem<br />
Tank und breitem Lenker gleich vor Augen. Fast alle Teile, die ich<br />
brauchte, lagerten bei mir im Container.“ Von Anfang an war klar:<br />
Es kommt nur Schwermetall ans Bike, Plastik ist tabu.<br />
Mit dem Schrauberkollegen und Oldtimersammler Rolf Schröder<br />
(75) verschanzte sich Feldmann im letzten Winter in der Werkstatt<br />
und begann zu schweißen und neu zu konstruieren: „Den Motor<br />
haben wir zerlegt und mit neuen Teilen wieder aufgebaut, dann<br />
den ungefederten Stahlrahmen geschweißt und den Lenkkopf<br />
gedreht.“ Getriebe und Kupplung steuerte eine alte BMW R 90 S<br />
bei, die Springergabel stammt von einer Harley Flathead, die<br />
Schutzbleche von einer Triumph T100. „Als Weltneuheit montierten<br />
wir einen fußgesteuerten Fernlichtschalter auf dem Trittbrett.<br />
Er stammt vom VW Käfer“, erklärt der Metallschöpfer grinsend.<br />
Doch beim Tüfteln ergab sich ein „kleines“ technisches Problem:<br />
„Die Kurbelwelle lief in der falschen Richtung, und die NSU-<br />
Schwungscheibe passte nicht mit BMW-Anlasser und -Getriebe<br />
zusammen. Der befreundete Motorenspezialist Rupert Baindl half<br />
und konstruierte die nötigen Teile“, erzählt Andi Feldmann, der<br />
den Tank aus zwei Teilen zurechtgedengelt und mit einer Instrumentenkonsole<br />
ergänzt hat. Um das Gesamtkunstwerk komplett<br />
zu machen, waren etliche Teilelieferanten gefordert: „Tankverschluss<br />
von Aston Martin, Benzinuhr aus einem Flugzeug, Tacho<br />
von Norton, Zündschloss vom Trabbi und Benzinhahn von Harley.“<br />
Benzinhahn auf. Zweimal dreht der Anlasser, bis das basslastige<br />
Trompeten eines großvolumigen Rennmotors die Auspufftüten<br />
verlässt. Andi Feldmann streift sich seinen blauen Helm über.<br />
„Die Maschine ist um einiges leichter als eine Münch Mammut<br />
und macht ziemlich Druck.“ Er will es beweisen: Mit dem Handhebel<br />
rechts neben dem Tank legt Andi den ersten von fünf Gängen<br />
ein. Ein deftiger Dreh am Gashahn, die Waldfee verschwindet<br />
in einem spektakulären Soundschwall hinter der ersten Kurve.<br />
„Bei einem Oldtimertreffen mit Indian-Fahrern neulich im August<br />
hat die Maschine die erste Tour mit Bravour überstanden“, erzählt<br />
der Kons trukteur des einzigartigen Kulteisens. Gemeinsam sind<br />
166 LEBEN<br />
<strong>21</strong>/<strong>2015</strong>