MOTORRAD 21/2015
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T E S T + T E C H N I<br />
Impression Yamaha YZF-R6<br />
K<br />
DREH-<br />
MOMENTE<br />
Mit mehr Hubraum kann’s<br />
jeder. Aus kleinen Motoren<br />
viel Leistung zu holen, ist die<br />
wahre Kunst, und in keiner<br />
anderen Motorradgattung<br />
erreicht sie einen so hohen<br />
Stand wie bei den 600er-Supersportlern.<br />
Überaus drehzahlgierig,<br />
sind sie nicht leicht zu<br />
fahren, aber faszinierend.<br />
Von Ralf Schneider; Fotos: Jacek Bilski,<br />
markus-jahn.com (2), Yamaha (1)<br />
Schon die erste Ampel bringt es zutage. Aus Gewohnheit<br />
lege ich zum Anfahren eine kommode 1000er-Drehzahl auf<br />
und rücke die Kupplung ein. Maaaooooh. Hoppla, schnell<br />
die Drehzahl hochpflegen, Kupplung wieder greifen lassen.<br />
Der klangstarke Vierzylinder der Yamaha tönt noch immer wie ein<br />
depressives Gespenst und versackt im nächsten Drehmomentloch.<br />
Na gut, dann eben richtig. Mit grandiosem 7000er-Gebrüll geht<br />
die R6 endlich schwungvoll von der Linie. Dafür schüttelt jetzt eine<br />
Gruppe von Fußgängern verständnislos die Köpfe. Und ich glaube<br />
zu sehen, wie der Autofahrer hinter mir sich bei der nächsten roten<br />
Ampel an die Stirn tippt. Soll er doch. Weil es Stuttgart-auswärts<br />
die letzte Ampel ist, kriegt er es dafür bei der nächsten Grünphase<br />
fünfstellig serviert. Wenigstens freuen sich die Yamaha und ich.<br />
Zugegeben, man könnte die R6 auch mit geringerer Drehzahl<br />
anfahren, doch das ist mit der energisch zupackenden Kupplung<br />
nicht ganz einfach. Wer auf hochgezüchteten Zweitaktern die nötige<br />
Skrupellosigkeit im Umgang mit Drehzahlen und das gebotene<br />
Feingefühl beim Dosieren der Kupplung gelernt hat, wird das<br />
schwache Anfahrdrehmoment der R6 für ein Luxusproblem halten.<br />
Doch das sind die wenigsten. Die Mehrzahl der Motorradfahrer,<br />
jüngere und ältere, fängt nicht viel an mit dieser Unten-nichts-undoben-alles-Charakteristik<br />
der „kleinen“ Hochleistungsmotoren.<br />
Zum besseren Verständnis: Die 600er schaffen schon lange, was<br />
die 1000er-Supersportler erst in jüngster Zeit fertigbringen: Literleistungen<br />
von um die 200 PS. Weil sie dafür bei weniger Hubraum<br />
höhere Drehzahlen brauchen als die 1000er, liegen die Drehmo-<br />
36 TEST+TECHNIK <strong>21</strong>/<strong>2015</strong>