MOTORRAD 21/2015
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„Mit meiner<br />
YAMAHA habe<br />
ich dem Staat eine<br />
Menge Geld gespart“<br />
Interview Yanis Varoufakis<br />
„Call me Yanis“<br />
Yanis Varoufakis wurde 1961<br />
in Athen geboren und<br />
wuchs dort während der Militärdiktatur<br />
(1967 bis 1974) auf.<br />
Mit nur 17 Jahren zog er nach<br />
England, studierte Wirtschaftsmathematik<br />
und mathematische<br />
Statistik und promovierte<br />
1987 in Ökonomie. Er<br />
lehrte und lehrt – seit dem<br />
Jahr 2000 als Professor – an<br />
den Universitäten Essex und<br />
Birmingham, East Anglia, Cambridge,<br />
Sydney, Glasgow, Athen<br />
und Texas.<br />
Die Antwort kam überraschend<br />
schnell und ebenso eindeutig.<br />
Während sich bei <strong>MOTORRAD</strong><br />
die Kollegen noch eifrig stritten,<br />
ob Yanis Varoufakis nun ein eitler Poser<br />
oder doch ein echter Biker sei, mailte der<br />
schon auf die Interview-Anfrage zurück:<br />
„Was für eine großartige Idee! Motorräder<br />
sind ein unverzichtbarer Teil meines Lebens.<br />
Dass ich anderen Journalisten immer erklären<br />
musste, warum ich als griechischer<br />
Finanzminister weiter Motorrad gefahren<br />
bin, war so, als müsste ich erklären, warum<br />
ich weiter Wasser getrunken habe. Zudem<br />
kenne ich <strong>MOTORRAD</strong>, ich habe die griechische<br />
Ausgabe (gab es zwischen 1991 und<br />
1995, Red.) oft und gern gelesen.“<br />
Ortstermin Ende August auf der Insel<br />
Ägina, eine Schiffsstunde von Piräus entfernt.<br />
Varoufakis kommt samt seiner XJR<br />
zeitgleich mit <strong>MOTORRAD</strong> per Fähre an,<br />
empfängt informell und locker – „call me<br />
Yanis“ – in einem schlichten hellen Bungalow<br />
mit prachtvollem Blick aufs Meer, kocht<br />
erst mal für alle Kaffee und plaudert gleich<br />
drauflos. Ob wir denn mit dem Motorrad<br />
hier wären? Leicht verschämte Antwort:<br />
nein, leider nicht, Zeitgründe, Arbeit, Termine,<br />
gleich wieder zurück an den Schreibtisch<br />
… Was man halt so sagt, wenn man<br />
eigentlich lieber standesgemäß per Zweirad<br />
vorgefahren wäre. Aber im Urlaub, fügen<br />
wir hinzu, da haben wir Griechenland schon<br />
öfter mit dem Motorrad bereist, doch für<br />
ein Interview sei es einfach zu weit. „Ja“,<br />
sagt Varoufakis, „es zieht sich ganz schön.<br />
Ich bin früher oft mit dem Motorrad von<br />
Athen nach London gefahren.“ Kurzes verblüfftes<br />
Schweigen. Den Biker hatten wir<br />
ihm ja durchaus abgenommen, aber gleich<br />
so eine Gewalttour? Der Mann scheint<br />
deutlich mehr Benzin im Blut zu haben als<br />
angenommen. „Ich habe in England studiert,<br />
und zwischen 1978 und 1983 bin ich<br />
bestimmt 20-mal hin- und hergefahren.<br />
Laut eigener Aussage schrieb<br />
Varoufakis „jahrzehntelang obskure<br />
wissenschaftliche Texte“,<br />
ehe er im Januar <strong>2015</strong> griechischer<br />
Finanzminister wurde.<br />
Nach nur fünf Monaten trat er<br />
zurück und widmet sich derzeit<br />
vor allem dem Projekt einer<br />
europaweiten Partei. Zu seinen<br />
wichtigsten Veröffent lichungen<br />
gehört das Buch „Time for<br />
Change: Wie ich meiner Tochter<br />
die Wirtschaft erkläre“, auf<br />
Deutsch erschienen im Carl<br />
Hanser Verlag, München.<br />
Ach, und in West-Berlin war ich auch mal<br />
mit dem Motorrad, das war 1982. Bei Schneetreiben<br />
auf der Autobahn. Das war ganz<br />
schön merkwürdig. Nicht wegen des Schnees,<br />
sondern wegen der Transit-Autobahn, auf<br />
der man wie in einem Käfig eingesperrt war.<br />
Es war, als führe man im Niemandsland.<br />
Aber Berlin war cool damals, mit Musik und<br />
Bars, Rock und Punk.“<br />
Halt, halt, stoppen wir ihn, fangen wir<br />
lieber beim Anfang an, ehe wir uns in einzelnen<br />
Anekdoten und damit den Faden<br />
verlieren. Wie verlief denn nun die Motorradkarriere<br />
des Ex-Finanzministers? Varoufakis<br />
lacht: „Karriere kann man das von eurem<br />
Standpunkt aus wohl kaum nennen. Ihr habt<br />
ständig mit diesen ganzen fantastischen<br />
Bikes zu tun! Bei mir war das hingegen ganz<br />
gewöhnlich und normal. Angefangen habe<br />
ich natürlich mit Mopeds. Ich war 14 und<br />
konnte meinen Vater überreden, mir eine<br />
50er-Benelli zu kaufen, mit Dreigang-Handschaltung.<br />
Sie war einfach nur großartig, ich<br />
habe sie geliebt! Natürlich hatte ich gleich<br />
einen Crash. Eigentlich hätte ich den Motor<br />
einfahren müssen, aber ich habe schon am<br />
zweiten Tag Vollgas gegeben, und prompt<br />
hatte ich einen Klemmer, ausgerechnet in<br />
einer Kurve, und schon lag ich da. Passiert ist<br />
nicht viel, aber mein Ego war natürlich angeknackst.<br />
Ohnehin war das alles illegal, ich<br />
hatte gar keinen Führerschein, den habe<br />
ich erst später gemacht.“<br />
Mit 17 ging Varoufakis nach England<br />
zum Studium – und nahm seine Motorrad-Leidenschaft<br />
mit. Zunächst kaufte er<br />
170 LEBEN<br />
<strong>21</strong>/<strong>2015</strong>