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Schwarzbuch - GEW

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lebt, muss mehrere Kurse unterrichten, manchmal<br />

auch schon zehn oder zwölf Stunden am<br />

Tag. Bevor sie und ihre Kolleg/innen ihre Brote<br />

auspacken, geht‘s in den Kopierraum, wo sie die<br />

am Vorabend erarbeiteten Materialien vervielfältigt.<br />

Der Kopierraum ist die Informationsbörse<br />

der Schule. „Stimmt es, dass wir in den Schulferien<br />

Zwangsurlaub haben? Ich bin auf das Honorar<br />

angewiesen“, klagt eine Kollegin. Eine andere<br />

kommt schniefend herein. Krank machen?<br />

Wer kann sich das leisten?<br />

Es ist halb sieben am Abend und ihr Arbeitstag<br />

ist für heute beendet. Die Festangestellten sind<br />

schon gegangen, Anmeldung und Sekretariat<br />

sind geschlossen, doch noch immer kommen<br />

und gehen die Unterrichtenden, denn hier wird<br />

gelehrt und gelernt bis zehn Uhr nachts.<br />

Amelia fährt in die Nacht hinaus, nach Hause.<br />

Zu Hause wird sie ihren Unterricht reflektieren.<br />

So steht es zwar in den Vorschriften des BaMF,<br />

aber sie hat auch schon ohne diese Vorschriften<br />

immer am Abend die Geschehnisse des Tages<br />

Revue passieren lassen. Und sie wird Materialien<br />

für die morgige Gruppenarbeit vorbereiten.<br />

Teamarbeit ist eine prima Sache, aber sie<br />

erfordert viel Vorbereitungszeit. Gut, dass ihre<br />

Tochter schon so groß ist und kurz vor dem Abitur<br />

steht. Sonst wäre so eine Arbeit gar nicht<br />

möglich.<br />

„Seien wir dankbar, dass wir arbeiten dürfen“,<br />

hatte eine Kollegin heute im Kopierraum gesagt,<br />

als sie mal wieder über die miese Bezahlung<br />

sprachen. Amelia hätte sich umgekehrt ein<br />

wenig Dank gewünscht und Anerkennung für<br />

diese aufopferungsvolle und qualifizierte Arbeit,<br />

die sie hier Tag für Tag verrichtet, jahrein,<br />

jahraus. Die Verdienstbelege mit dem Vermerk<br />

„nebenberufliche Honorartätigkeit“ empfindet<br />

sie schon fast als Beleidigung. Wie kann man<br />

hier von „nebenberuflich“ sprechen? Arbeitet<br />

sie nicht Vollzeit und im öffentlichen Auftrag,<br />

im Auftrag eines Bundesprogramms? „Ich bin<br />

scheinselbstständig – im Regierungsauftrag“,<br />

denkt sie und weiß nicht, ob sie lachen oder<br />

weinen soll. Morgen wird sie ihren Dank bekommen<br />

– von ihren Teilnehmer/innen, die<br />

Tee kochen, ihr Gebäck miteinander teilen und<br />

ihr wieder einmal sagen, wie froh sie sind, hier<br />

lernen zu dürfen.

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