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Cité de Refuge<br />
Le Corbusier<br />
mit Pierre Jeanneret, Möbel von Charlotte Perriand<br />
1929-1933<br />
12, rue Cantagrel, 75013 Paris<br />
<strong>LC</strong> Paris<br />
115<br />
Das Obdachlosenheim ist das dritte Bauvorhaben, das Le Corbusier für<br />
die Heilsarmee realisierte - nach dem Volkspalast (1926-1927) und dem<br />
„schwimmenden Nachtasyl“ auf der Seine, einem großen Frachtkahn<br />
aus Beton, der 1929/30 für Obdachlose zu Schlafsälen umgebaut<br />
wurde. Mit der Cité de Refuge, die von 20 000 Spendern und der Fürstin<br />
Winaretta Polignac-Singer fi nanziert wurde, sollte ein Heim für 500-600<br />
obdachlose Pariser geschaffen werden. Die Einfügung eines sehr großen<br />
Baukörpers in ein dicht bebautes Stadtviertel veranlasste Le Corbusier zu<br />
umfangreichen Studien, bevor er den endgültigen Entwurf erstellte: Die<br />
Gemeinschaftseinrichtungen befi nden sich im Erdgeschoss auf der Seite<br />
der rue Cantagrel, der verglaste Schlafsaalkasten liegt im Seitenfl ügel an<br />
der rue du Chevaleret.<br />
Mit den verschiedenen Bauteilen hat Le Corbusier hier seinem in „Vers<br />
une architecture“ dargelegten Interesse an Ozeandampfern Gestalt<br />
verliehen. Die Raumfolge der großen Säle im Erdgeschoss, ausgehend<br />
vom Haupteingang mit der von Glasbausteinen eingefassten Empfangs-<br />
Rotunde, reproduziert die Anordnung der Aufenthaltsräume und<br />
Rauchsalons auf großen Dampfern. Die nach dem Vorbild dieser<br />
Passagierschiffe aufgebauten Stockwerke und die Gestalt des ganzen<br />
Gebäudes - bekrönt mit Kommandobrücken ähnelnden Aufbauten -<br />
haben eine schiffsartige Silhouette. Die Reihung der Schlafsaalmodule<br />
imitiert auf jeder Etage die monotone Abfolge von Schiffskabinen;<br />
die für die großzügige Spenderin in den obersten Etagen reservierte<br />
dreigeschossige Wohnung lässt an den Kommandoposten eines Admirals<br />
denken.<br />
Vom Passagierdampfer entlehnt die Cité de refuge auch ihre Kompaktheit.<br />
Hier wendete Le Corbusier das in Moskau aufgegebene Prinzip der<br />
„exakten Atmung“ an. Jeweils separate Lüftungskanäle sollten die Flure,<br />
Schlafsäle und Einzelzimmer der Bewohner „hygienisch“ belüften und<br />
beheizen. Fehlende Kühlung im Sommer und die Tatsache, dass sich<br />
die Fenster in der Südfassade nicht öffnen lassen, verdammten diese<br />
Maßnahmen allerdings zum Scheitern. Die Cité de refuge wurde im<br />
Zweiten Weltkrieg durch Bombardements schwer beschädigt, da sie in der<br />
Nähe des Gare d‘Austerlitz liegt. Die vollständig zerstörte Fassade wurde<br />
rekonstruiert und durch ein Sonnenschutzgitter ergänzt, das Le Corbusier<br />
noch einmal in projektbezogener Zusammenarbeit mit Pierre Jeanneret<br />
entwarf, obwohl die beiden 1940 ihr gemeinsames Büro aufgelöst hatten.