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Moderne Architektur Paris 1900-1990<br />
Martin Hervé<br />
Robert Mallet-Stevens, Architekt<br />
Robert Mallet-Stevens, sechs Villen (1927),<br />
rue Mallet-Stevens, Paris XVI<br />
Das Meisterwerk Mallet-Stevens: eine für ihn selbst und einige Freunde<br />
entworfene Straße, die seinen Namen schon trug, als er lebte. Über die<br />
Verwirklichung isolierter Gebäude hinausgehend, baut er hier ein sehr<br />
homogenes Stadt-Teil, einen urbanen Raum einer für Paris in den 20er<br />
und 30er Jahren wohl einmaligen Qualität.<br />
Le Corbusier gab vor, die universell gültigen Theorien zum urbanen Leben<br />
im 20. Jahrhundert zu defi nieren. Dieses demiurgische Sozialprojekt<br />
war Mallet-Stevens fremd. Seine Beschäftigung war ausschließlich<br />
architektonischer und plastischer Art. Nicht interessiert an der großen<br />
Frage des Jahrhunderts - der Unterbringung der Massen-, baut er<br />
fast ausschließlich Stadthäuser und Villen für die reiche, »moderne«<br />
Bourgeoisie,<br />
Diese Abwesenheit des sozialen Diskurses ist wohl der Grund dafür,<br />
daß Mallet-Stevens, der zu seiner Zeit ebenso berühmt und umstritten<br />
war wie Le Corbusier, in Vergessenheit geriet. Ein anderer Grund<br />
mag die Kürze seiner Karriere sein: Zwischen dem Bau seines ersten<br />
Hauses, als er 37 Jahre alt ist, und seiner letzten Arbeit 1939, liegen<br />
nur 16 Jahre. Letztendlich scheint seinem Werk auch der Stempel des<br />
Ephemeren anzuhaften: er schuf Ausstattungen, vor allem für den Film<br />
»L‘lnhumaine« von Marcel L‘Herbier, Ausstellungspavillons, Wohnungs-<br />
und Ladeneinrichtungen.<br />
Die rue Mallet-Stevens ist vor allem die architektonische Manifestierung<br />
seines außergewöhnlichen Ideenreichtums (siehe auch seine<br />
Zeichnungen, veröffentlicht 1932 in »Une cité moderne«). Seine<br />
Prinzipien sind einfach: Das Spiel makellos weißer und glatter Kuben, die<br />
»das Aussehen der Fassade vereinheitlichen, denn Volumen zählen mehr<br />
als Konstruktionsdetails.« Abstufungen, Staffelungen, Türme, das Spiel<br />
der Öffnungen, Vordächer u. ä., bilden eine enorme Skulptur, denn »der<br />
Architekt schafft eine Skulptur aus einem riesigen Block: das Haus.«<br />
Robert Mallet-Stevens<br />
Die Verarbeitung ist ganz besonders raffi niert und bis ins kleinste<br />
Detail geplant (etwa die Glasfenster von Barillet, Gitter und Türen<br />
von Prouvé). Die Innenausstattungen sind vor allem von Charreau,<br />
Guevrekian und Mallet-Stevens selbst. Leider wurden mehrere<br />
Villen verändert oder aufgestockt (vor allem Nr. 12, wo sich sein<br />
Büro befand).<br />
Mallet-Stevens geht hier weit über das einfache Nebeneinandersetzen<br />
von Bauwerken hinaus. Seine Straße schafft einen<br />
echten, von einem Bildhauer gestalteten „Innenraum« und nimmt<br />
als Projekt die Auseinandersetzungen der kreativsten Architekten<br />
der Gegenwart vorweg. Wenn Le Corbusier sein Vorhaben<br />
hätte verwirklichen können, den square du Docteur Blanche<br />
fertigzubauen, wäre ein Vergleich faszinierend gewesen.<br />
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