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entdeckten der Architekturkritiker Colin Rowe und junge amerikanische<br />

Architekten wie John Hejduk, Peter Eisenman oder Richard Meier die<br />

entscheidende Tragweite und strenge Logik von Le Corbusiers Werken<br />

aus seinen puristischen Jahren. Nun bemühten sich Architekturhistoriker,<br />

einen Stammbaum seiner Bauten und Theorien zu entwickeln und es<br />

entging ihnen nichts mehr - von Anekdoten aus seiner Kindheit bis zu den<br />

geheimsten Wendungen in seinen Beziehungen zur „Obrigkeit“.<br />

Le Corbusier war nun allgemein bekannt und erschien dennoch immer<br />

vielschichtiger und für Überraschungen gut. Sein Nachruhm hat so<br />

gewaltige Ausmaße angenommen, dass einige seiner Entwürfe von<br />

der Ausführung bedroht sind. Der Pavillon „L‘Esprit nouveau“ wurde<br />

in Bologna exakt nachgebaut und der Entwurf der Kirche für Firminy<br />

wurde vor Le Corbusiers Tod so genau untersucht, dass sie gebaut werden<br />

könnte. Das Haus Errazuriz (eine Studie von 1930 für Chile) oder der<br />

Gouverneurspalast in Chandigarh wären aber - würde man sie in naher<br />

Zukunft realisieren - sicher kaum mehr als original große, aber seelenlose<br />

Modelle.<br />

Ist es überhaupt möglich, die Botschaft Le Corbusiers, der zeitlebens<br />

von prophetischem Eifer beseelt war, letztgültig zu fassen? Sein<br />

Vermächtnis besteht aus vielen verschiedenen Teilen und umfasst dabei<br />

keinen „Werkzeugkasten“ im Stil Le Corbusiers, kein Verfahren, das die<br />

Ausführung seiner Entwürfe erlauben würde. Seine eigene Übersetzung<br />

vom Konzept ins Bauwerk spielt mit ganz unterschiedlichen Gebilden -<br />

von einzelnen Bauelementen bis zu Bautypen oder Raumkompositionen.<br />

Erst in den Problemlösungen der komplexesten Projekte entdeckt man<br />

die nützlichen Erfahrungswerte seines Schaffens. Le Corbusier schien<br />

selbst einen gewissen Manierismus zu praktizieren, wenn er Elemente<br />

wieder aufgriff und sie dabei umformte, so wie Michelangelo es auch mit<br />

seinen Motiven der frühen Renaissance getan hat.<br />

Le Corbusiers Schaffen ließe sich zweifellos als ein Ensemble<br />

unterschiedlicher, wenn nicht sogar gegensätzlicher Positionen<br />

zusammenfassen und fußt auf seiner unerschöpfl ichen Neugierde in<br />

Bezug auf die Stadt und ihre Wandlungen, auf die Architekturgeschichte<br />

und volkstümliche Bauweisen. Seine Architektur erklärt sich in gewissem<br />

Maße auch in seinen Schriften. Gerade weil Le Corbusier die Theorie<br />

beherrschte, war er ein anerkannter Neuerer. Seine Tätigkeit als Architekt<br />

bedeutete aber auch politisches Handeln. Wenn er die Illusion hegte,<br />

er könne Entscheidungsträger von der Notwendigkeit seiner Thesen<br />

überzeugen, dann vor allem, weil ihm zu Recht bewusst war, dass die<br />

Architektur Lösungen für die Probleme der Stadt bereit hielt. Niemand ist<br />

im Übrigen weniger Le Corbusier nachempfunden als Le Corbusier selbst.<br />

Weit davon entfernt, sich auf einen einzigen Ansatz zu beschränken, und<br />

sei es auch der eigene, stellte er seine eigenen Architekturauffassungen<br />

wiederholt selbst in Frage.<br />

aus: Le Corbusier - Lyrik der Architektur im Maschinenzeitalter, Jean-Louis Cohen<br />

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